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Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert
Читать онлайн.Название Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman
Год выпуска 0
isbn 9783740916947
Автор произведения Hans-Peter Lehnert
Жанр Языкознание
Серия Die Bergklinik Staffel
Издательство Bookwire
»Der Brief hat einen Adressaten«, antwortete Clemens Stolzenbach, »und der bin ich. Ich werde ihn lesen, und wenn sein Inhalt für die Bewertung des eingetretenen Falles von Bedeutung ist, dann werden Sie ihn bekommen, andernfalls nicht.«
Dr. Trautner verzog zuerst das Gesicht, dann wurde es zu einer Maske. Danach drehte er sich auf dem Absatz um und verließ, ohne noch ein Wort zu sagen, Professor Stolzenbachs Zimmer.
Der schloß für einen Moment die Augen, dann nahm er den auf dem Tisch liegenden Umschlag, auf dem mit ein paar krakeligen Buchstaben sein Name geschrieben stand. Er nahm den Briefbogen heraus – er war leer!
Stolzenbach ging daraufhin zum Labor, redete kurz mit einer Laborantin, dann ging er zur Intensivstation und erfuhr, daß Bettina Wagner inzwischen auf die Normalstation verlegt war. Als er ihr Zimmer betrat, war es abgedunkelt. Bettina lag auf der Seite und hatte die Augen geschlossen. Als er wieder gehen wollte, sagte sie: »Bleib bitte bei mir.«
»Wie geht es dir?« fragte Stolzenbach. »Was ist passiert?«
Bettina Wagner antwortete lange nichts, dann wollte sie wissen, ob er ihren Brief gefunden habe.
»Sicher hab’ ich ihn gefunden.«
»Dann weißt du doch, was passiert ist.«
»Das Blatt war leer.«
»Wie bitte?«
»Dein Brief«, antwortete Stolzenbach, »das Blatt war leer. Es stand kein einziges Wort drauf.«
»Warum sagst du das?« Bettina Wagners Stimme klang müde und vorwurfsvoll.
»Was soll ich sonst sagen, wenn ich ein leeres Blatt im Kuvert finde«, fragte der junge Chirurgieprofessor. »Das Blatt war leer!«
»Du mußt auch gar nichts dazu sagen, was ich dir geschrieben habe.« Bettina Wagner weinte. »Ich wollte doch nur, daß du es zur Kenntnis nimmst.«
*
Natürlich wurde in der Bergklinik über Bettina Wagner und ihren angeblichen Suizidversuch gesprochen, auch Monika hörte natürlich davon. Daß Professor Stolzenbach und die hübsche Patientin früher einmal eng befreundet gewesen waren, hatte sich inzwischen auch herumgesprochen, dafür hatte schon Oberschwester Theresa gesorgt.
Monika wußte daraufhin lange nicht, wie sie sich Clemens Stolzenbach gegenüber verhalten sollte, doch als sie alleine beim Mittagessen waren, sprach sie ihn darauf an.
»Wie… wie geht es Frau Wagner?« fragte sie.
Clemens sah das hübsche Mädchen einen Augenblick überrascht an. »Frau Wagner geht es den Umständen entsprechend gut«, antwortete er dann sehr knapp.
Monika spürte deutlich, daß er nicht über Bettina Wagner reden wollte, deshalb murmelte sie eine Entschuldigung.
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, Fräulein Gratlinger. Es ist klar, daß Frau Wagner Thema der Woche ist. Ich werde Sie jetzt informieren, was Frau Wagner und mich verbunden hat.«
»Aber das geht mich doch gar nichts an.«
»Das ist wohl richtig, aber Sie werden es sich jetzt trotzdem anhören.« Clemens Stolzenbach ließ keinen Widerspruch aufkommen.
Danach saß Monika verschüchtert da, hatte einen knallroten Kopf und vermied es, den Professor anzusehen.
»Bettina und ich hatten mal eine Beziehung«, begann er. »Vor sieben Jahren beendete sie diese Beziehung, weil sie einen Mann kennenlernte, den sie angeblich liebte. Dementsprechend war ich überflüssig, und sie verließ mich. Vor ein paar Wochen habe ich sie wiedergetroffen. Hier in der Bergklinik. Überraschend für mich und auch überraschend für sie, obwohl sie zu dem Zeitpunkt bereits wußte, daß ich da bin.«
Als eine Küchenhilfe den Tisch abräumen wollte, winkte Stolzenbach ab, und das Mädchen verschwand wieder.
