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sie ein. Jeder Nerv an ihr begann zu beben.

      »Wohin haben Sie mich denn gebracht? Wo bin ich eigentlich?«

      Sprenger stieg langsam die Röte ins Gesicht.

      »Ich habe Sie zu mir gebracht –«

      Petra fuhr in die Höhe.

      »Sie… Sie haben mich zu sich gebracht?« Ihre Augen irrten umher, kehrten wieder zu dem lächelnden Mann zurück.

      Wo war Jost? Wo war Lorchen?

      Ihre Hände tasteten nach den Schläfen. Wie das pochte und hämmerte!

      »Mein Gott!« stieß sie hervor. »Jost… ist ja tot!«

      Sekundenlang durchdrang sie ein weher, wilder Schmerz, aber dann füllten sich ihre Augen mit Tränen der Empörung.

      »Sie haben mich zu sich gebracht? Oh, jetzt erinnere ich mich wieder an alles. Jost ist tot… ich wurde ohnmächtig. Da haben Sie mich – zu sich gebracht.«

      Eisiger Schauer durchrieselte sie.

      »Sie haben meine Hilflosigkeit ausgenutzt. Bitte, verlassen Sie mich sofort! Ich muß zu meinem Kind!«

      Sprenger wich nicht von der Stelle.

      »Gehen Sie nicht weg, Petra. Ich bitte Sie herzlich«, stieß er hervor. »Alles will ich für Sie tun, nur gehen Sie nicht weg.«

      Petra hörte kaum, was der Mann sprach. Sie stand auf und verließ die Wohnung, hetzte die Straße entlang, suchte nach einem Taxi und ließ sich zu ihrer Wohnung fahren.

      Das Haar hing ihr wirr um das bleiche Gesicht mit den fiebrig glänzenden Augen. Sie hastete an dem Portier vorbei ihrer Wohnung zu.

      Vor der Tür verhielt sie den Schritt und lauschte. Alles war still.

      Hastig schloß sie auf und jagte den Korridor entlang in das Kinderzimmer.

      Es war leer!

      »Lorchen! Lorchen!«

      Von einem Zimmer zum anderen lief sie. Nirgends fand sie eine Spur von dem Kind. Auch Lorchens Sachen waren nicht da. Petra dachte an die Nachbarin und eilte die Treppe hinauf, klingelte oben. Sie konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten.

      »Wo – wo ist Lorchen?« fragte sie keuchend, als ihr geöffnet wurde.

      »Lorchen?« erwiderte die Frau und maß Petra mit einem mitleidigen Blick. Mein Gott! Vielleicht hatte sie eine Dummheit gemacht, als sie das Kind weggab? Aber die Frau hatte ihr ja versichert, alles sei in Ordnung.

      »Ist Lorchen bei Ihnen?« drängte Petra.

      »Die Mutter von Herrn Eckhardt hat das Kind mitgenommen, da Sie nicht zurückkamen«, meinte die Frau zögernd.

      Um Petra drehte sich alles im wilden Tanz.

      »Meine Schwiegermutter war da? Sie hat Lorchen…« Mit einem Ruck drehte sie sich um und hetzte die Treppe hinab.

      Man hat mir mein Kind genommen! konnte sie nur denken. Man hat mir mein Lorchen weggeholt! Aber ich hole mir das Kind wieder!

      Ungeachtet der neugierigen Blicke jagte sie durch die Straßen der Villa Leontine Eckhardts zu. Doch sie erreichte sie nicht.

      Zur selben Stunde, als Leontine Eckhardt mit der kleinen Lore ihr Haus betrat, wurde Petra Eckhardt in das Krankenhaus Friedrichstadt eingeliefert: Nervenzusammenbruch!

      *

      Leontine hatte sofort Dr. Hartmut, den Rechtsanwalt, zu sich gebeten und berichtete ihm sogleich, was sie erlebt hatte! Daß sie das Kind allein in Josts Wohnung gefunden habe; von Josts Frau hingegen keine Spur…

      Bei ihren letzten Worten hatte sich die Tür geöffnet, und Nikolaus Eckhardt trat ein.

      Mit einem ruhigen Blick erfaßte er, was hier vorging. Sein Auge blieb auf dem bildhübschen Kind haften, das mit schneebleichem Gesichtchen an der Wand lehnte.

