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ein nur schreiendes Kind weiter trug, den ganzen Schwarm in Bewegung setzte, hatte sie bald entdeckt. Gesehen hatte sie diese Königin nur ein einziges Mal, glitzernd und gleißend, wie ein Skarabäus, hatte sie auf einem Berg von seidenen Kissen geruht, ein schwarzhaariges, geschmeidiges, junges Ding mit einer Stimme, so sanft wie das Gemurmel des Springbrunnens in stiller Nacht, und mit Augen, die auch nicht den Schatten der Furcht kannten. Sie drehte sich lässig um, wobei ihre Juwelen an Fußgelenk, Arm und Brust leise klirrten, und blickte lange, lange in Kätes Gesicht. »Ich habe nach Ihnen geschickt, weil ich Sie sehen wollte,« sagte sie endlich. »Sie sind übers Meer gekommen, um dem Ungeziefer hier Hilfe zu bringen?«

      Käte nickte stumm; ihre innerste Natur empörte sich gegen das goldstrotzende Geschöpf mit der Silberstimme, das vor ihren Füßen lag.

      »Verheiratet sind Sie nicht?« fragte die Königin, beide Hände unter ihren Kopf schiebend und zu den gemalten Pfauen an der Zimmerdecke hinauf starrend.

      Käte gab keine Antwort; das Blut pochte wild in ihren Schläfen.

      »Ist hier jemand krank?« fragte sie dann mit harter Stimme. »Ich bin sehr beschäftigt …«

      »Nein, krank ist hier niemand, wenn Sie es nicht sind … man kann auch krank sein, ohne es zu wissen.«

      Die Königin wandte das Haupt, um Käte anzusehen, deren Augen vor Entrüstung flammten. Dieses Weib, das in Müßiggang und Putzsucht vor ihr lag, hatte nach des Maharadscha Kunwar Leben getrachtet, und Grauen schüttelte sie vor dieser Jugend – Sitabhai war jünger als sie selbst.

      »Achcha,« sagte die Königin noch langsamer, ohne den Blick von Käte zu verwenden. »Wenn Sie mich so hassen, weshalb sagen Sie mir’s nicht? Ihr Weißen, ihr liebt ja die Wahrheit!«

      Käte drehte sich auf dem Absatz um und wollte aus dem Zimmer eilen, aber Sitabhai rief sie zurück und würde sie, einer Laune gehorchend, geküßt haben, wenn Käte nicht entsetzt zurückgefahren wäre. Seither vermied sie diesen Flügel des Palastes aufs ängstlichste. Sie wurde auch nie gerufen, denn die Frauen dort begehrten ihrer Dienste nicht, aber wenn sie an dem dunkeln Gang, der zu Sitabhais Gemächern führte, vorüber mußte, sah sie nicht einmal, sondern öfters ein nacktes Knäblein umherhüpfen, das jubelnd ein juwelenbesetztes Messer in den enthaupteten Rumpf einer Ziege stieß, deren Blut die weißen Marmorfliesen überströmte.

      »Das,« sagten ihr die Frauen, »ist der Zigeunerin Sohn. Er lernt töten, Tag für Tag. Eine Schlange ist eine Schlange und eine Zigeunerin bleibt eine Zigeunerin bis zu ihrem letzten Atemzug.«

      In dem Teil des Palastes, wo Käte am ehesten heimisch war, wurden keine Ziegen geschlachtet und keine Cymbeln gerührt. Hier lebte, vergessen vom Maharadscha, verspottet von Sitabhais Frauen, die Mutter des Maharadscha Kunwar. Sitabhai hatte ihr alle Ehren und alle Liebe geraubt, durch teuflische Zigeunerkünste sagten die Anhänger der Königin Mutter, durch ihre Schönheit und Liebesgewalt sang man im jenseitigen Teil des Palastes. Wo sich sonst ein glänzender Hofstaat von Frauen gedrängt hatte, wandelte man jetzt durch leere, verödete Räume, und die wenigen Getreuen, die bei der gefallenen Größe ausharrten, wurden scheel angesehen und wenig beachtet. Sie selbst war nach morgenländischen Begriffen eine ältliche Frau, das heißt über fünfundzwanzig Jahre alt und war auch nie mehr als alltäglich hübsch gewesen.

      Ihre Augen waren trüb geworden vom Weinen, und ihre Seele war erfüllt von abergläubischer Angst – jede Stunde des Tages und der Nacht hatte für sie ihre besonderen Schrecken und in ihrer Vereinsamung konnte sie der Schall eines Fußtritts erbeben machen. In den Jahren ihres Glücks hatte sie sich täglich mit Wohlgerüchen gesalbt, all ihre Juwelen angelegt und mit künstlich geflochtenen Haaren den Maharadscha erwartet. Auch jetzt noch schmückte sie sich wie einst, ließ sich ihre Kleinodien umhängen und wartete, von ihrem ehrfurchtsvoll schweigenden Hofstaat umgeben, auf den königlichen Gatten, wartete die ganze lange Nacht hindurch, bis das Morgenlicht die Fahlheit unter der Schminke verriet. Käte hatte eine dieser Nachtwachen miterlebt, und ihre Augen mochten verraten haben, wie unbegreiflich ihr die Sache vorkam, denn die Königin Mutter winkte sie, nachdem sie ihren Schmuck wieder abgelegt hatte, schüchtern herbei und bat sie, nicht zu spotten.

