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Einmal die Tatsache, daß wir bei manchen Menschen den Eindruck einer starken Disharmonie zwischen Körper und Seele haben: einen »Feuergeist« von gewaltiger Energie in einem elenden, gebrechlichen Körper, der kein ausreichendes Fundament für sie ist, der sie nicht vollkommen auszudrücken vermag, der sie als Werkzeug beständig im Stich läßt. (Wenn in solchem Fall die ganze menschliche Person nicht das wird, was ihre Seele daraus machen möchte, so versteht man wohl, daß es einen Sinn bekommt zu sagen, dies Zurückbleiben hinter dem, was sie eigentlich werden sollte, sei »de ratione materiae«. Die »materia« scheint aber hier schon ein bestimmt geformtes materielles Ding zu sein.) Ferner ist die Tatsache der Vererbung heranzuziehen: Das Wiederkehren derselben Körperformen in der Folge der Generationen eines Geschlechts ist ja gewiß die augenfälligste Erscheinung, die zur Annahme der Vererbung hingeführt hat. Wenn wir uns einen durch das »Ahnenerbe« bestimmten Körper denken müßten und eine individuelle Seele durch Gott hineingesenkt, so könnten wir doch offenbar das materielle Gebilde, in dem sie ihr Dasein beginnt, nicht schon vor diesem Dasein als durch sie geformt ansehen. Man könnte höchstens an eine »prästabilisierte Harmonie« zwischen der Seele und dem für sie bestimmten Körper denken; aber wir sahen schon, daß erfahrungsgemäß von einer solchen Harmonie keineswegs überall zu sprechen ist. – Sucht man schließlich die Deutung zu geben, daß die Seele wohl in einem bereits geformten Körper ihr Dasein beginne, daß aber von dem Beginn ihres Daseins sie das formende Prinzip sei, so spricht dagegen die Tatsache, daß der Körper weiterhin Veränderungen erfährt, die nicht durch die Seele hervorgerufen, auch nicht durch sie mitbedingt sind: Ein Knochenbruch, eine Verletzung von Muskeln und Geweben durch ein scharfes Instrument geschieht nach den Gesetzen der Mechanik. Die freie Aktivität kann so etwas herbeiführen und kann andererseits auf die Heilung des Schadens hinarbeiten. Aber die Verletzung kann auch als ein rein materielles Geschehen verlaufen. So scheinen eine ganze Reihe von Tatsachen gegen die Einheit der substanzialen Form zu sprechen: Die personal- geistige Seele bestimmt weitgehend die Gestalt des Körpers, aber doch nicht allein: Sie beginnt ihr Dasein in einem bereits bestehenden Körper, und er bleibt während der ganzen Dauer seines Seins der Gesetzlichkeit materieller Körper unterworfen, die teils in den Dienst der geistigen Formung tritt, teils auch ihr hemmend in den Weg tritt.

      b) Gründe für und gegen die substanziale Einheit

      Auf der andern Seite muß man die Tatsachen scharf ins Auge fassen, die uns nötigen, von einer Einheit der Natur beim Menschen zu sprechen – einer Einheit, die den materiellen Leib und die geistige Seele umfaßt: Das, womit wir es in der Erfahrung zu tun haben, ist dieser Mensch: Der Körper, der uns in die Sinne fällt, gibt Kunde von dem Geistigen, das darin lebt. Und wenn wir die Selbsterfahrung zu Hilfe nehmen, so finden wir nicht den Körper als etwas Fremdes, von uns Abgetrenntes, auf das wir von außen einwirken wie auf ein anderes Ding. Es gibt wohl die Möglichkeit eines solchen Verhaltens zum eigenen Körper (wenn ich zum Beispiel die Hand prüfend betrachte, um einen eingedrungenen Splitter zu finden, und ihn dann auf rein mechanischem Wege entferne). Aber das ist nicht das normale und für die Konstitution des Leibes als solchen grundlegende Verhalten zu ihm. Mein Leib ist in die Einheit meiner Person einbezogen: Wenn ich »mich« bewege, so geschieht das nicht in der Weise, wie ich einen fremden Körper von außen stoße oder ziehe, sondern es wird die Bewegung des Leibes als unmittelbar eins mit dem geistigen Bewegungsimpuls erlebt; und ebenso wird der Ausdruck des seelischen Lebens, der mimische wie der sprachliche, als unmittelbar eins mit dem Erlebnis, das sich darin äußert, von innen her erfahren. Wir sprachen ja von einem »Wohnen« des Ich im Leib; das ist kein Wohnen wie in einem Haus, das man beliebig verlassen kann, sondern ein Hineingewurzeltsein eigener Art. Es ist ein fiktives Verlassen des Leibes möglich, von dem sich dann das reale Gebundensein besonders deutlich abhebt. Und es gibt ein reales Verlassen des Leibes im Tode; damit hört der Leib auf, Leib zu sein, und der rein materielle Körper, der noch für eine gewisse Zeit die Gestalt des Leibes behält, die durch die Seele geformt wurde, beginnt zu zerfallen und hört schließlich auch auf, dieser materielle Körper zu sein. Das ist ja gerade eine der Tatsachen, die zu der Auffassung der Seele als Form des Körpers hindrängen. Der Körper ist etwas auch ohne die Seele, aber er ist dieser Körper nur durch diese Seele und in der Einheit mit ihr. Darum muß man sagen, daß der menschliche Körper ohne die Seele keine Substanz ist und daß der ganze Mensch eine Substanz ist.

