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offizielle christliche Theologie bekämpfte den uralten Glauben an die Himmelskönigin. Der Volksglauben aber mochte nicht auf die große Himmlische verzichten. So wurde, nachdem die einstige Göttin Eva erniedrigt worden war, Maria in den Himmel gehoben. Spätestens seit dem 6. Jahrhundert lässt sich eine angebliche »Himmelfahrt Marias«, für die es keinen biblischen Beleg gibt, im christlichen Brauchtum nachweisen. Erst 1950 erklärte Papst Pius XII. Mariens Himmelfahrt für die römisch-katholische Kirche zum Dogma. Vier Jahre später ging der »Heilige Vater« einen Schritt weiter. Am 11. Oktober 1954 führte Papst Pius XII. per Enzyklika »Ad coeli reginam« (zu Deutsch »Über die Königin des Himmels«) einen neuen Gedenktag ein: »Maria, Königin des Himmels«. Am 31. Mai konnte die gesamte katholische Glaubenswelt auf päpstliche Anordnung wieder eine »Himmelskönigin« verehren. Fünfzehn Jahre später wurde das Fest auf den 22. August verlegt.

      Papst Pius XII. erhob Jesu Mutter nicht nur in den Stand einer Himmelskönigin. Er machte sie, ohne dass es dafür auch nur die Spur eines Hinweises in der Bibel gibt, zur »Miterlöserin«. Aus streng katholischer Sicht ist diese »Beförderung« Mariens allerdings ketzerisch, soll doch Jesus allein der Erlöser sein, nun bekommt er aber eine »Miterlöserin« zur Seite gestellt. Daran lässt »Ad coeli reginam« keinen Zweifel aufkommen (3):

      »Es ist sicher, dass Jesus Christus als alleiniger Gott und Mensch im vollen, eigentlichen und absoluten Sinn König ist; dennoch nimmt auch Maria an seiner königlichen Würde teil, obschon in einer begrenzten und analogen Weise, da sie die Mutter Christi ist, der Gott ist, und weil sie als Miterlöserin dem Werke des göttlichen Erlösers beigegeben ist in seinem Kampf gegen die Feinde und in seinem Triumph, den er über sie alle davontrug.«

      Man mag über die päpstliche Enzyklika und ihren tieferen Sinn diskutieren wie man will. Aber es ist unbestreitbar, dass in »Ad coeli reginam« Maria zur »Miterlöserin« und »Himmelskönigin« erklärt wird. So heißt es auch im »Katechismus der katholischen Kirche« (4): »Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommen ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein.«

      Es kann eigentlich keinen Zweifel geben: Papst Pius XII. erklärte im Herbst 1954 ganz offiziell Maria, Jesu Mutter, zur Miterlöserin und erhob sie damit in göttlichen Status. Den Terminus der »Miterlöserin« verwendeten auch die Päpste Pius XI. (verstorben 1939), Paul VI. (verstorben1978) und Johannes Paul II. (verstorben 2005). Schon unzählige Theologen haben in den vergangenen Jahrzehnten gefordert, Maria endlich mit einem offiziellen Dogma quasi ganz offen und kirchenamtlich zur »Miterlöserin« zu machen.

      Am 11. Oktober 1962 eröffnete Papst Johannes XXIII. das Zweite Vaticanum in Rom. Das Konzil wurde nach dem Tode von Johannes XXIII. von Papst Paul VI. fortgeführt und am 8.Dezember 1965 nach vier Sitzungsperioden und der Bekanntmachung von sechzehn Dekreten und Konstitutionen geschlossen. Zur großen Enttäuschung Hunderter von hochrangigen Würdenträgern wurde kein neues Dogma von der »Miterlöserin Maria« verkündet. Dabei wurden von hoher theologischer Seite immer wieder entsprechende Schritte unternommen. Aber aus Rücksicht auf die protestantischen Glaubensbrüder kam es nicht zum Marien-Dogma. Im Vatikan setzte sich die Ansicht durch, eine Gleichstellung Marias mit dem göttlichen Jesus bedeute eine Vergöttlichung der Mutter Jesu.

      Warum aber gilt nach wie vor eine »Miterlöserin Maria« bei vielen Christen und christlichen Theologen als Sakrileg? Stephen Benko war Professor an der »Temple University of Philadelphia« (Fachbereich Religion und Philosophie) und der »California State University Fresno« (Antike Geschichte). Mit seinen Büchern löste er vor allem in Theologenkreisen heftige Diskussionen aus. Benko, Spezialist für das frühe Christentum und dessen heidnisches Umfeld, geht streng wissenschaftlich zu Werke, wenn er die Quellen des Christentums erforscht. In seinen Werken (5) »The Virgin Goddess: Studies in the Pagan and Christian Roots of Mariology« (Zu Deutsch etwa: »Die jungfräuliche Göttin: Studien über die heidnischen und christlichen Wurzeln der Marienkunde«) und (6) »Pagan Rome and the Early Christians« (Zu Deutsch etwa: »Das heidnische Rom und die frühen Christen«) verfolgt er die Spur Marias in die Vergangenheit. Und siehe da: Maria wird zur Himmelskönigin, so wie Artemis, Astarte, Celeste, Ceres, Cybele, Demeter, Diana, Ischtar, Isis und Selene in der heidnischen Welt himmlische Muttergöttinnen waren. Lange vor den frühesten Zeiten des Christentums wurden im Mittelmeerraum Muttergöttinnen als Himmelsgöttinnen verehrt.