»Dann sagte sie«, fuhr er fort, »daß sie alte Gefühle zu mir wiederentdeckt habe, und wollte von mir wissen, ob es bei mir ähnlich sei. Das war nicht so.« Jetzt zögerte er einen Augenblick. »Und wissen Sie, warum ich so sicher war, Fräulein Gratlinger? Weil ich Sie inzwischen kennengelernt hatte. Ich weiß, ich red’ mich eventuell um Kopf und Kragen und mach’ mich zum Gespött, aber das ist mir jetzt gleich, es muß heraus. Der momentane Zustand ist unerträglich für mich.«
Monika hob den Blick und sah Clemens Stolzenbach mit ihren wunderschönen dunklen Augen an.
»Ja, ich habe mich in Sie verliebt«, sagte er dann. »Und zwar so, wie ich mich noch nie verliebt habe. Ich kann nicht länger im OP neben Ihnen arbeiten, es geht nicht. Jedenfalls nicht unter den gegebenen Umständen.« Dann stand er auf. »Seien Sie so nett und gehen für den Rest Ihrer Zeit zu Doktor Trautner oder zu sonstwem.« Dann zögerte er einen Augenblick. »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich versucht habe, Ihnen zu nah auf die Pelle zu rücken. Ich hätte nicht vergessen dürfen, daß Sie ein junges Mädchen sind und ein… ach, was soll’s.« Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und hatte gleich darauf das Speisezimmer verlassen.
*
»Du willst was?« Dr. Trautner sah Monika erstaunt an. »Du möchtest dein Praktikum beenden? Wieso denn das? Du wolltest doch die ganzen Semesterferien hier bleiben.«
»Ich… ich muß ein paar Tage wegfahren. Ich muß mal was anderes sehen.«
Vinzenz Trautner nickte. »Die Chirurgie verlangt starke Nerven. Daran gibt es nichts zu rütteln. Du bist mental einfach nicht genug auf die Konfrontation mit den Dingen im OP vorbereitet gewesen. Ich bin es heute noch nicht. Also gut, wenn du möchtest, dann fahr’ ein paar Tage weg. Aber dann kommst du zurück, und du wirst an meiner Seite deinen zukünftigen Beruf ein wenig näher kennenlernen. Mach dir ein paar schöne Tage.«
Zwei Stunden später, Monika hatte ihre Sachen gepackt und das Zimmer geräumt, klopfte Professor Stolzenbach bei Dr. Trautner an.
»Herr Kollege…?« fragte der, während er Clemens fragend ansah.
»Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
»Um was geht es?«
»Ich möchte die Bergklinik wieder verlassen.«
»Wie bitte?« Die Nachricht traf Vinzenz Trautner vollkommen unvorbereitet. »Was soll das denn heißen? Fühlen Sie sich nicht wohl bei uns? Falls es die Angelegenheit mit Frau Wagner sein sollte, die Sie bedrückt, ich… ich gebe gerne zu, daß Sie recht haben könnten wegen Ihres Verdachtes.«
»Es hat nichts mit Frau Wagner zu tun«, antwortete Stolzenbach.
»Was ist es dann?« Vinzenz Trautner konnte Stolzenbachs Entschluß nicht verstehen.
»Es sind private Gründe.«
»Also doch Frau Wagner.«
Stolzenbach schüttelte den Kopf. »Wieso stellt man das, was ich sage, immer wieder in Frage?« Dann sah er Dr. Trautner an. »Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn Sie einen neuen Chirurgen gefunden haben. Ich werde mich dann sofort neu orientieren.« Danach grüßte er kurz, drehte sich um und ging.
Dr. Vinzenz Trautner saß da und wußte nicht, wie ihm geschehen war. Daß ihm jemand binnen weniger Sekunden den Dienst aufgekündigt hatte, war ihm noch nicht passiert. Was hatte sich da entwickelt, ohne daß er es mitbekommen hatte? Was hatte es zu bedeuten, wenn Stolzenbach sagte, es seien private Gründe, doch Bettina Wagner sei nicht der Grund?
Es war Dienstag, und als er sich zwei Stunden später auf den Weg zur Predigtstuhl-Alm machte, hatte er immer noch keine schlüssige Antwort gefunden.
Daß er mit Stolzenbach einen ausgezeichneten Chirurgen verlieren würde, daran gab es keinen Zweifel. Trotz seiner Jugend hatte er allein durch seine Kompetenz die chirurgische Abteilung mit leichter Hand geleitet. Sein Vorgänger, Dr. Pfeil, hatte sich nie wirklich durchsetzen können.
An jenem Dienstag fiel Vinzenz Trautner der Aufstieg schwerer als sonst, und als er endlich bei der Hütte