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mich nicht zu seinem Nutzen verwende, sondern gegen genügende Entschädigung nach seinem besten Wissen unterrichte. Er zeigte sich gern bereit und erfreut, einen jungen Menschen einmal als eigentlichen Künstler heranzubilden, und belobte meine Mutter höchlich für ihren kundgegebenen Entschluß, die nötigen Summen hieran wenden zu wollen; denn jetzt schien ihr der Zeitpunkt gekommen zu sein, wo die Frucht ihrer unablässigen Sparsamkeit geopfert und auf den Altar meiner Bestimmung mit voller Hand gelegt werden müsse. Es ward also ein Kontrakt geschlossen auf zwei Jahre, welche ich gegen regelmäßige Quartalzahlungen des Honorars im Refektorium zubringen sollte unter den zweckdienlichsten Übungen. Nach gegenseitiger Unterschreibung desselben verfügte ich mich eines Montags Morgen in das alte Kloster und trug meine sämtlichen bisherigen Versuche und Arbeiten in bunter Mischung bei mir, um sie auf Verlangen des neuen Meisters vorzuzeigen. Er bezeugte, indem meine wunderlichen Blätter herumgingen, nachträglich seine Zufriedenheit mit meinem Eifer und meinen Absichten und stellte mich dem Personale, das sich erhoben hatte und neugierig herumstand, als einen wahren Bestrebten vor, wie er beschaffen sein müsse schon vor dem Eintritte in eine Kunsthalle. Sodann erklärte er, daß es ihm recht zum Vergnügen gereichen werde, einmal eine ordentliche Schule an einem Schüler durchzuführen, und sprach seine Erwartungen hinsichtlich meines Fleißes und meiner Ausdauer feierlich aus.

      Einer der Koloristen mußte nun seinen Platz am Fenster räumen und sich neben einen andern setzen, indessen ich dort eingerichtet wurde, und hierauf, als ich, erwartungsvoll der Dinge, die da kommen sollten, vor dem leeren Tische stand, brachte Herr Habersaat eine landschaftliche Vorlage aus seinen Mappen hervor, den Umriß eines einfachen Motives aus einem lithographierten Werke, wie ich es schon in den Schulen vielfach gesehen hatte. Dies Blatt sollte ich vorerst aufmerksam und streng kopieren. Doch bevor ich mich hinsetzte, schickte mich der Meister wieder fort, Papier und Bleistift zu holen, an welche ich nicht gedacht, da ich überhaupt keinen Begriff von dem ersten Beginnen gehabt hatte. Er beschrieb mir das Nötige, und da ich kein Geld bei mir trug, mußte ich erst den weiten Weg nach Hause machen und dann in einen Laden gehen, um es gut und neu einzukaufen, und als ich wieder hinkam, war es eine halbe Stunde vor Mittag. Dieses alles, daß man mir für diesen Anfang nicht einmal ein Blatt Papier und einen Stift gab, sondern fortschickte, welche holen, ferner das Herumschlendern in den Straßen, das Geldfordern bei der Mutter und endlich das Beginnen kurz vor der Stunde, wo alles zum Essen auseinanderging, erschien mir so nüchtern und kleinlich und im Gegensatze zu dem Treiben, das ich mir dunkel in einer Künstlerbehausung vorgestellt hatte, daß es mir das Herz beengte.

      Jedoch ward es bald von diesem Eindrucke abgezogen, als die unscheinbaren Aufgaben, die mir gestellt wurden, mir mehr zu tun gaben, als ich mir anfänglich eingebildet; denn Habersaat sah vor allem darauf, daß jeder Zug, den ich machte, genau die gleiche Größe des Vorbildes maß und das Ganze weder größer noch kleiner erschien. Nun kamen aber meine Nachbildungen immer größer heraus als das Original, obgleich in richtigem Verhältnisse, und der Meister nahm hieran Gelegenheit, seine Genauigkeit und Strenge zu üben, die Schwierigkeit der Kunst zu entwickeln und mich behaglich fühlen zu lassen, daß es doch nicht so rasch ginge, als ich wohl geglaubt hätte.

      Doch fand ich mich wohl und geborgen an meinem Tische (die Abwesenheit von Staffeleien, die ich mir als besondere Zierde einer Werkstatt gedacht, empfand ich freilich) und arbeitete mich tapfer durch diese kleinlichen Anfänge hindurch. Ich kopierte getreulich die ländlichen Schweinställe, Holzschuppen und derlei Dinge, aus welchen, in Verbindungen mit allerlei magerm Strauchwerk, meine Vorbilder bestanden und die mir um so mühseliger wurden, je verächtlicher sie meinen Augen erschienen. Denn mit dem Eintritte in den Saal des Meisters hatte sich mit der Pflicht und dem Gehorsame zugleich der Schein der Nüchternheit und Leerheit über diese Dinge ergossen für meinen ungebundenen und willkürlichen Geist. Auch kam es mir fremd vor, den ganzen Tag, an meinen Platz gebunden, über meinem Papiere zu sitzen, zumal man nicht im Zimmer umhergehen und unaufgefordert nicht sprechen durfte. Nur der Kupferstecher und der Lithograph führten einen bescheidenen Verkehr mit sich und den betreffenden Druckergesellen und richteten das Wort auch an den Meister, wenn es ihnen gut dünkte, ein bißchen zu plaudern. Dieser aber, wenn er guter Laune war, erzählte allerlei Geschichten und geläufige Kunstsagen, auch Schwänke aus seinem frühern Leben und Züge von der Herrlichkeit der Maler. Sowie er aber bemerkte, daß einer zu eifrig aufhorchte und die Arbeit darüber vergaß, brach er ab und beobachtete eine geraume Zeit weise Zurückhaltung.

