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und einerseits loben wir das Billige und den billigen Mann in der Art, daß wir lobend diesen (1137b) Ausdruck statt gut auch auf anderes übertragen und zu verstehen geben, daß das Billigere das Bessere ist, anderseits erscheint es, wenn man sich an die Logik hält, als ungereimt, daß das Billige Lob verdienen und doch vom Recht verschieden sein soll137. Denn entweder ist das Recht nicht trefflich und gut, oder das Billige, wenn vom Recht verschieden, nicht gerecht, oder wenn beide trefflich und gut sind, sind sie einerlei.

      Das ist es so ziemlich, weshalb sich für den Begriff der Billigkeit Schwierigkeiten ergeben. Allein alles ist in gewisser Weise richtig, und von einem verborgenen Widerspruch, den es etwa einschlösse, kann keine Rede sein. Einerseits nämlich ist das Billige, mit einem gewissen Recht verglichen, ein besseres Recht, anderseits ist es nicht in dem Sinne besser als das Recht, als wäre es eine andere Gattung. Recht und Billigkeit sind also einerlei, und obschon beide trefflich und gut sind, so ist doch die Billigkeit das Bessere. Die Schwierigkeit rührt nur daher, daß das Billige zwar ein Recht ist, aber nicht im Sinne des gesetzlichen Rechts, sondern als eine Korrektur desselben. Das hat darin seinen Grund, daß jedes Gesetz allgemein ist und bei manchen Dingen richtige Bestimmungen durch ein allgemeines Gesetz sich nicht geben lassen. Wo nun eine allgemeine Bestimmung zu treffen ist, ohne daß sie ganz richtig sein kann, da berücksichtigt das Gesetz die Mehrheit der Fälle, ohne über das diesem Verfahren anhaftende Gebrechen im unklaren zu sein. Nichts destoweniger ist dieses Verfahren richtig. Denn der Fehler liegt nicht an dem Gesetze noch an dem Gesetzgeber, sondern in der Natur der Sache. Denn im Gebiet des Handelns ist die ganze Materie von vornherein so (daß das gedachte Gebrechen nicht ausbleibt). Wenn demnach das Gesetz allgemein spricht, aber in concreto ein Fall eintritt, der in der allgemeinen Bestimmung nicht einbegriffen ist, so ist es, in Betracht daß der Gesetzgeber diesen Fall außer Acht läßt und, allgemein sprechend, gefehlt hat, richtig gehandelt, das Versäumte zu verbessern, wie es auch der Gesetzgeber selbst, wenn er den Fall vor sich hätte, tun, und wenn er ihn gewußt hätte, es im Gesetze bestimmt haben würde. Daher ist das Billige ein Recht und besser als ein gewisses Recht, aber nicht besser als das Recht schlechthin, sondern als jenes Recht, das, weil es keinen Unterschied kennt, mangelhaft ist. Und das ist die Natur des Billigen: es ist eine Korrektur des Gesetzes, da wo dasselbe wegen seiner allgemeinen Fassung mangelhaft bleibt. Dies ist auch die Ursache davon, daß nicht alles gesetzlich geregelt ist; denn über manche Dinge läßt sich kein Gesetz geben, so daß es hier eines Plebiscites bedarf. Das Unbestimmte hat ja auch ein unbestimmtes Richtmaß, ähnlich wie bei der lesbischen Bauart ein bleiernes Richtmaß zur Verwendung kommt. Denn wie dieses Richtmaß sich der Gestalt des Steines angleicht und nicht dieselbe Länge behält, so gleicht das Plebiscit sich den besonderen faktischen Verhältnissen an.

      So ist denn klar, was das Billige ist, und daß es ein Recht ist, und besser als ein gewisses Recht. Hieraus sieht man aber auch, wer der Billige sei: wer solches Recht will, (1138a) wählt und übt, wer nicht das Recht zu Ungunsten Anderer auf die Spitze treibt, sondern vom Rechte, ob es ihm gleich beisteht, nachzulassen weiß, der ist billig und sein Habitus die Billigkeit, die eine Art Gerechtigkeit und kein von ihr verschiedener Habitus ist.

      Fünfzehntes Kapitel.

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      Aus dem Gesagten erhellt nun auch, ob man sich selbst Unrecht tun kann oder nicht.

      Recht in einem Sinne ist was vom Gesetze in Bezug auf jede einzelne Tugend geboten ist. Nun gebietet das Gesetz aber z. B. nicht, sich selbst zu tödten; was es aber nicht zu tödten gebietet, das zu tödten verbietet es.

      Ferner, wenn man jemanden freiwillig wider das Gesetz schädigt, ohne damit eine erlittene Schädigung zu rächen, so tut man Unrecht. Freiwillig handelt aber wer da weiß, gegen wen die Handlung gerichtet ist, und womit sie vollzogen wird. Wer aber aus Zorn sich selbst entleibt, tut freiwillig gegen die rechte Vernunft was das Gesetz nicht zuläßt, tut also Unrecht.

      Aber wem? Nicht etwa dem Gemeinwesen, sich aber nicht? Er leidet ja freiwillig, und niemand leidet freiwillig Unrecht. Darum straft ihn auch die Obrigkeit und haftet dem Selbstmörder, als einem Menschen, der sich am gemeinen Wesen versündigt hat, eine Makel an.

      Es kann aber auch wer nur Unrecht tut und nicht ganz schlecht ist, in dem, worin er ungerecht ist, sich nicht selbst Unrecht tun – dieses (Ungerechtigkeit nach einer bestimmten Seite) ist nämlich mit jenem (gesetzlicher Ungerechtigkeit überhaupt) nicht einerlei. Ein solcher Ungerechter ist ungefähr in der Weise schlecht wie der Feige, also nicht als haftete ihm die ganze Schlechtigkeit an, und demnach tut er auch nicht in diesem Sinne Unrecht –.

      Denn sonst könnte einem etwas gleichzeitig entzogen worden und zugefallen sein, was unmöglich ist: Recht und Unrecht setzt immer ein Verhältnis von mehreren voraus.

      Ferner (ist das Unrechttun) freiwillig und vorsätzlich und früher (als das Unrechtleiden). Denn wer ein Unrecht erlitten hat und dem anderen dafür dasselbe wieder antut, scheint kein Unrecht zu tun. Um aber sich selbst Unrecht zu tun, müßte man etwas zugleich leiden und tun.

      Ferner könnte man freiwillig Unrecht leiden.

      Überdies tut niemand Unrecht, ohne eine einzelne ungerechte Handlung zu begehen; nun kann aber niemand mit seiner eigenen Frau die Ehe brechen oder in sein eigenes Haus einen Einbruch verüben oder seine eigene Habe stehlen.

      Die vollständigste Lösung der Frage wegen der Möglichkeit sich selbst Unrecht zu tun, ergibt sich immer vom Gesichtspunkte der früheren Bestimmung, nach der niemand freiwillig Unrecht leiden kann.

      So mag denn von der Gerechtigkeit und den anderen sittlichen Tugenden in dieser Weise gehandelt sein.

      Sechstes Buch.

       Inhaltsverzeichnis

      Erstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

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