      Kaum jedoch hatte die kleine Lore Nikolaus erblickt, stürzte sie mit einem hellen Jubellaut auf ihn zu, umschlang ihn mit beiden Armen und stammelte unter bitteren Tränen:

      »Vati – mein lieber Vater, nun bist du doch gekommen… mich zu holen. Mein guter Vati… schnell, nimm mich auf deine Arme und trag mich fort – zu Mami!«

      Nikolaus fühlte den kleinen Kinderkörper, der sich dicht an den seinen schmiegte, und es war ihm eigenartig zumute. Die Kleine hielt ihn für ihren Vater. Also war es Josts Kind? Liebevoll beugte er sich hinab und schlang voll Erbarmen seine Arme um den zierlichen Körper und hob Lorchen zu sich auf.

      »Ich bin nicht dein Vater. Willst du mir nicht sagen, wie du heißt?« fragte er mit seiner warmen, tröstenden Stimme.

      Vertrauensvoll hingen die Augen des Kindes an seinem Mund.

      »Doch – du bist doch mein Papi! Kennst du denn dein Lorchen nicht mehr?«

      Sanft liebkoste Nikolaus das glänzende Haar des Kindes. Nach und nach verebbte das krampfhafte Zucken in dem kleinen Gesicht.

      Die Augen des Kindes fielen zu, die dunklen Wimpern warfen lange Schatten auf die blassen Wangen.

      »Lorchen ist müde… so müde!« flüsterte sie. Sie hatte die Ärmchen ganz fest um Nikolaus’ Hals geschlungen und ihr Gesicht innig an ihn geschmiegt. »Wenn Mami kommt, dann weckst du mich, aber jetzt will ich schlafen…«

      Ratlos sah Nikolaus reihum. War seine Ähnlichkeit mit dem Bruder wirklich so groß, daß das Kind ihn für den Vater hielt?

      Wie kam es überhaupt hierher? Behutsam bettete er es jetzt auf den Diwan.

      »Wo ist Jost? Und die Mutter des Kindes?« fragte er leise, als wolle er Lorchens Schlaf nicht stören.

      Beklommene Stille herrschte. Dann kam von dorther, wo Leontine Eckhardt steif aufgerichtet saß, ein Geräusch, das sich wie unterdrücktes Schluchzen anhörte.

      Nikolaus war darüber so erstaunt, daß er hastig fragte:

      »Warum weinst du, Mutter? Was ist mit dem Kind?«

      »Jost – ist tot!« hörte er neben sich eine Stimme. Er fuhr herum und blickte in die ernsten Augen Dr. Hartmuts. »Ihre Mutter hat das Kind abgeholt.«

      »Sie sagen, Jost ist tot? Das kann doch nicht möglich sein! Sie erklärten uns doch erst vor kurzem, daß Sie wüßten, wo und wie Jost lebt.«

      Antwortheischend starrte er den Notar an, der gebeugt vor ihm saß und nach erklärenden Worten suchte.

      Sein Schweigen war Nikolaus Antwort genug.

      »Unmöglich!« stieß er hervor und suchte sich gewaltsam von dem lähmenden Gedanken loszureißen.

      Scheu glitt sein Blick hinüber zu dem friedlich schlummernden Kind, das Josts, des Bruders Kind war, und hier seine Heimat suchte.

      Müde ließ er die Schultern hängen. Das gab Kampf, neuen Kampf, denn niemals würde die Mutter das Kind neben sich dulden. Er fühlte seine eigene liebeleere Kindheit, die nun auch Josts Kind erwarten würde.

      Nikolaus raffte sich auf. Er sah um Jahre gealtert aus, als er am Tisch erschien und eindringlich bat:

      »Erzählen Sie mir alles, Doktor – es muß etwas Furchtbares geschehen sein – «

      »Ein Unglücksfall«, fiel der Notar ihm rasch ins Wort, froh, daß die unerträgliche Stille endlich überbrückt war. »Jost wurde durch einen herabfallenden Eisenträger getötet – «

      »Und das Kind?« drängte Nikolaus, der das Schwanken des Notars wohl bemerkte. »Sprechen Sie weiter!«

      »Frau Petra… das ist die Frau Ihres Bruders, ließ das Kind allein in der Wohnung zurück, wo es Ihre Mutter fand. Vom Krankenhaus weg fehlt jede Spur von Frau Petra Eckhardt. Das heißt, man muß Nachforschungen nach ihr anstellen.«

      »Petra!«

      Nikolaus

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