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sie fortwährend bringe, mit gutmütiger Prahlerei aufzählte. Letzte Ostern, erzählte sie, habe er ein rot und gelbes Kattunfoulard von ihr erhalten, auf Pfingsten ein Paar Schuh, und zu Neujahr hätte sie ihm ein Paar wollene Strümpfe und eine Pelzkappe bereit, dem miserablen Kerl, dem Knirps, dem Milchsuppengesicht! Seit drei Jahren hätte er an zwei Louisdor nach und nach von ihr empfangen, der Säuberling, die elende Krautstorze. Aber für alles müsse er ihr eine Bescheinigung zustellen, denn, so wahr sie lebe, müsse ihr Mann, der Landstreicher, ihr jeden Liard ersetzen, wenn er sich nur einmal sehen ließe. Die Bescheinigungen ihres Sohnes, des Stuhlbeines, seien sehr schön, denn derselbe könne besser schreiben als der eidgenössische Staatskanzler, auch blase er die Klarinette gleich einer Nachtigall, daß man weinen müsse, wenn man ihm zuhöre. Allein er sei ein ganz miserabler Bursche, denn nichts gedeihe bei ihm, und so viel Speck und Kartoffeln er auch verschlinge, wenn er mit seinem Meister bei den Bauern auf Kundschaft gehe, nichts helfe es, und er bleibe mager, grün und bleich wie eine Rübe. Einmal habe er die Idee gehabt zu heiraten, da er nun doch dreißig Jahr alt sei. Da sie aber nun gerade ein Paar Strümpfe für ihn fertig gehabt, habe sie selbige unter den Arm genommen, auch eine Wurst gekauft, und sei auf das Dorf hinausgerannt, um ihm die saubere Idee auszutreiben. Bis er die Wurst fertig gegessen, habe er auch sich endlich in sein Schicksal ergeben, und nachher habe er noch auf das schönste die Klarinette geblasen. Er könne nähen wie der Teufel, so wie auch sein Vater nicht auf den Kopf gefallen sei und die besten Garnhäspel zu machen verstehe weit und breit; allein es wäre einmal ein böses Blut in diesen verteufelten Burschen, und daher müsse der junge Säuberling im Zaume gehalten und mit dem Heiraten vorsichtig verfahren werden. Sie lobte das Essen unaufhörlich und pries jeden Bissen mit den überschwenglichsten Worten, nur bedauernd, daß sie ihrem Galgenstrick nichts davon geben könne, obschon er es nicht verdiene. Dazwischen brachte sie die Geschichte von drei oder vier Meisterfamilien an, bei denen ihr Söhnchen gearbeitet, die unschuldigen Zerwürfnisse mit denselben und lustige Vorfälle, welche sich in den Dörfern ereignet, wo Meister und Geselle geschneidert hatten, so daß die Schicksale einer großen Menge unser Mahl würzten, ohne daß diese etwas davon ahnte. Nach dem Essen nahm die Frau, durch ein paar Gläser Wein lustig geworden, meine Flöte und suchte darauf zu blasen, gab sie dann mir und bat mich, einen Tanz aufzuspielen. Als ich dies tat, faßte sie ihre Sonntagsschürze und tanzte einmal zierlich durch die Stube herum, wir kamen aus dem Lachen nicht heraus und waren alle höchst zufrieden. Sie sagte, seit ihrer Hochzeit habe sie nicht mehr getanzt, es sei doch der schönste Tag ihres Lebens, wennschon der Hochzeiter ein Lumpenhund gewesen; und am Ende müsse sie dankbar bekennen, daß der liebe Gott es immer gut mit ihr gemeint und für ihr Brot gesorgt, auch ihr noch jederzeit eine fröhliche Stunde gegönnt habe; so hätte sie noch gestern nicht gedacht, daß sie einen so vergnügten Weihnachtstag erleben würde. Dadurch wurden die beiden Frauen veranlaßt, ernsthaftere und zufriedene Betrachtungen anzustellen, indessen ich Gelegenheit hatte, einen Blick in das Leben einer Witwe zu werfen, welche aus ihrem Sohne einen Mann machen möchte und hiezu nichts tun kann, als demselben Strümpfe stricken. Auch mußte ich gestehen, daß meine Lebensverhältnisse, welche mir oft arm und verlassen schienen, wahrhaftes Gold waren im Vergleich zu der dürftigen Verlassenheit und Getrenntheit, in welcher die Witwe und ihr armer magerer Sohn lebten und die mir wie schlechtes Blei vorkamen.

