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Anne in Ingleside. Lucy Maud Montgomery
Читать онлайн.Название Anne in Ingleside
Год выпуска 0
isbn 9783732008995
Автор произведения Lucy Maud Montgomery
Серия Anne Shirley Romane
Издательство Bookwire
Als man ihm frühmorgens sagte, Papa würde ihn am Abend nach Lowbridge bringen, erwiderte Walter zunächst ‚gar nichts. Aber dann beim Abendessen fühlte er plötzlich einen Kloß im Hals, und er senkte schnell die Augenlider, damit niemand seine Tränen bemerkte. Aber er war wohl nicht schnell genug gewesen.
„Du wirst doch wohl nicht weinen, Walter?“ fragte Tante Mary Maria, als ob Weinen für einen sechsjährigen Knirps das Schändlichste auf der Welt sei. „Wenn ich etwas auf den Tod nicht ausstehen kann, dann eine Heulsuse. Und dein Fleisch hast du auch nicht gegessen.“ Sie deutete mit ihrem Messer auf seinen Teller.
„Nur das Fett nicht“, verteidigte sich Walter mit heftigem Blinzeln, wagte aber nicht aufzusehen. „Ich mag kein Fett.“
„Als ich ein Kind war“, belehrte ihn Tante Mary Maria, „da wurde ich nicht danach gefragt, was ich mochte und was nicht. Na ja, Mrs. Parker wird dir deine Flausen schon austreiben. Sie ist schließlich eine geborene Winter, glaube ich… oder eine Clark? Nein, eine Campbell muß sie sein. Egal, die Winters und die Campbells sind jedenfalls vom selben Kaliber, die haben für solchen Unfug nichts übrig.“
„Bitte, Tante Mary Maria, du mußt doch Walter nicht auch noch angst machen vor seinem Besuch in Lowbridge“, ermahnte Anne sie ärgerlich.
„Tut mir leid, Annie“, entschuldigte sich Tante Mary Maria mit übertriebener Demut. „Wie konnte ich vergessen, daß es mir nicht zusteht, deine Kinder auch nur im geringsten zu belehren.“ Sie schob sich ein großes Stück Fleisch in den Mund und kaute geziert.
„Scher dich zum Teufel“, knurrte Susan, als sie hinausging, um die Nachspeise zu holen – und zwar Walters Lieblingspudding!
Anne Fühlte sich wegen ihres Tadels gleich schrecklich schuldig. Gilbert hatte ihr nämlich einen ziemlich vorwurfsvollen Blick zugeworfen, der sie wohl ermahnen sollte, etwas mehr Geduld mit einer armen, einsamen alten Dame zu haben.
Was Gilbert selbst jedoch betraf, fühlte er sich auch nicht besonders wohl. Den ganzen Sommer über hatte er viel zuviel arbeiten müssen, und vielleicht ging ihm Tante Mary Maria doch mehr auf die Nerven, als er sich eingestand. Anne dachte darüber nach, ihn im Herbst – soweit alles in Ordnung war – Für einen Monat nach Nova Scotia zur Schnepfenjagd zu schicken, zum Ausspannen.
„Wie schmeckt dir dein Tee?“ wandte sich Anne reuevoll an Tante Mary Maria.
Tante Mary Maria spitzte die Lippen.
„Zu schwach, aber, ach, wen kümmert das schon, ob eine arme alte Frau ihren Tee nach ihrem Geschmack bekommt oder nicht? Aber es gibt andere Leute, die mich für angenehmem Besuch halten.“
So, da hatte sie es ihnen wieder gegeben. Anne gab sich keine Mühe mehr herauszufinden, worin nun der Zusammenhang zwischen Teegeschmack und angenehmem Besuch bestehen mochte. Sie war plötzlich blaß geworden.
„Ich glaube, ich muß mich ein bißchen hinlegen“, sagte sie schwach und stand auf. „Und, Gilbert, halte dich bitte nicht so lange in Lowbridge auf.“
Sie gab Walter einen flüchtigen Kuß zum Abschied, fast wie geistesabwesend. Aber Walter würde nicht weinen! Tante Mary Maria verpaßte ihm einen Kuß auf die Stirn – Walter haßte diese feuchten Stirnküsse! – und sagte:
„Sieh zu, daß du dich bei Tisch benimmst, wenn du in Lowbridge bist, Walter. Und schling nicht so beim Essen. Sonst kommt ein großer schwarzer Mann mit einem großen schwarzen Sack, da stopft er ungezogene Kinder hinein.“
Gut, daß Gilbert das nicht mehr hörte; er war schon hinausgegangen, um das Pferd anzuspannen. Er und Anne legten besonderen Wert darauf, ihren Kindern niemals Angst einzujagen; dasselbe erwarteten sie auch von anderen. Nur Susan hörte noch, was Tante Mary Maria sagte. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Soßenschüssel samt Inhalt wäre der Tante an den Kopf geflogen.
