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war der erste Eindruck; die komische Situation, in welcher er ihn bei einem späteren Besuche fand, wie er mit der einen Hand sich die Perücke aufsetzte, mit der anderen dem Bedienten eine furchtbare Ohrfeige versetzte, ist jedem bekannt. Von Einfluß konnte um so weniger die Rede sein, da Gottsched schon im Jahre 1766 starb.

      Neben Gellert, den seine Kränklichkeit sehr beschränkte, war in ähnlicher Weise Clodius durch Vorlesungen und Übungen wirksam, die Goethe ebenfalls besuchte. Das Ansehen dieses, auch als Dichter thätigen und bekannten, Mannes war aber nicht wie bei Gellert in einer aufrichtigen Pietät fest begründet; die Schüler, welche sich mit Eifer selbst in der Dichtkunst versuchten, waren keineswegs geneigt sich seinem Urtheil unbedingt zu unterwerfen, sie fanden bald seine Schwächen und die Kunstgriffe seiner poetischen Technik heraus. Dazu kam, daß er durch das Auffallende seiner äußeren Erscheinung ihren Spott reizte, zu dessen Zielscheibe sie ihn häufig machten. So machte Goethe einst im Kuchengarten in harmloser Laune das Gedicht auf den Kuchenbäcker Händel, in welchem alle pomphaften Prachtwörter, welche Clodius zu gebrauchen pflegte, parodisch angebracht waren:

      „O Händel, dessen Ruhm vom Süd zum Norden reicht,

      Vernimm den Päan, der zu deinen Ohren steigt!

      Du bäckst, was Gallier und Britten emsig suchen,

      Mit schöpfrischem Genie, originelle Kuchen.

      Des Kaffes Ocean, der sich von dir ergießt,

      Ist süßer als der Saft, der vom Hymettus fließt.

      Dein Haus, ein Monument, wie wir den Künsten lohnen,

      Umhangen mit Trophä'n, erzählt den Nationen:

      Auch ohne Diadem fand Händel hier sein Glück,

      Und raubte dem Cothurn gar manch Achtgroschenstück.

      Glänzt deine Urn' dereinst in majestät'schem Pompe,

      Dann weint der Patriot an deiner Catacombe.

      Doch leb! Dein Torus sei von edler Brut ein Nest!

      Steh' hoch wie der Olymp, wie der Parnassus fest!

      Kein Phalanx Griechenlands mit römischen Ballisten

      Vermög Germanien und Händeln zu verwüsten.

      Dein Wohl ist unser Stolz, dein Leiden unser Schmerz,

      Und Händels Tempel ist der Musensöhne Herz.“

      Im Allgemeinen fand sich Goethe durch die Leistungen der Gegenwart wie durch den Verkehr, in welchen er in Leipzig trat, nicht sowohl angeregt und gefördert als verwirrt und unsicher gemacht. Er war an mehrere angesehene und gebildete Familien empfohlen und bei ihnen eingeführt. Die lebhafte litterarische Production, deren Mittelpunkt Leipzig seit geraumer Zeit war, hatte auch in weiteren Kreisen größere Theilnahme für die Litteratur hervorgerufen, welche durch Kenntniß und allgemeine Bildung unterstützt, ein gewisses Verständniß derselben, eine Fertigkeit im Urtheilen darüber verbreitet hatte. Allein diese Kritik, welche man zur Unterhaltung zu üben pflegte, und die höchstens dahin gelangte das mittelmäßige mittelmäßig zu finden, war mehr abstumpfend als fördernd; sie nahm dem Jüngling seinen Glauben und seine Verehrung, er fühlte sehnlichst das Bedürfniß nach Unterstützung in seinen Bestrebungen durch Beispiel, durch productive Anregung — sie gab ihm Steine statt Brod. Die natürliche Folge war Mißmuth, Unsicherheit, Unzufriedenheit mit andern und mit sich — eines Tags verbrannte er alles, was er bis dahin versucht und entworfen hatte.

      Nicht blos in einer Hinsicht sollte er diese Erfahrung machen. Als er kaum erst nach Leipzig gekommen war, da lebte er

      „So wie ein Vogel, der auf einem Ast

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