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      Auf Fort Liefkenhoek flattert stolz das Banner mit dem Löwen von Leon und den Türmen von Kastilien. Dasselbe Banner weht auf Fort Lillo und auf den andern von Feuerschlünden starrenden Befestigungswerken auf beiden Ufern der Schelde bis zu den gewaltigen Mauern der Zitadelle von Antwerpen.

      Scharfe Augen halten Wacht auf allen diesen Mauern und Wällen, und Ruf und Gegenruf der Wachen schweigt weder bei Tag noch bei Nacht.

      Nahe und wachsam ist aber auch der Feind. In jedem Augenblick kann er erscheinen. Wer kennt die Stunde, in welcher er kommen wird?

      Um Seelands Küsten brandet die Nordsee. Da wohnt auf Tholen, auf Schouwen, auf Nord-und Südbeveland, auf Walcheren das wilde, eiserne Geschlecht, das zuerst geschworen hat, Lieber türkisch als papistisch zu werden, welches den silbernen Halbmond am Hute und den unauslöschlichen Todeshaß gegen die Spanier im Herzen trägt. Welch eine Jugend gebären auf diesen meerumspielten Sanddünen die Mütter! Schirmet nur, ihr Türme von Kastilien, halte gute Wache vor dem Bollwerk von Flandern, du Löwe von Leon; »besser verdorben Land, als verloren Land«, das waren seeländische Matrosen, welche den niedergeworfenen Spaniern vor Veere, vor Leyden die Herzen aus der Brust rissen, hineinbissen und sie den Hunden vorwarfen:

      »Freßt, aber es ist bitter!«

      Auf Fort Liefkenhoek, auf Fort Lillo, auf der Cruysschanze, auf Fort Perle und Sankt Philipp, auf Fort Maria, Ferdinand und Isabella ertönt fort und fort der Ruf:

      »Habt gute Wacht! Habt gute Wacht!«

      Die Feuerschlünde auf dem Ufer von Brabant, die Feuerschlünde auf dem flandrischen Ufer sind bereit, Tod und Verderben auf das verwegene Fahrzeug zu speisen, welches ihnen zum Trotz seinen Weg stromaufwärts gen Antwerpen suchen will.

      »Habt gute Wacht! Habt gute Wacht!«

      Aber die Nacht ist dunkel, weder Mondenschein noch Sternenflimmer erhellt sie. Es ist schwer, gute Wacht zu halten in solcher Nacht.

      Wie still und warm es ist! Nur das Rauschen des gewaltigen Stromes tönt fort und fort in den warnenden Ruf der Krieger auf den Wällen:

      »Habt gute Wacht! Habt gute Wacht!«

      Was kreuzt von Südbeveland her die Westerschelde, wo Meer und Fluß sich begegnen und nicht mehr zu unterscheiden sind voneinander? Was gleitet über die Wogen in der dunklen Nacht? Hundert unheimliche Arme regt’s, pfeilschnell schießt’s einher, gleich dem Gespensterschiff, gleich dem fliegenden Holländer. Ein mächtiger Schiffskörper durchschneidet die Fluten, ihm folgen andere, weniger gewaltige.

      Was kümmert die Männer von Seeland die Finsternis? Sie wissen ihren Weg zu finden auf den Wassern, welche ihre Heimat sind. Ein dunkler Schatten folgt dem andern; in einer Linie gleiten sie, – kein Laut ertönt an Bord, selbst die Ruder greifen geräuschlos ein in die Wogen. Geflüstert gehen die Kommandoworte von Mund zu Munde! Ein jeder weiß, was ihm zu tun obliegt, jeder ist verpflichtet durch schweren Eid, seinem Nebenmann das Messer in die Kehle zu stoßen, wenn er durch ein Geräusch, einen unbedachten Ausruf das Gelingen des Unternehmens gefährden wird.

      Jeder wird unbedingt seinen Schwur halten, und wäre es Bruder, Vater, Sohn, den er niederstechen müßte.

      Fort Lillo!

       Ein Licht zur Rechten –

       Fort Liefkenhoek!

      Klar und vernehmlich schlägt der Ruf der spanischen Wachen an jedes Ohr an Bord der – schwarzen Galeere und der sie begleitenden Fahrzeuge.

      Jedes Messer, jedes Enterbeil ist bereit, – es glimmen die verdeckten Lunten neben den Geschützen; hoch schlagen die Herzen der verwegenen Männer.

      »Habt gute Wacht! Habt gute Wacht!« verhallt es in der Ferne; eine große Gefahr liegt hinter den kühnen Seeleuten. Es lebe das Geusenglück!

      Was flimmert zur Rechten?

      Die Lichter von Dorf und Fort Callao.