      »Sie verstehen das eben nicht, Fräulein Käte,« verteidigte sie sich mit kläglicher Stimme. »In einem Land sind die Sitten so, im andern anders, aber Sie sind ja auch ein Weib – Sie werden es noch begreifen lernen!«

      »Aber Sie wissen doch, daß niemand kommt,« sagte Käte weich und herzlich.

      »Ja, ich weiß es, aber – nein, Sie sind eben doch kein Weib, Sie sind ein guter Geist, der weit übers Meer her gekommen ist, um mir Aermster und den Meinigen zu helfen.«

      Käte war überrascht. Außer in der Botschaft, die ihr der Maharadscha Kunwar bestellt hatte, war nie ein Wort über die Lippen der Königin gekommen, das irgend welche Angst um das Leben ihres Sohnes verraten hätte. Wiederholt hatte Käte den Versuch gemacht, das Gespräch darauf zu lenken, um wenigstens eine Andeutung über die Art der Gefahr zu bekommen, der sie vorbeugen sollte – es war immer vergebens gewesen.

      »Ich weiß nichts,« pflegte die Königin zu sagen. »Niemand weiß etwas hier, hinter diesem Vorhang. Fräulein Käte, wenn meine eigenen Frauen tot da unten lägen,« – sie deutete durch das grüne Lattenwerk vor ihrem Fenster nach dem gepflasterten Weg, der sich darunter hinzog, – »ich wüßte nichts davon. Auch von dem, was ich gesagt, weiß ich nichts, aber,« setzte sie so leise hinzu, daß Käte sie kaum verstand, »es wird doch kein Unrecht sein, wenn eine Mutter ihren Sohn dem Schutz einer andern Frau befiehlt! Er ist jetzt alt genug, um sich als Mann zu fühlen und der Mutter zu entfremden, und ist noch jung genug, um der Welt zu trauen. Ahi! Und er ist so weise, denn er hat tausendmal mehr gelernt als ich und spricht englisch, wie ein Engländer. Wie kann ich mit meinen geringen Kenntnissen und meiner großen Liebe den Sohn beaufsichtigen? Darum sage ich Ihnen, seien Sie gut gegen ihn! Das darf ich ja laut sagen, das dürfte ich an die Wände schreiben, wenn’s not thäte. Das ist ja nichts Verdächtiges. Wenn ich aber mehr sagte, so würden die Steinfliesen unter meinen Füßen die Worte aufsaugen, und der Wind würde sie in die Stadt und weit in die Dörfer hinaustragen. Ich bin eine Fremde in diesem Land – eine Radschputin aus Kulu, viele tausend, tausend Meilen von hier. In einer dicht verschlossenen Sänfte trugen sie mich her zur Hochzeit – einen ganzen Monat lang trug man mich und ich saß in der Dunkelheit, und wenn nicht eine von meinen Frauen es mir gesagt hätte, ich wüßte nicht, in welcher Richtung der Wind weht, der in meine Heimat zieht, nach Kulu. Was soll ihnen eine fremde Kuh im Stall? Mögen die Götter ihr beistehen!«

      »Aber sagen Sie doch mir, was Sie denken?«

      »Ich denke nichts,« hatte die Königin verdrossen erwidert. »Was geht uns Frauen das Denken an? Wir lieben und leiden! Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich sagen darf. Fräulein Käte, Sie werden auch Mutter werden und einen Sohn zur Welt bringen. Wenn die Zeit kommt, werden Sie’s erfahren, wie voll von Liebe ein Mutterherz ist, und mögen die Götter gut sein gegen Ihren Sohn, wie Sie es gegen den meinigen waren.«

      »Wenn ich ihn behüten soll, muß ich wissen, wovor, und Sie lassen mich im Dunkeln!«

      »Ich bin auch im Dunkeln, und das Dunkel ist voll Gefahren.«

      Tarvin hielt sich sehr viel im Palast auf, nicht nur, weil er dort am ehesten Kunde von seinem Halsband erlauschen zu können hoffte, sondern weil er dadurch in der Lage war, Kätes Kommen und Gehen zu beobachten. Oft genug fuhr seine Hand wieder nach dem Revolver, und sein Blick folgte der entschwindenden Gestalt mit aller Sehnsucht des Liebenden, aber er äußerte nichts davon, und dafür war ihm Käte dankbar. Tarvin sagte sich, es sei die Zeit gekommen, einfach wieder ihren Helfer und Wasserträger zu spielen, wie dereinst in der Bauhütte, die Zeit, sie zu behüten und zu bewachen, ohne daß sie seiner inne ward – er fühlte, daß er ihren Frieden nicht stören durfte.

      Der Maharadscha Kunwar kam ihm im Palasthof häufig unter die Augen, und Tarvin war unermüdlich, auf Kurzweil zu sinnen, die den Jungen von Sitabhais Bereich fernhalten sollte, aber gelegentlich entschlüpfte er ihm doch, und dann war es an Tarvin, ihm nachzugehen und sich zu überzeugen, daß ihm kein Leides geschah. An einem Nachmittag, wo er alle möglichen Künste und schließlich

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