      Im »Katechismus der katholischen Kirche« (7) heißt es: »Wir glauben, dass die heiligste Muttergottes, die neue Eva, die Mutter der Kirche, im Himmel ihre Mutterschaft an den Gliedern Christi fortsetzt.« Vermutlich wussten die Verfasser des aktuellen katholischen Katechismus gar nicht, wie zutreffend ihre Aussage ist: Maria ist tatsächlich eine zweite Eva, aber das ganz im heidnischen Sinne: die Himmelskönigin in neuem, christlichen Gewand! Stephen Benko: »Ich stelle fest, dass es eine direkte, ungebrochene und klar erkennbare Verbindung gibt zwischen den Kulten der antiken Göttinnen bis hin zur Verehrung und dem daraus entsprungenen Kult der Jungfrau Maria.«

      Die Muttergöttin Eva wurde im »Alten Testament« der Bibel zur menschlichen Sünderin, die sich vom Teufel verführen lässt. Als christianisierte Himmelsgöttin Maria kehrt sie zurück. Und, das wage ich zu prognostizieren, sie wird auch noch ganz offiziell zur »Miterlöserin«, neben Christus, quasi als Ersatz für den für viele Zeitgenossen unbegreifbaren »Heiligen Geist«.

      Nach Vorträgen über die uralte Geschichte der Göttin erntete ich nicht nur Lob, sondern auch Kritik. Es sei unzulässig, ja ein Sakrileg, die Gottesgebärerin, die Himmelskönigin mit heidnischen Göttinnen zu vergleichen oder gar gleichzusetzen. Wiederholt bekam ich zu hören, dass es das Werk des Teufels sei, der Jahrtausende vor Christus den Menschen Trugbilder von Göttinnen zeigte, die er böse just so gestaltete, dass sie der Himmelskönigin Maria ähnelten. Auf diese Weise wollte der Teufel, infam wie er war, im Voraus den wahren Glauben an Maria angreifen. Ich sehe mich aber nicht als Ketzer. Dieses Kompliment darf ich nicht annehmen. Für mich gibt es das zeitlose Heilige auch schon lange vor Jesu Zeiten. Wir sollten versuchen, eine erhabene Wahrheit zu erkennen, die sich nicht konfessionell einengen lässt. Dieses mit dem Verstand nicht zu erfassende Ewige hat viele Namen: Eurynome, Ischtar, Inanna, Tonantzin und Maria sind nur verschiedene Namen.

      Hoffnung macht, dass das Haus der Maria heute sowohl von Christinnen als auch von Frauen muslimischen Glaubens besucht wird. Gemeinsam beten dort Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen friedlich nebeneinander. Dieses Gemeinsame wollen wir betonen, dann haben fundamentalistische Hitzköpfe jeglicher Ausrichtung keine Chance!

      Die schönen Darstellungen der Maria in der altehrwürdigen Stadtkirche zu Bad Tölz, der heutige Bau entstand 1466, sind der Versuch, das unfassbare Erhabene darzustellen. Ich habe das Gefühl, dass wir angesichts unserer eigenen Wurzeln im »christlichen Abendland« wieder mehr Respekt haben sollten. Mag es für manche vermeintlich fortschrittlich-multikulti-»denkenden« Zeitgenossen auch befremdlich sein: Aber das Christentum gehört zu Deutschland!

      Fußnoten:

      (1) 1. Buch Mose, Kapitel 1, Vers 2

      (2) Langbein, Walter-Jörg: »Als Eva noch eine Göttin war«, Manuskript

      (3) »Ad coeli reginam«, »Die göttliche Mutterschaft - Grundlage des Königtums«, Paragraph 39

      (4) »Absatz 6: Maria – Mutter Christi, Mutter der Kirche« (Artikel 9, Absatz 6/ 966)

      (5) Benko, Stephen: »The Virgin Goddess/ Studies in the Pagan and Christian roots of Mariology«, Brill 2004 (Eine deutsche Übersetzung liegt meines Wissens nach nicht vor!)

      (6) Benko, Stephen: »Pagan Rome and the Early Christians«, Indiana University Press; Reprint edition, July 22, 1986 (Eine deutsche Übersetzung liegt meines Wissens nach nicht vor!)

      (7) Artikel 9, Absatz 6/ 975

      Zusätzlich zur Lektüre empfohlen:

      Lüdemann, Gerd: »Das Judas-Evangelium und das Evangelium nach Maria/ Zwei gnostische Schriften aus der Frühzeit des Christentums«, Stuttgart 2006

      Lüdemann,

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