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Griechische Mythologie. Ludwig Preller
Читать онлайн.Название Griechische Mythologie
Год выпуска 0
isbn 9788027230273
Автор произведения Ludwig Preller
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Weit verbreiteter war die Dichtung von der Geburt der Athena aus dem Haupte des Zeus, welche indessen mit jener anderen, ihrer Geburt aus dem Feuchten eng zusammenhängt. Schon die Ilias kennt Athena als die Lieblingstochter des Zeus, welche er selbst geboren habe382, die Ὀβριμοπάτρη d. i. die starke Tochter des starken Vaters, welche zu diesem in einem so eigenthümlich innigen, specifischen Verhältniß der Vertrautheit steht, daß sie so zu sagen sein andres Ich bildet. Zeus redet zu ihr wie zu seinem eignen Gemüthe, ertheilt ihr die schwierigsten Aufträge; Athena und Zeus werden sogar gelegentlich für die höchste und mächtigste Gottheit schlechthin erklärt: eine Vorstellung welche die folgenden Dichter in vielen Wendungen zu wiederholen pflegen383. Die vollständige Sage aber von Athenens Geburt aus dem Haupte des Zeus ist erst bei Hesiod th. 886 ff., im Homerischen Hymnus 28 und bei Pindar Ol. 7, 34–38 zu lesen und auf vielen attischen Vasengemälden abgebildet384 ; denn auch in Athen war dieser Ursprung der allgemeine Glaube und die Mythe mag hier wohl besonders ausgebildet sein. Zeus vermählt sich mit der Μῆτις, einer Tochter des Okeanos, welche als solche die Gabe der Verwandlung besitzt. Er verschlingt sie weil er die Geburt eines Sohnes fürchtet welcher mächtiger als er selbst werden könne, so daß Metis schon mit der Tochter schwanger in seinen Bauch versetzt wird. So wird Athena aus dem Haupte des Zeus geboren385, wobei ihm Hephaestos oder Prometheus oder Hermes mit einem Beile das Haupt spaltet386, unter furchtbarem Aufruhr der ganzen Natur, wie dieses besonders jener Hymnus weiter ausführt. Andere Dichter und Theologen, die sich in solchen Allegorieen gefielen, haben von einem Streite zwischen Zeus und Hera gedichtet, in Folge dessen Zeus allein die Athena, Hera ohne Zeus den Hephaestos geboren habe387, und vollends die Orphische Theogonie hat das Bild von der Verschluckung und von der Metis sehr gemißbraucht und dadurch seine Bedeutung entstellt. Was Metis betrifft so liegt es allerdings nahe diese Göttin für eine spätere Abstraction der Intelligenz des Zeus, des μήστωρ ὕπατος zu halten, und in der That wird sie auch bei Hesiod und in den übrigen Erzählungen von der Geburt der Athena vorzüglich in diesem Sinne d. h. als die personificirte Vernunft und Intelligenz characterisirt388. Indessen fragt es sich ob das Wort und die Göttin nicht ursprünglich auch einen physicalischen Sinn gehabt haben, schon deshalb weil die ältere Sprache reine Abstractionen überhaupt nicht kennt, nicht einmal die der Philosophen. Auch liegt die Andeutung eines andern Zusammenhangs darin daß Metis eine Tochter des Okeanos und der Tethys und absolut wandelbar genannt wird, ferner darin daß ähnliche Namen und mythologische Personificationen, z. B. die zauberische Medea und die weissagenden und wandelbaren Meeresdämonen, Proteus und seine Tochter Eidothea und Theonoe und die Okeanine Eiduia d. i. die Wissende, die Mutter der Medea, auf einen verwandten Zusammenhang der Vorstellung zurückweisen. So wird auch wohl Metis, die Mutter der Athena, nicht ohne einen natürlichen Grund zum Geschlechte des Okeanos gezählt worden sein, zumal da die weitere Beschreibung des Wunders der Geburt auf Gewölk deutet, welches vom Himmel emporgehoben dessen Bauch füllt und unter Stürmen und Blitzen die jungfräuliche Göttin des lichten Himmels gebiert, die Göttin des strahlenden Aethers und seiner leuchtenden und blitzenden Allgewalt; daher Athena zugleich