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einer Viertelstunde schob der Arzt sie wieder hinaus auf den Gang. »Glück gehabt«, sagte er zu Albertina. »Diese Bohle hätte Ihnen auch den Mittelfußknochen zertrümmern können, aber Ihre Schuhe haben einiges abgehalten. Also: Kühlen, hoch legen, ruhig halten, einige Tage lang. Am Dienstag stellen Sie sich hier bitte wieder vor.«

      »Aber das geht nicht, da arbeite ich!«, erklärte Albertina.

      »Wenn Sie das tun, lehne ich die Verantwortung für Ihre weitere Genesung ab!«, entgegnete der Arzt mit funkelndem Blick.

      »Ich sorge dafür, dass sie keine Dummheiten macht«, warf Kurt schnell ein, als er sah, dass Albertina erneut zu einer Erwiderung ansetzte.

      Dr. Bertram nickte nur, dann lächelte er. »Seien Sie vernünftig«, bat er in versöhnlichem Ton. »In Ihrem eigenen Interesse. Der Fuß wird Ihnen sonst noch länger Probleme bereiten, glauben Sie mir. Gönnen Sie ihm jetzt drei Tage Ruhe, dann ist das Schlimmste überstanden.« Er gab ihr noch zwei Krücken mit, denn ohne die würde sie sich nicht bewegen können.

      Albertina nickte, obwohl sie nicht die Absicht hatte, auf den Arzt zu hören. Aber was nützte es, sich mit ihm zu streiten? Sie würde, wie immer, tun, was sie für richtig hielt.

      Aber als Kurt sie nach Hause gefahren hatte und ihr half, aus dem Auto zu steigen und zum Haus zu humpeln, merkte sie mit einem Mal, dass sie doch angeschlagener war als angenommen. Der Fuß bereitete ihr jetzt viel größere Probleme als während des Tages, sie konnte nicht auftreten, ohne dass ihr ein scharfer Schmerz durch das ganze Bein schoss. Also benutzte sie zähneknirschend die Krücken, obwohl sie das eigentlich nicht vorgehabt hatte.

      »Ich kümmere mich morgen um dein Auto«, versprach Kurt. »Meine Frau und ich können es zu dir fahren. Du bist ein solcher Dickschädel, Albert. Warum wolltest du nicht mit zu uns kommen? Wir hätten dich versorgen können, bis du wieder auf den Beinen bist.«

      »Das ist sehr lieb von dir, Kurt, danke, aber es geht auch so. Ich komme jetzt allein zurecht, das Haus hier hat einen Aufzug.« Sie wollte nicht, dass er ihre Wohnung sah. Die war zwar ziemlich schlicht eingerichtet, aber hier und da gab es eben doch eine Kostbarkeit, die sich eine normale Bauingenieurin, die noch nicht lange berufstätig war, kaum hätte leisten können. Vielleicht hätte er das nicht einmal bemerkt, aber sie wollte lieber nichts riskieren. Zum Glück war das Haus, in dem sie wohnte, nicht weiter auffällig: ein hübsch renovierter Altbau, nichts Luxuriöses.

      »Ruf an, wenn etwas ist«, bat er. »Aber wie ich dich kenne, machst du das sowieso nicht.«

      »Danke!«, sagte sie noch einmal. »Fahr nach Hause, Kurt, deine Familie wartet auf dich, und ich schaffe das ab jetzt allein.«

      Er zögerte noch immer, nickte dann aber und ging zurück zu seinem Auto. Sie wartete, bis er eingestiegen und weggefahren war, dann humpelte sie zum Fahrstuhl und lehnte sich mit geschlossenen Augen an die Wand, während er sie nach oben brachte. In ihrer Wohnung angekommen, steuerte sie sofort das Sofa an und ließ sich da-rauf nieder. Als sie den verletzten Fuß hochlegte, fühlte sie sich besser, trotz der noch immer heftigen Schmerzen.

      Später duschte sie noch, wobei sie sich bemühte, den Verband nicht nass werden zu lassen. Jetzt erst merkte sie, wie selbstverständlich sie ihre gute Konstitution immer hingenommen hatte. Nun hatte sie einen verletzten Fuß, eine vergleichweise kleine Behinderung also – und dennoch konnte sie sich kaum allein helfen.

      Sie aß eine Kleinigkeit, dann legte sie sich wieder auf ihr Sofa, lagerte den Fuß hoch und schaltete den Fernseher ein, nachdem sie noch eine Schmerztablette genommen hatte.

      Als sie mitten in der Nacht aufwachte, lief der Fernseher noch immer. Die Schmerzen hatten nachgelassen. Leise vor sich hin schimpfend angelte sie nach den Krücken und humpelte ins Bett, wo sie sofort wieder einschlief.

      Zum Glück war am nächsten Tag Sonntag!

