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Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz
Читать онлайн.Название Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman
Год выпуска 0
isbn 9783740934606
Автор произведения Sissi Merz
Жанр Языкознание
Серия Dr. Brinkmeier Staffel
Издательство Bookwire
»Dann bin ich net krank? Gott sein Dank. Ich hab schon gefürchtet, ich müßte ins Austragshäusel ziehen«, scherzte er.
Max lachte. »So weit sind wir noch net. Aber deine nervösen Herzbeschwerden mußt durchaus auch ernst nehmen. Ich will dich noch mal gründlich untersuchen und dir auch Blut abnehmen. Wenn sich keine organischen Krankheiten herausstellen, dann kann ich dir nur raten, es ruhiger angehen zu lassen. Oder hast keinen, der den Hof mal für zwei Wochen allein führen könnte?«
»Doch, schon. Der Andi ist mir so lieb wie ein Sohn. Er ist ehrlich und fleißig. Und ich denk daran, ihm später mal den Hof zu überschreiben.«
»Na also. Das paßt sich doch perfekt. Dann machen wir jetzt noch die Untersuchungen. Leg dich bitt schön auf die Liege.«
»Sag mal, Doktor, was ist eigentlich dran an der Geschicht von dem Madl, das net weiß, wer es ist? Es heißt, so eine wohnt da bei dir im Doktorhaus«, merkte der Bichler ein wenig neugierig an, während Max ihm den Blutdruck maß.
»Das stimmt schon. Das Madl hat Schlimmes durchgemacht und deshalb sein Gedächtnis verloren.«
»Und was kann man dagegen tun?«
»Erstmal nix, nur abwarten. Der Stumpf versucht, herauszufinden, wer sie ist. Und bis dahin bleibt sie hier. Einen Menschen ohne Gedächtnis kann man schließlich nicht einfach sich selbst überlassen.«
»Schlimm ist das. So ein armes Ding.«
»Der Blutdruck ist in Ordnung. Jetzt mach mal eine Faust, ich brauch noch ein bisserl was von deinem Blut.« Dr. Brinkmeier warf dem Bauern einen fragenden Blick zu. »Sag, Bichler, kannst vielleicht eine Hilfe in der Küche gebrauchen? Mein Pflegling würde sich gerne ein bisserl nützlich machen. Sie will nicht nur hier herumsitzen und warten, das macht sie ganz narrisch. Und ich hab nix dagegen, wenn sie wo arbeiten mag.«
Der Bauer nickte spontan. »Freilich, ich werde meine Frau fragen. Eine Hilfe kann sie immer brauchen.«
»Das wär’ nett von dir. Vielleicht hilft ihr ein Ortswechsel dabei, ihre Erinnerungen wiederzufinden«, meinte der Landarzt nachdenklich und dachte dabei an die Fahrt zum Enzminger-Hof. Er hatte das Gefühl, daß seine Patientin da ganz nah dran gewesen war, sich zu erinnern. Auch wenn es dieses Mal noch nicht geklappt hatte, arbeitete die Zeit doch für sie. Irgendwann würde das Mädchen wieder alles wissen, wie schlimm die Erinnerung auch sein mochte.
*
Bereits zwei Tage später trat das namenlose Mädchen beim Bichler-Bauern in Dienst. Marie Bichler nahm sie freundlich auf und stellte schnell fest, daß ihre neue Kraft nicht nur fleißig war und von rascher Auffassungsgabe, sondern zudem eine ausgezeichnete Köchin. Die Bäuerin ließ dem Mädchen freie Hand am Herd, und bald hörte man am Mittagstisch nur lobende Worte. Vor allem die herrlichen Süßspeisen, die das Madl zaubern konnte, fanden reißenden Absatz. Sie freute sich und faßte bald Zutrauen zu den freundlichen Bichlers, die ihr gleich von Anfang an das Gefühl gaben, bei ihnen daheim zu sein.
Marie tauft das Madl »Eva«, um es rufen zu können, und sagte schon nach einer Woche zu ihrem Mann: »Die Eva ist ein echter Glücksgriff. So eine fleißige Kraft hab ich noch nie gehabt.«
»Warte ab, bis sie ihr Gedächtnis wiederfindet«, mahnte Thomas sie besonnen. »Vielleicht werden wir sie dann wieder los. Immerhin muß sie ja irgendwo daheim sein.«
Darauf antwortete Marie nichts. Doch wenn sie ganz ehrlich war, wäre es ihr am liebsten gewesen, wenn die Dinge so hätten bleiben können, wie sie nun waren. Und »Eva« dachte ebenso. Obwohl das Madl sich nicht an seine Vergangenheit erinnern konnte, ahnte es doch, daß es sich nie zuvor so wohl und heimisch gefühlt hatte. Auf dem Bichler-Hof erlebte sie, wie schön es war, wenn Menschen in Frieden und Harmonie beisammen lebten. Und das war etwas, das »Eva« nicht kannte.