       Inhaltsverzeichnis

      Einige Wochen nach Neujahr, als ich eben den Frühling herbeiwünschte, erhielt ich vom Dorfe aus die Kunde, daß mehrere Ortschaften jener Gegend sich verbunden hätten, dieses Jahr zusammen die Fastnachtsbelustigungen durch eine großartige dramatische Schaustellung zu verherrlichen. Die ehemalige katholische Faschingslust hat sich nämlich als allgemeine Frühlingsfeier bei uns erhalten, und seit einer Reihe von Jahren haben sich die derben Volksmummereien nach und nach in vaterländische Aufführungen unter freiem Himmel verwandelt, an welchen erst nur die reifere Jugend, dann aber auch fröhliche Männer teilnahmen; bald wurde eine Schweizerschlacht dargestellt, bald eine Handlung aus dem Leben berühmter Schweizerhelden, und nach dem Maßstabe der Bildung und des Wohlstandes einer Gegend wurden solche Aufzüge mit mehr oder weniger Ernst und Aufwand vorbereitet und ausgeführt. Einige Ortschaften waren schon berühmt und jedesmal stark besucht durch die selben, andere suchten es zu werden. Mein Heimatdorf war nebst ein paar anderen Dörfern von einem benachbarten Marktflecken eingeladen worden zu einer großen Darstellung des Wilhelm Tell, und infolgedessen war ich wieder durch meine Verwandten aufgefordert worden, hinauszukommen und an den Vorbereitungen teilzunehmen, da man mir manche Einsicht und Fertigkeit besonders als Maler zutraute, um so mehr, als unser Dorf in einer fast ausschließlichen Bauerngegend lag und in solchen Dingen wenig Gewandtheit besaß. Ich war vollständig Herr meiner Zeit, auch war eine Unterbrechung zu solchem Zwecke zu sehr im Geiste meines Vaters, als daß die Mutter dagegen Bedenken erhoben hätte; also ließ ich es mir nicht zweimal sagen und ging jede Woche für einige Tage hinaus, wobei mir schon das stete Wandern zu dieser Jahreszeit, manchmal durch die schneebedeckten Felder und Wälder, die größte Freude machte. Ich sah nun das Land auch im Winter, die Winterbeschäftigungen und Winterfreuden der Landleute und wie dieselben dem erwachenden Frühling entgegengehen.

      Man legte der Aufführung Schillers Tell zugrunde, welcher in einer Volksschulausgabe vielfach vorhanden war und welchem nur die Liebesepisode zwischen Berta von Bruneck und Ulrich von Rudenz fehlte. Das Buch ist den Leuten sehr geläufig, denn es drückt auf eine wunderbar richtige Weise die schweizerische Gesinnung aus, und besonders der Charakter des Tell entspricht ganz der Wahrheit und dem Leben, und wenn Börne darin nur ein selbstsüchtiges und philiströses Ungeheuer finden konnte, so scheint mir dies ein Beweis zu sein, wie wenig die krankhafte Empfindsamkeit der Unterdrückten geeignet ist, die Art und Weise unabhängiger Männer zu begreifen. Weitaus der größere Teil der Teilnehmer sollte als Hirten, Bauern, Fischer, Jäger das Volk darstellen und in seiner Masse von Schauplatz zu Schauplatz ziehen, wo die Handlung vor sich ging, getragen durch solche, welche sich zu einem kühnen Auftreten für berufen hielten; in den Reihen des Volks nahmen auch junge Mädchen teil, sich höchstens in den gemeinschaftlichen Gesängen äußernd, während die handelnden Frauenrollen blühenden Jünglingen übertragen waren. Es sollte nur vorgeführt werden, was wirklich geschichtlich ist, mit Weglassung aller Vorbereitungen und dramatischen Zwischenspiele, das Geschichtliche aber mit dem Schillerschen Personal und Dialog, außerdem aber auch seine poetische Färbung über dem Ganzen walten. Der Schauplatz der eigentlichen Handlung war auf alle Ortschaften verteilt, je nach ihrer Eigentümlichkeit, so daß dadurch ein festliches Hin- und Herwogen der kostümierten Menge und der Zuschauermassen bedingt wurde.

      Ich erwies mich als brauchbar bei den Vorbereitungen und wurde mit manchen Geschäften betraut, welche in der Stadt zu besorgen waren. Ich stöberte alle Magazine durch, wo sich etwa Flitter- und Maskenwerk vorfinden mochte, und suchte das Tauglichste vorzuschlagen, besonders da andere Beauftragte geneigt waren, zuerst nach dem Grellen und Auffallenden zu greifen. Ja, ich kam sogar mit den Beamten der Republik in Berührung und fand Gelegenheit, mich als einen tapfern Vertreter meiner Landesgegend zu zeigen, da mir die Auswahl und Übernahme der alten Waffen übergeben wurde, welche die Regierung unter der Bedingung treuer Sorgfalt bewilligte. Weil aber gerade diesmal mehrere ähnliche Feste stattfanden, so mußten beinahe alle Vorräte geräumt werden, und nur die wertvollsten Trophäen, an welche sich bestimmte Erinnerungen knüpften, blieben zurück. Überdies stritten sich die Abgeordneten der Gemeinden um die Waffen, alle wollten dasselbe haben, obschon es nicht für alle sich schickte; eine Anzahl großer Schlachtschwerter und Morgensterne, welche ich für meine Eidgenossen ausgesucht, wollte mir von einem Gegner durchaus abgerungen werden, ungeachtet ich ihm vorstellte, daß er für den Schwabenkrieg, aus welchem seine Leute eine Schlacht spielen wollten, ganz anderer Gegenstände bedürfe. Ich berief mich endlich auf den Zeugwart, welcher mir recht gab, und der ansehnliche starke Wirt aus den Dörfern, welcher hinter mir stand, um die Sachen wegzuführen, triumphierte und respektierte mich freundlich. Allein die Gegner hielten mich nun für einen gefährlichen Burschen, der das Beste vorwegnähme, und gingen mir auf Schritt und Tritt nach in dem alten Zeughause, gerade das ausersehend, was ich ins Auge faßte, so daß ich nur mit der äußersten Beharrlichkeit noch einen Wagen voll Eisenhüte und Hellebarden für meine reisigen Tyrannenknechte zur Seite brachte. So kam

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