      c) Der Aufbau der menschlichen Natur und die Stellung der geistigen Seele

      In diese Einheit treten eine ganze Reihe materieller »Stoffe« ein, die außerhalb dieser Einheit selbständige Substanzen sind, aber innerhalb ihrer aufhören, es zu sein. Sie gehen in einen Organismus ein, dessen Aufbaugesetz ihre eigene Gesetzlichkeit ein- und untergeordnet wird. Dieser Organismus selbst aber – d. h. der menschliche Leib, soweit er sich als Organismus begreifen läßt – ist seinerseits keine selbständige Substanz, sondern wiederum einer höheren Einheit und ihrem Aufbauprinzip ein- und untergeordnet: Alles Leibliche ist leiblich und seelisch zugleich. Dabei ist »seelisch« noch nicht im Sinne der geistigen Seele genommen, wie wir sie von der inneren Erfahrung unseres Menschseins her sichteten, sondern im Sinne des »niederen Seelischen«, das schon dem Tier eigen ist: dessen Grundgesetz Reizbarkeit und triebhaftes Reagieren sind. In der Einheit der menschlichen Natur tritt all das, was an »Niederem« in sie eingeht, unter das Gesetz des Geistes. Die geistige Seele geht in die Einheit der menschlichen Natur an zentraler und dominierender Stelle ein. Sie gibt dem Ganzen den Charakter der Personalität und echter Individualität und durchdringt damit alle Stufen. Aber sie tritt in diese Einheit ein, sie bestimmt nicht deren gesamten ontischen Aufbau; darum ist sie nicht einfach mit der substanzialen Form gleichzusetzen. Die substanziale Form ist das Aufbauprinzip des ganzen menschlichen Individuums, und es ist eines, obwohl es eine ganze Reihe von Substanzen als Bedingungen seiner Existenz voraussetzt.

      Es soll nun geprüft werden, ob und wieweit auch die geistige Seele in der Einheit der menschlichen Natur unter eine fremde Gesetzlichkeit tritt. Dazu muß sie aber noch deutlicher in ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit sichtbar gemacht werden. Und dafür ist es dringlich klarzumachen, was unter »Geist« verstanden werden soll.

      II. Das Wesen des Geistes

       Inhaltsverzeichnis

      1. intellectus, mens, spiritus; Unfixiertheit, Unbeschwertheit, Beweglichkeit

      »Geist« wird in der deutschen Sprache in mehrfachem Sinn gebraucht. Das wird deutlich, wenn wir die lateinischen Ausdrücke »intellectus«, »mens«, »spiritus« dagegenhalten, die alle im Deutschen mit »Geist« wiedergegeben werden (ohne daß damit alles, was mit »Geist« bezeichnet wird, schon erschöpft wäre).

      »Intellekt« bezeichnet den erkennenden Geist; in diesem Sinn ist es gemeint, wenn man »Geist« und »Willen« oder »Geistesbildung« und »Herzensbildung« einander gegenüberstellt. Und wenn man von menschlichem Geist oder Intellekt spricht, so meint man damit eine Potenz der Seele; wir können dafür »Verstand« setzen, wenn wir das Wort genügend weit nehmen und nicht in einer sprachüblichen Verengung des Sinnes. Wenn man Geist und Sinnlichkeit einander gegenüberstellt, so ist der Sinn ein erweiteter, dem lateinischen »mens« entsprechend: der höhere Teil der Seele, der der Menschenseele spezifisch eigen ist, das rationabile, das Vernunftgesetzen unterworfen ist; es umfaßt Verstand und Willen (geistiges Erkennen und Streben gegenüber dem sinnlichen). Es ist der zusammenfassende Name für eine Reihe von Potenzen; während »intellectus« für die Potenz und für den entsprechenden Akt (die »Einsicht«) verwendet werden kann, ist das bei »mens« nicht möglich, weil ganz verschiedene Aktualisierungen möglich sind (Erkennen, Wollen, geistiges Fühlen). »Geist« im Sinne von »mens« bezeichnet wie »Intellekt« etwas in der menschlichen Seele, nicht die ganze Seele; ferner etwas, was nur innerhalb der Menschenseele eine Stelle hat. (Diese Einschränkung gilt vom Intellekt nicht. Man kann von göttlichem Intellekt sprechen, aber eine »mens divina« gibt es nicht.) Wenn wir die Seele selbst als Geist oder etwas Geistiges bezeichnen, so muß offenbar noch etwas anderes gemeint sein. Ebenso, wenn wir sagen: Gott ist Geist. Hier ist Geist im Sinne von »spiritus« gemeint. Im Gegensatz dazu steht Körper: noch nicht als »Leib« verstanden, sondern als res extensa et materialis.

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