      *

      Gräfin Caroline war voll der bes-ten Vorsätze gewesen, doch kaum hatte sie angefangen, von Albertina zu reden, da war die Begeisterung auch schon mit ihr durchgegangen, und sie hatte ihrem Sohn dringend nahe gelegt, die Bekanntschaft der reizenden jungen Frau zu suchen.

      »Mama!«, seufzte Carl, halb amüsiert, halb verärgert. »Wir wollten dieses Thema doch fallen lassen. Ich bin erwachsen, überlass es mir, mich zu verlieben.«

      »Aber das ist es doch eben!«, rief seine Mutter. »Wenn ich das täte, würde ja nie was draus.«

      »So wird es aber auch nichts«, entgegnete Carl, »weil ich mich nämlich ärgere und nun erst recht keine Lust mehr habe, mich um irgendeine Frau zu bemühen.«

      Caroline fing einen Blick ihres Mannes auf. Sie lächelte schuldbewusst. »Ich hatte mir so vorgenommen, zurückhaltend zu sein«, murmelte sie. »Ehrlich, Carl, ich wollte dich nicht unter Druck setzen, aber wir waren so angetan von dieser jungen Frau …«

      »Wie schon von etlichen anderen zuvor«, bemerkte Carl trocken. Er wandte sich an seinen Vater. »Du findest diese Albertina also auch schön, klug, sympathisch und damit unwiderstehlich, Papa?«

      Graf Ernst lächelte. »Wenn du es genau wissen willst, mein Sohn: ja. Sie hat uns bestens unterhalten, Fritz von Kant und mich. Sie ist nämlich Ingenieurin und arbeitet zurzeit an dieser großen Brücke mit. Du weißt, dass ich gern selbst eine solche berufliche Laufbahn eingeschlagen hätte, deshalb hat mich alles, was Albertina zu erzählen hatte, sehr interessiert. Außerdem ist sie eine ausgesprochen attraktive junge Frau.«

      »Schön, jetzt habt ihr mir das mitgeteilt, ich bin also über ihre Vorzüge informiert. Könnten wir jetzt bitte über etwas anderes reden?«

      Ernst warf seiner Frau einen warnenden Blick zu, damit sie nicht noch einen Fehler machte.

      Sie nickte ihm verstohlen zu. An dem nun folgenden Gespräch beteiligte sie sich kaum noch. Es tat ihm leid, dass Carls Junggesellentum ihr solchen Kummer berei-tete, aber in diesem Punkt war er ganz auf der Seite seines Sohnes: Ob Carl sich verheiratete oder nicht und wann er das tat, war ausschließlich seine Sache. Es half niemandem, in dieser Angelegenheit Druck auszuüben.

      Es dauerte lange, bis Caroline zu ihrer sonstigen Heiterkeit zurückgefunden hatte – und ein Rest von Enttäuschung über Carls schroffe Abwehr ließ sich noch immer von ihrem Gesicht ablesen, als er sich gegen Abend wieder verabschiedete. Hätte sie freilich gewusst, dass ihr Sohn, aus reiner Neugierde, beschlossen hatte, sich diese sagenhafte Albertina einmal anzusehen, ohne dass seine Eltern etwas davon erfuhren, wäre sie außer sich vor Freude gewesen.

      *

      Robert Heuser hatte Glück an diesem Sonntag: Er sah seine große Liebe Sabine, bevor sie ihn entdeckte – und so blieben ihm etliche Sekunden, sich auf die unvermeidliche Begegnung einzustellen. Sein letztes Gespräch mit Carl hatte Spuren hinterlassen, er war, zum ersten Mal, seit er sich in Sabine verliebt hatte, fest entschlossen, seine Gefühle für sie zu bekämpfen. Sie liebte ihn nicht, die Sache war aussichtslos, er musste also damit aufhören, wenn er sich nicht vollständig lächerlich machen wollte!

      Er schaffte es, dank seines kleinen Vorteils, unverbindlich zu lächeln, als sie ihn endlich auch erkannte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, aber das konnte sie ja zum Glück nicht sehen. Auch dass seine Hände feucht vor Aufregung waren, würde sie nicht mitbekommen, da sie sich noch nie per Handschlag begrüßt hatten. Er musste nur seine Stimme unter Kontrolle behalten, und das sollte doch eigentlich zu schaffen sein!

      »Hallo, Biene«, sagte er freundlich, während er Anstalten machte, seinen Weg fortzusetzen.

      Sie jedoch blieb stehen und betrachtete ihn prüfend. »Hallo, Robert«, erwiderte sie. »Carl sagte mir, dass es dir sehr gut geht.«

      »Sieht man das nicht?«, lächelte er, während er verzweifelt versuchte, sein rasendes Herz zu beruhigen. Wie schön sie war! Er sehnte sich so sehr danach, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen, dass er seine Fäuste tief in die Taschen seiner Jacke bohrte, um nur ja keine verräterische Bewegung zu machen.

      »Doch«, erwiderte sie zögernd. »Du … du hast also wirklich begriffen, dass

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