eine höchst intelligente und höchst kriegerische Gottheit ist. So werden in der Theogonie Aether und Hemera, der himmlische Glanz und die Tageshelle, von Erebos und Nyx geboren, in der Perseusmythe Chrysaor und Pegasos von der dunkeln Medusa, in der Titanomachie Nike vom Titanen Pallas und der Okeanine Styx, welche der Medusa und der Nacht nahe verwandt ist, wie Nike der Pallas Athena. Athena aber springt als kriegerische Blitz- und Siegesgöttin gleich in voller Rüstung aus dem Haupte des Zeus hervor, wie dieses besonders Stesichoros ausgeführt hatte389, mit strahlenden Waffen und mit der gezückten Lanze, wie die Palladien sie seit unvordenklicher Zeit darstellten, weil der Blitz, wie er aus der dunkelen Wetterwolke hervorzuckt, die erste Epiphanie des Lichtes und des Aethers und das von der Natur selbst an die Hand gegebene Bild von der Geburt des Lichtes ist. Athena ist deshalb die Göttin des Kriegessturmes, des unaufhaltsamen Andranges, wie alle ältere epische Dichtung immer vorzugsweise diese Seite an ihr hervorhebt. Doch ist sie nicht blos dieses wie Ares, sondern ihr höheres Wesen ist die tiefe unergründliche Klarheit und Reinheit des lichten Himmels, der über Wolken und Wetter gebietet, aber selbst dadurch nicht afficirt wird. Der Homerische Hymnus deutet dieses dadurch an daß jener gewaltige Aufruhr in der ganzen Natur bei ihm nur so lange dauert bis Athena ihre Waffen ablegt, worauf Zeus sich der Tochter erfreut d. h. der Himmel sich wieder aufheitert390: die Legende auf Rhodos, wo der Athenadienst der Stadt Lindos an Alterthum mit dem attischen wetteiferte, noch schöner dadurch daß Zeus bei der Geburt seiner Tochter einen goldenen Regen auf die Insel habe fallen lassen391, was wie bei der Geburt des Perseus nicht einen gewöhnlichen Regen, sondern die niederströmenden Ergießungen des ätherischen Lichtes bedeutet.
Aehnliche Vorstellungen liegen auch den übrigen Attributen und Symbolen der Pallas zu Grunde, besonders bei der Aegis und dem Gorgoneion. Denn die Aegis ist sowohl der Athena als dem Zeus eigen, das funkelnde Sturmschild der von Blitzen umleuchteten Donnerwolke s. oben S. 94. In der Ilias heißt es daß Athena die Aegis vom Zeus empfangen habe (5, 736 ff.) was dem Gedanken nach dasselbe ist als wenn Aeschylos Eum. 825 sagt, Athena allein wisse um die Schlüssel des Gemaches, in welchem der Blitz versiegelt liege392. Indessen ist die Aegis bei allen bildlichen Darstellungen ein noch wesentlicheres Attribut der Athena als des Zeus, und wie die geschwungene Lanze der Palladien den Blitz bedeutet, so wurde die Göttin auch in manchen Cultusbildern blitzschleudernd dargestellt, wie man sie auf makedonischen syrakusanischen und attischen Münzen und verschiedenen Gemmen sieht, und auch die Heldensage sie von dieser Seite kannte393. Was das Gorgoneion betrifft so gehörte auch dieses zur Aegis des Zeus, aber wesentlicher doch gleichfalls zu der der Athena, die es nach der gewöhnlichen d. h. der argivischen Sage vom Perseus empfangen, nach einer attischen (Eurip. Ion 987) selbst erworben hat, nachdem sie die Gorgo in der Gigantomachie getödtet hatte394. Ein Ungeheuer welches in der kosmogonisch gestimmten Perseussage an den nächtlichen Enden der Okeanischen Urfluth zu Hause ist, nach der attischen Sage dagegen von der Erde zum Beistande ihrer bedrängten Söhne, der Giganten erzeugt wurde. Seine ursprüngliche Bedeutung ist vermutlich die des Mondes als des Gesichtes der Nacht, nicht in der freundlichen und anmuthigen Gestalt einer Artemis oder Selene, sondern in der gleichfalls weit verbreiteten Auffassung einer unheimlichen, finstern und grausigen Macht gleich der Hekate oder der auch dem Namen nach verwandten Brimo d. h. der Schrecklichen395. Auch scheint Gorgo Medusa