Andreas Stamm, der Großknecht, war besonders nett zu ihr. Der fesche Bursch mit dem dunklen, welligen Haar und den ernsten grauen Augen hatte sich nämlich auf den ersten Blick in das schöne Mädchen verliebt. Eigentlich war Andreas, den alle nur Andi nannten, ein sehr ernster Mensch, für den seine Arbeit an erster Stelle stand. Er ging selten ins Wirtshaus und hielt auch nichts vom Poussieren. Bislang war es keinem Madl gelungen, das Herz des verschlossenen Burschen zu berühren. Doch »Eva« schien da eine Ausnahme zu bilden. Andi fühlte sich geradezu magisch zu ihr hingezogen. Wenn er sie sah, zeigte sich gleich ein Lächeln auf seinen markanten Zügen. Und wenn sie in seiner Nähe war, dann sah er nur sie, dann konnte er an gar nichts anderes denken. Eine Sehnsucht, die dem nüchternen Burschen bislang fremd gewesen war, regte sich da in seinem Brustkasten. Und der Wunsch, das schöne Madl immer an seiner Seite zu wissen, es zu beschützen und glücklich zu machen, der erfüllte ihn ganz.
Zunächst gab Andi sich noch zurückhaltend. Schließlich waren diese Gefühle auch für ihn neu und ein wenig verwirrend. Aber »Evas« nette und offene Art ermutigte ihn, sie mal zu einem Spaziergang am Abend einzuladen. Und als sie zusagte, da machte sein Herz einen so freudigen Hüpfer, wie er es bislang noch niemals erlebt hatte.
Marie Bichler schaute zufällig aus dem Fenster, als »Eva« und Andi gemeinsam den Hof verließen. »Ich glaub, da bahnt sich was an«, ließ sie ihren Mann wissen. »Der Andi scheint sich in unsere Neue verschaut zu haben. Mei, Thomas, wär’ das net schön, wenn aus den beiden ein Paar werden würde?«
»Du siehst wohl schon die nächste Generation auf dem Bichler-Hof, was?« scherzte der Bauer und fügte mit einem zufriedenen Schmunzeln hinzu: »Mir soll es nur recht sein.«
Allerdings konnte davon noch längst nicht die Rede sein, auch wenn es dem Großknecht ebenso zupaß gekommen wäre wie seinem Brotherren. Andi, der so gar keine Erfahrung im Umgang mit dem zarten Geschlecht hatte, schwieg eine Weile. Er wußte einfach nicht, was er sagen sollte.
»Eva« machte es ihm leicht. »Sag, Andi, wie lange bist denn jetzt schon beim Bichler in Dienst?«
»Seit fünf Jahren. Vorher hab ich bei einem Bauern drüben in Schlehbusch geschafft. Aber das war net das Richtige.«
»Du bist noch recht jung für einen Großknecht, oder?«
»Mag sein. Aber der Bauer vertraut mir und ist mit meiner Arbeit zufrieden. Ich denk, darauf kommt es an.«
»Ja, da hast wohl recht.« Sie lächelte ihm ein wenig zu.
»Ich... würde dich gern was fragen. Mußt fei net antworten, wennst net willst, nur... Ich kann mir so gar net vorstellen, wie das ist, wenn man sich an nix erinnern kann. Verstehst?«
»Sicher. Ich find es ja auch seltsam. Wenn ich morgens aufwache, denn mein ich, daß ich immer schon hier gewesen bin. Es kommt mir so... unwirklich vor, daß ich woanders gelebt haben soll. Und dann...« Sie lächelte unsicher. »Ich wünsche mir dann, daß mein Gedächtnis net zurückkehrt. Narrisch, gelt?«
Andi schüttelte den Kopf. »Das finde ich nicht. Wennst dich hier wohl fühlst, wieso solltest dir dann wünschen, daß es wieder anders wird? Vielleicht mußt ja fort, wenn du dein Gedächtnis wiederfindest. Und das... Ja, mei, das würde mir auch net schmecken. Seit du hier bist, Eva, da gefällt es mir auf dem Bichler-Hof gleich noch mal so gut.« Er senkte den Kopf und wich ihrem forschenden Blick aus.
»Ich will auch net fort von hier«, sagte sie leise. »Nur manchmal kann man es sich nicht aussuchen.«
»Aber du bist doch erwachsen! Du kannst leben, wo du willst. Und wennst hier bleiben magst, dann solltest das auch tun!«
»Ja, vielleicht hast recht.« Sie schaute ihn von der Seite an und fügte noch hinzu: »Wenn man sich sein Leben so einrichten kann, wie man möchte, das ist schon ein großes Glück.«
Andi nickte nur stumm. Sie waren einem Feldweg gefolgt, der Richtung Zauberwald führte. Mittlerweile senkte sich die Abenddämmerung über das Land. Der Himmel, der den ganzen Tag mit