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man keine Schwäche zeigen durfte!

      *

      »Hallo, Carl«, sagte Sabine Ketteler. »Das ist ja nett, dass wir uns mal wieder treffen.«

      Carl blieb stehen und begrüßte die hübsche Blondine, die seinen Freund Robert seit einem Jahr unglücklich machte – ohne dass man ihr daraus einen Vorwurf hätte machen können. Sie liebte ihn nur einfach nicht, und das hatte sie Robert auch von Anfang an gesagt.

      »Hast du in letzter Zeit mal mit Robert gesprochen?«, fragte sie.

      »Ja, gestern Abend zum Beispiel. Warum fragst du?«

      »Wie schätzt du die Chance ein, dass er irgendwann begreift, was ich ihm sage?«

      »Sehr gut!«, antwortete Carl mit Nachdruck.

      Misstrauen schlich sich in ihren Blick. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«

      »Davon bin ich weit entfernt«, beteuerte Carl. »Es geht ihm gut, Biene, er hat dich endgültig überwunden, glaub mir.« Das war zwar ein wenig übertrieben, schadete aber sicherlich nicht.

      Sie hätte jetzt zufrieden und glücklich aussehen müssen, fand er, doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil: Sie wirkte ein wenig grämlich, und das verunsicherte ihn.

      »Was ist denn?«, erkundigte er sich. »Ich dachte, du freust dich, dass er dir endlich nicht mehr nachläuft. Du hast ihm schließlich oft genug gesagt, dass du seine Gefühle nicht erwiderst. Er hat es jetzt endlich begriffen und wird dich in Ruhe lassen. Mit etwas Glück verliebt er sich dann vielleicht sogar bald in eine andere Frau.«

      Sie starrte ihn an, dann nickte sie. »Hoffentlich!«, sagte sie endlich. Ihre Stimme klang ein wenig gepresst. »Du, ich muss weiter. War schön, dich mal wieder getroffen zu haben. Bis dann, Carl.«

      Sie drehte sich um und ging, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, noch etwas zu erwidern. Er blieb noch eine ganze Weile stehen und sah ihr nach. Was war das denn jetzt gewesen? Er verstand die Welt nicht mehr. Warum freute sie sich nicht?

      Wahrscheinlich glaubte sie ihm nicht, was er immerhin nachvollziehbar fand. Bisher war Robert nach jedem heiligen Schwur, sich Sabine endlich aus dem Kopf zu schlagen, wieder rückfällig geworden. Hoffentlich hielt er dieses Mal durch!

      *

      »Ingenieurin ist sie?«, fragte Anna. »Das ist selten, oder? Eigentlich ist das doch ein richtiger Männerberuf. Sieht sie auch aus wie ein Mann?«

      Sofia, Friedrich, Anna, Christian und Annas Bruder Konrad saßen an diesem Samstag bei einem ziemlich späten Frühstück. Sofia und Friedrich erzählten vom vergangenen Abend. Wie nicht anders zu erwarten, war besonders alles, was mit Albertina von Braun zusammenhing, auf lebhaftes Interesse bei den Teenagern gestoßen.

      Der Baron lachte. »Sie sieht sehr hübsch aus, Anna – und sehr weiblich, das darfst du mir glauben. Stimmt doch, Sofia, oder?«

      »Ja, das stimmt. Vielleicht besucht sie uns einmal hier, dann könnt ihr euch selbst davon überzeugen. Als Kind war sie schon auf Sternberg zu Besuch, hat aber keine Erinnerung daran.«

      »Was baut sie denn gerade?«, erkundigte sich Christian.

      »Die neue Brücke – sie hat davon erzählt«, berichtete der Baron. »Sehr interessante Sache – und offenbar nicht ganz einfach, weil es ein gigantisches Projekt ist. Aber sie ist mit Begeisterung dabei. Es war eine Freude, sich mit ihr zu unterhalten, das muss ich schon sagen.«

      »Die große Brücke?«, fragte Anna. Sie warf Christian einen Blick zu. »Hast du nicht gestern auch was darüber erzählt, Chris?«

      »Ich habe einen Bericht im Fernsehen darüber gesehen. Sie baut wirklich daran mit?«

      »Ja, und sie versteht etwas davon, das dürft ihr mir glauben.«

      »Das wäre kein Beruf für mich«, stellte Anna fest.

      Die anderen lachten, sie teilten Annas Meinung.

      »Caroline war jedenfalls ganz begeistert von Albertina und hat insgeheim bestimmt schon wieder Pläne geschmiedet«, berichtete die Baronin weiter.