      Was flackert auf der Seite von Brabant?

      Die Lichter des Dorfes Ordam.

      Wie still es jetzt an dieser schrecklichen Stelle ist, wo die Brücke, die Estacada Alexanders von Farnese einst sich erhob, das Wunderwerk des Jahrhunderts! Welches Genie leuchtete hier! Welches Blut floß hier!

      An dieser Stelle wirkten Johann Baptista Plato und Barocci; an dieser Stelle sprang das Feuerschiff Gianibellis und füllte Luft, Land und Wasser mit Trümmern und verstümmelten Menschenleibern.

      Noch jetzt, nach so langen Jahren, fährt manch republikanisch gesinnter Bürger von Antwerpen Nachts aus dem Schlaf empor und denkt, er sei soeben von dem Krachen der großen Explosion, welche die große Stadt retten konnte und nicht errettete, geweckt.

      Lautlos gleitet die schwarze Galeere mit ihrem Schattengefolge über die unheilvolle Stelle fort –

      »Habt Wacht! Habt gute Wacht!« ertönt der Ruf von den Schanzen von San Pedro und Santa Barbara.

      Die Lichter von Predigerhof! Die Lichter von Fort Maria, die Lichter von Fort Ferdinand – eine Glocke, dumpf und feierlich, erklingt in der Finsternis – – die Glocke vom Turm unserer lieben Frau zu Antwerpen –

      Zwei Uhr!

      An seinem Platze steht der Kapitän der schwarzen Galeere, das blanke Schwert in der Hand; aber ein anderer führt in dieser Nacht das Schiff und seine Mannschaft.

      Fiele nur der geringste Lichtstrahl auf das Gesicht dieses Führers, ihr würdet erschrecken über dieses Gesicht.

      Jan Norris, der Verlobte Mygas, die gefangen ist an Bord des Andrea Doria, Jan Norris, der Wassergeuse, der seine Braut in der Gewalt der Todfeinde zurückgelassen hat, Jan Norris, der nicht zum Tode sich vom Deck der genuesischen Galeone stürzte, Jan Norris führt in dieser Nacht die schwarze Galeere!

      Jan Norris’ Auge sieht in der Nacht, es durchbohrt die Finsternis wie den hellsten Tag. –

      Rettung – Rache!

      Hüte dich, Leone della Rota, Unheil brütet die Nacht. Achtung, Leone della Rota; es ist nicht die Zeit, in Frauenliebe und Sizilianerwein sich zu betäuben! Habe acht auf dein Schiff, Leone della Rota, hüte dich – hüte dich vor der – schwarzen Galeere! –

      An Bord des Andrea Doria waren alle Befehle gegeben und ausgeführt. Noch drei Stunden, und das genuesische Schiff trat seine Fahrt an, um sich mit den vier vorangegangenen Galeeren bei Biervliet zur Jagd auf die schwarze Galeere zu vereinigen. Das Schiffsvolk benutzte die kurze Frist, die ihm noch gegeben war, zum Schlaf, selbst die Wachtmannschaft an Deck schlief, und die Lunte des Mannes an der Laufplanke war erloschen, wie alle andern Lunten an Bord. Lag das Schiff nicht sicher genug unter den Mauern der Stadt und den Wällen der Zitadelle?

      Vom Hauptmast wirft die Schiffslaterne ein unruhiges flackerndes Licht über das Verdeck. Aus den Fenstern der Kajüte fällt ein schwaches Leuchten auf die dunkeln Fluten der Schelde, die darunter vorüberschießen.

      In der Kajüte richtet sich vom Lager Antonio Valanis der Leutnant Leone della Rota in die Höhe.

      »Es ist vorüber!« sagte er. »Er ist tot, hörst du, bella Fiamminga, er ist tot, und – Kapitän an Bord dieses Schiffes ist Leone della Rota! Hörst du, Schönste; ich trete meine Erbschaft an, – auch du bist mein; mit dem letzten Atemzuge des Freundes bist du mein geworden.«

      Von neuem füllte der Leutnant Spinolas den Becher mit Wein. »Was wendest du dich ab und schauderst, schöne Myga? Er ist tot – sein Herz hat ausgeschlagen. Aber meins schlägt noch wild und hoch. Wohl aber war er mein Freund; aber in deiner Liebe räche ich ja seinen Tod.«

      Er hob den Becher und trank ihn aus.

      »Ich bringe es dir, armer Antonio, – auf hohem Meer sollst du ein edles Seemannsgrab haben. Nicht am Lande sollen sie dich verscharren; unter den lustigen Wogen sollst du schlafen, wie’s einem genuesischen Kinde zukommt. In den Armen der Meerfräulein sorst du schlafen –«

      »Erbarmen,

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