Kapitel 8
Normalerweise freute sich Walter, wenn er mit Papa ausfahren durfte. Doch heute, wo sie nach Lowbridge unterwegs waren, war Papa ungewöhnlich schweigsam. Und als sie angekommen waren, wechselte er bloß ein paar flüchtige Worte mit Mrs. Parker und eilte dann davon, ohne Walter auf Wiedersehen zu sagen. Walter mußte diesmal hart mit sich kämpfen, um nicht in Tränen auszubrechen. Kein Mensch hatte ihn lieb, sogar Mama und Papa mochten ihn nicht mehr leiden.
Das große, unaufgeräumte Haus der Parkers machte auf ihn auch keinen einladenden Eindruck. Vielleicht hätte er sich in diesem Zustand aber auch in jedem anderen Haus unwohl gefühlt. Mrs. Parker nahm ihn mit hinaus auf den Hinterhof, um ihn ihrer fröhlich lärmenden Kinderschar vorzustellen. Dort ließ sie ihn allein, damit sie sich ‚selbst gegenseitig bekannt machen konnten‘ – eine Methode, die vielleicht in neun von zehn Fällen gutgehen mochte. Daß der kleine Walter Blythe nun ausgerechnet der zehnte war, konnte sie wohl nicht vorhersehen. Sie mochte ihn, und ihre eigenen Kinder waren eine lustige kleine Bande. Nur Freds und Opals Manieren ließen manchmal zu wünschen übrig, aber sie war ganz sicher, daß sie zu niemandem unfreundlich waren. Probleme würde es also ganz bestimmt nicht geben. Sie freute sich, der ‚armen Anne Blythe‘ helfen zu können, auch wenn es nur darum ging, ihr eines ihrer Kinder abzunehmen. Mrs. Parker hoffte jedenfalls, daß bei Anne alles glattging.
Auf dem Hof, an den ein großer Obstgarten angrenzte, war es plötzlich still geworden. Walter stand da und starrte ernst und ängstlich von den Parker-Kindern zu Vetter Fred und Kusine Opal aus Montreal. Bill Parker war ein munterer, zehnjähriger Bengel, der seiner Mutter, nachschlug‘ und Walter sehr alt und groß vorkam. Andy Parker war neun; von allen Parker-Kindern war er der Schlimmste. Walter konnte ihn vom ersten Augenblick an nicht leiden, weder seine blonden Stoppelhaare noch sein boshaftes Sommersprossengesicht mit den blauen Froschaugen. Fred Johnson war genauso alt wie Bill, und ihn konnte Walter genausowenig leiden. Seine neunjährige Schwester Opal hatte wie er Locken und schwarze Augen, höhnische schwarze Augen. Sie hatte den Arm um Cora Parker gelegt, einen Struwwelkopf von acht Jahren, und alle beide blickten herablassend auf Walter nieder. Walter hätte begreiflicherweise das Weite gesucht, wenn da nicht noch Alice Parker gewesen wäre.
Alice war sieben Jahre alt. Sie hatte einen allerliebsten goldblonden Lockenkopf, sanfte blaue Augen und rosige Wangen mit Grübchen. Alice lachte ihn als einzige an.
„Hallo, Kleiner“, brach Fred schließlich das Schweigen in herablassendem Ton.
Walter spürte die Ablehnung sofort. „Ich heiße Walter“, sagte er vernehmlich.
Fred wandte sich mit erstaunter Miene den anderen zu. Diesem Dorfburschen würde er es zeigen! „Er sagt, er heißt Walter“, sagte er zu Bill und verzog dabei den Mund, als sei das der schrecklichste Name der Welt.
„Er sagt, er heißt Walter“, gab Bill weiter zu Opal.
„Er sagt, er heißt Walter“, sagte Opal zu dem grinsenden Andy.
„Er sagt, er heißt Walter“, ließ Andy Cora wissen.
„Er sagt, er heißt Walter“, sagte Cora kichernd zu Alice.
Alice sagte nichts. Sie stand da und sah Walter bewundernd an. Ohne diesen Blick hätte Walter es nicht ertragen, als die anderen im Chor loslegten und dann in höhnisches Gegröle ausbrachen.
„Was die Kleinen für einen Spaß zusammen haben“, dachte Mrs. Parker währenddessen selbstgefällig, während sie mit ihrer Näharbeit beschäftigt war.
„Ich hab gehört, du glaubst an Feen“, meinte Andy mit einem gehässigen Seitenblick.
Walter starrte ihn an. Vor Alice würde er sich nicht erniedrigen lassen. „Es gibt Feen“, sagte er bestimmt.
„Gibt es nicht“, widersprach Andy.
„Gibt es doch“, bekräftigte Walter.
„Er sagt, es gibt Feen“, sagte Andy zu Fred.
„Er sagt,