      »Ach ja«, meinte Anna, »sie will Carl ja immer verheiraten – und er wehrt sich. Wäre Albertina denn eine Frau für ihn?«

      »Wie sollen wir das beurteilen, Anna?«, mischte sich der Baron ein. »Wir kennen die junge Frau doch kaum. Und nur weil sie

      hübsch aussieht und einen sympathischen Eindruck macht, heißt das noch lange nicht, dass sie die richtige Frau für Carl zu Kallwitz wäre.«

      »Der arme Carl«, sagte der kleine Fürst. »Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn immer jemand versuchen würde, mich zu verheiraten. Warum hört seine Mutter nicht endlich damit auf? Ich mag Gräfin Caroline wirklich gern, aber sie sollte ihren Sohn in Ruhe lassen.«

      »Der Ansicht sind wir auch«, erklärte Baron Friedrich. »Aber sie wird sich nicht ändern, Chris. Sie will Carl glücklich verheiratet sehen, und sie wird keine Ruhe geben, bevor es nicht so weit ist.«

      »Oder sie treibt ihn in eine unglückliche Ehe«, warf Anna ein. »Er heiratet, damit er endlich seine Ruhe hat – und stellt dann fest, dass er leider die falsche Frau genommen hat.«

      »Jetzt ist aber Schluss!«, rief die Baronin. »Ich will nichts mehr davon hören. In diesen Dingen bin ich abergläubisch – man soll das Unheil nicht herbeireden!«

      »Aber, Sofia!«, schmunzelte der Baron. »So kenne ich dich ja gar nicht.«

      »Ich habe noch viele andere Seiten, die dir unbekannt sind, Liebs-ter.« Sie beugte sich zu ihm, um ihm einen Kuss zu geben.

      Danach wurde das Thema gewechselt.

      *

      Albertina hielt durch, aber nach der Arbeit bestand Kurt darauf, sie in eine Ambulanz zu bringen, damit ihr Fuß untersucht werden konnte. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu widersetzen, und es stellte sich heraus, dass das gut gewesen war. Der Arzt in der Notaufnahme eines nahe gelegenen Krankenhauses schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er Albertinas Fuß sah. »Wann ist das passiert?«, fragte er. Auf dem Schild an seinem Kittel stand »Dr. Andreas Bertram«.

      »Paar Stunden her«, murmelte sie undeutlich. Sie wollte ihm lieber keine allzu genaue Antwort geben – dann hätte sie nämlich zugeben müssen, dass der Unfall mittlerweile über acht Stunden zurücklag.

      »Und warum sind Sie nicht sofort zu mir gekommen? Der Fuß muss gekühlt und hoch gelagert werden. Außerdem braucht er Ruhe, mehrere Tage. Ich werde ihn vorsichtshalber röntgen – es ist durchaus möglich, dass der Knochen etwas abbekommen hat.«

      »Da ist nichts gebrochen!«, versicherte Albertina. »Das würde ich merken, glauben Sie mir. Ich kenne meinen Körper ganz gut.«

      »Und Sie können also auch durch Ihre Haut hindurch bis auf den Knochen sehen?«, erkundigte sich Dr. Bertram. »Ich mache eine Röntgenaufnahme! Alles andere wäre unverantwortlich.«

      »Der Herr Doktor hat Recht«, mischte Kurt sich ein. »Wir hätten gleich hierher fahren sollen, Albert.«

      »Du weißt genau, dass wir für so etwas keine Zeit haben«, murrte Albertina.

      Der Arzt kümmerte sich nicht mehr um ihren Widerstand. Er setzte sie in einen Rollstuhl und machte sich mit ihr auf den Weg zum Röntgen.

      Der treue Kurt ging mit. »Ich muss dich ja anschließend noch zu deinem Auto bringen«, sagte er.

      »Auto?«, rief Dr. Bertram mit allen Anzeichen des Entsetzens. »Sie darf mit diesem Fuß nicht Auto fahren – sie wäre eine Gefahr für den Straßenverkehr. Bringen Sie Ihre Freundin nach Hause und sorgen Sie dafür, dass sie ein paar Tage Ruhe hält – ich kann sonst für nichts garantieren.«

      Kurt wollte etwas erwidern, Albertina ebenfalls, doch der junge Mediziner kümmerte sich nicht darum. Er verschwand mit seiner Patientin in einem Raum, dessen Tür er nachdrücklich hinter sich schloss.

      Kurt

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