      Ich genoß das Vorrecht, meine Vorlagen selbst hervorzuholen, und verweilte dabei immer längere Zeit, die vorhandenen Schätze durchzugehen. Sie bestanden aus einer großen Menge zufällig zusammengeraffter Gegenstände, aus guten alten Kupferstichen, einzelnen Fetzen und Blättern ohne Bedeutung, wie sie die Zeit anhäuft, Zeichnungen von einer gewissen Routine, ohne Naturwahrheit, und einem unendlichen übrigen Mischmasch. Was mich zunächst betraf, waren einige Hefte französischer Landschaftsstudien, mit Eleganz und Bravour auf Stein gezeichnet, welche mir für das eigentliche Studium in Aussicht gestellt waren. Handzeichnungen nach der Natur, Blätter, die um ihrer selbst willen da waren und denen man angesehen hätte, daß sie freie Luft und Sonne getrunken, fanden sich nicht ein einziges Stück vor, denn der Meister hatte seine Kunst und seinen Schlendrian innerhalb vier Wänden erworben und begab sich nur hinaus, um so schnell als möglich eine gangbare Ansicht zu entwerfen, wobei alle seine Bäume einen neutralen Typus erhielten und Erde, Weg und Steine mit den gleichen Tuschen und Charakteren gebildet wurden, daß sie alle aus dem nämlichen Stoffe zu bestehen schienen. Indessen zeigten diese Arbeiten alle ein fertiges Geschick in betreff der Klarheit und Sauberkeit der Tinten; dieselben waren nicht wahr und bestanden aus sogenannten Phantasiefarben, welche in der Natur nicht anzutreffen waren, wenigstens nicht an der Stelle, wo sie gerade angewendet erschienen; allein sie spielten glänzend und ansprechend ineinander für den unkundigen Beschauer. Diese gewandte, obschon falsche Technik war das eigentliche Wissen meines Meisters, und er legte alles Gewicht seines Unterrichtes auf diesen Punkt. Da er, während meiner Übungen mit Stift, Kreide und Feder, über den Zweck derselben, als da sind die Eigentümlichkeiten in den Ausladungen, den Silhouetten und Laubmassen der Bäume, sowie ihrer Charaktere, der Rinden und liste, nicht viel zu sagen wußte, so veranlaßte er mich bald, die lithographierten Pariser Blätter, welche große effektvolle Baumgruppen enthielten, in Tusche, Sepia und dergleichen zu kopieren. Da diese Sachen nicht sehr gründlich und gut gezeichnet, hingegen in Ton und Haltung äußerst klar und kräftig waren, wobei vieles der vollendeten Technik des Steindruckes zugeschrieben werden konnte, so boten sie meinem Vorgesetzten günstige Gelegenheit, seine Erfahrung und Strenge hinsichtlich durchsichtiger und reiner Töne und Halbtone an den Mann zu bringen.

      Anfänglich hielt er mich eine Weile in respektierlicher Abhängigkeit, indem ich den Unterschied zwischen einem transparenten scharfen und einem rußigen stumpfen Vortrage nicht recht begriff und mehr auf Form und Charakter sah; doch endlich, durch das fortwährende Pinseln, geriet ich hinter das Geheimnis, und nun fertigte ich in einem fixen Jargon eine Menge brillanter Tuschzeichnungen an, ein Blatt ums andere. Schon sah ich nur auf die Zahl des Gemachten und hatte meine Freude an der anschwellenden Mappe, kaum daß bei meiner Wahl die wirkungsvollsten und auffallendsten Gegenstände mir noch eine weitere Teilnahme abgewannen. So war, noch ehe der erste Winter ganz zu Ende, schon meines Lehrers ganzer Vorrat an Vorlagen von mir durchgemacht, und zwar auf eine Weise, wie er es selbst ungefähr konnte; denn nachdem ich einmal die Handgriffe und Mittel einer sorgfältigen und reinlichen Behandlung gemerkt, erstieg ich bald den Grad geläufiger Pinselei, welchen der Meister selbst innehatte, um so schneller, als ich in dem wahren Wesen und Verständnis um so mehr und gänzlich zurückblieb. Habersaat war desnahen schon nach dem ersten halben Jahre in einiger Verlegenheit, was er mir vorlegen sollte, da er mich aus Sorge für sich selbst nicht schon in seine ganze Kunst einweihen mochte; denn er hatte nun nur noch seine gewandte Behandlung der Wasserfarben im Hinterhalte, welche, wie er sie verstand, ebenfalls keine Hexerei war. Weil Nachdenken und geistige Gewissenhaftigkeit im Refektorium nicht gekannt waren, so bestand alles Können in demselben aus einer bald erworbenen leeren Äußerlichkeit. Doch fand ich selbst einen Ausweg, als ich erklärte, eine kleine Sammlung großer Kupferstiche mit meinem Tuschpinsel vornehmen zu wollen. Er besaß in derselben etwa sechs schöne Blätter nach Claude Lorrain, von Haldenwang und anderen gestochen, zwei große Felsenlandschaften mit Banditen nach Salvator Rosa und einige hübsche Stiche nach Ruisdael und Waterloo. Diese Sachen kopierte ich der Reihe nach in meiner geläufigen

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