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eine in Weimar erscheinende Publikation, ist naturgemäß nur mit fremden Blättern, vorzüglich von Gillray, Cruikshank, Rowlandson ausgestattet. Die Schweizer Heß und Duncker sind die Hauptkünstler der politischen Zeichnung der Revolutionszeit. David Heß (1770–1843) steht im Stil ganz unter dem Einfluß der Engländer und hat selbst später an der Manier seiner Jugend festgehalten; und doch muß man ihn zu den befähigtsten deutschen Zeichnern der Epoche zählen. Die »Hollandia Regenerata« (London 1799) befaßt sich mit der Verspottung der französischen Revolution und ihrer Errungenschaften. Sie ist von dem giftigen Witz, jener uns abstoßenden Gefühlsroheit, die auch noch der politischen Karikatur im napoleonischen Zeitalter eigen ist; aber gerade durch ihre scharfe Gehässigkeit, durch Wut und Verachtung wirken diese Blätter noch heute auf uns, besonders da sie auch zeichnerisch nicht uninteressant sind und den Engländern das manierierte, ausdrucksvolle Mienenspiel, die übertriebene Bewegung und das Dramatische des Vorganges gut abgelauscht haben. Diese Blätter sind verkleinert den deutschen Revolutionsalmanachen in Stichen von Schubert und Riepenhausen beigegeben und hier mit langen Erklärungen ad usum Delphini des deutschen Kleinbürgers zugeschnitten worden. In den Almanachen verstreut finden wir hie und da Karikaturistisches, doch wie mager diese Ernte ausfällt, zeigen am besten »Falks Taschenbücher für Freunde des Scherzes und der Satire«, die alles in allem herzlich matt sind. In Berlin sind es Funke und Niegelsohn, die hin und wieder ein Blatt gegen die Revolution nach englischen Vorbildern auf den Markt bringen. Während in der Litteratur der englische Roman, das französische Lustspiel bald verdrängt wurden, ist gerade in unserem Feld nur Nachahmung zu finden; oder die eigenen Erzeugnisse sind von so plumper Form, so handwerksmäßiger Mache, daß es sich kaum lohnt, auf sie hinzuweisen. Und doch lebt unter der Jahrmarktsware, den Neujahrswünschen (Abb. 2), den Blättern mit Ermahnungen, mit symbolischer Darstellung der Laster, der Kleinen wie der Großen, der Moden wie der Sitten, noch etwas wie ein Rest der alten Kraft. Künstlerisch bieten sie uns heute nichts mehr, und besonderen Witz können wir ihnen nicht nachsagen, und doch ist ein Etwas an ihnen, eine Unbefangenheit, die uns gewinnt. — Ein häufiges Motiv ist der arme Podagräer, der schon von Dürer und Hans Sachs her immer wieder daran glauben muß. Alles verhöhnt den alten Sünder, und gibt er seiner schlimmen Laune Worte, erscheint er erst recht jämmerlich und willenlos.

      

      Abb. 17. Wellington und Napoleon I. 1814. Nach Cruikshank.

      Mich ärgert jetzt vor Schmerz die Fliege an der Wand,

       Und da ich fressen will, bin ich es nicht im Stand'.

      

      

      Abb. 18. J. M. Volz: »Da habe ich einen netten Bock geschossen.« (Verkleinert.)

      

      Abb. 19. Napoleonskarikatur von 1815.

      Einen weiteren Grund zur Heiterkeit geben altmodische Typen von Ärzten, gelahrten Herren, Bramarbassen, deren Kleidung und Gebaren, deren originell ernste, aufgeblasene Wichtigkeit den Spott weckt. Man schafft Gestalten, wie den Horribilescribifax oder den »achtbaren und übernatürlich studierten Herrn Vergilius Physicgangius von Grillenberg«, der in sehr »tiefen Spekulationen und Meditationen wohlbedächtig und gemächlich die Straße betritt«. Diese Blätter stammen meistenteils aus Augsburger Offizinen. Oder wir bewundern in der Sammlung »Nürnberger Schimpfwörter« (Nürnberg um 1790) den großen Reichtum an fraglichen Schmeichelworten, mit denen der lebhafte Franke seinen Mitmenschen zu bedenken liebt. Die Figürchen (Abb. 3, 4, 5) sind, wenn auch künstlerisch wertlos, so doch ganz lustig und geschickt ersonnen und geben gut und klar das Gewollte. Ganze Bilderfolgen erzählen von den Übelständen, die daraus erwachsen, wenn alte Männer junge Frauen, oder wenn umgekehrt junge Männer sich mit alten Frauen ehelich verbinden. Wie bescheiden dieser Witz! Bescheiden, wie die Ansprüche des damaligen Lustspiels, und sicherlich hat das Lustspiel hier Pate gestanden. Das beigegebene Blatt (Abb. 6) stammt aus dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts und zeigt deutlich französischen Einfluß. Es ist farbig, handkoloriert in zarten Tönen, in allem ein treffliches Charakteristikum der Zeit. Das Verhältnis der Menschen zur Landschaft — den Horizont in Höhe der Kniee — kann nur die Bühne gegeben haben: Schauspieler, die vor einer Kulisse stehen. Die Köpfe sind klein, die Körper überschlank und wie zugespitzt nach unten hin. Jede Stellung hat etwas Bewußtes, Ausgeprobtes, und gar der Amant mit den zu kurzen Armen und dem Tanzmaîtreschritt ist vollends der jugendliche Liebhaber jener Zeit. Diese ganze gezierte Theatergrazie wirkt doch in ihren einfachen, geraden Linien, ihrer steifen Koketterie ungemein zart und gefällig. Andere Blätter zeigen den Tod des Herrn Kredit, wieder andere kehren sich gegen die Verderblichkeit des Lottospiels, aber besonders zahlreich sind doch die, welche sich gegen die neue Reifrock-Methode und die neue Haarfrisur, die Toupets, wenden. Allen ist das gemein, daß sie das Bildliche durch langatmige, eingehende Erklärungen unterstützen, und dadurch wird das Beste den Blättern genommen: ihre Wirkung durch sich selbst. Auch in Almanachen werden die Karikaturen mit breiter Geschwätzigkeit übergossen, und da sie vielfach noch an einer Überlastung mit Figuren leiden, von denen jede ihre Bedeutung haben soll, wirken sie durch dies Vielzuviel heute zerrissen und unerfreulich. In Lavaters »Physiognomik« findet die Karikatur reichlich Berücksichtigung. Ja, jene Art, sich aus Tierköpfen durch langsame Umformung Menschengesichter von bestimmtem Charakter zu konstruieren, hat sich bis heute in den deutschen Witzblättern als ein unschuldiges, humorloses Spiel mit den Formen bewahrt. Lavater stellte Regeln für die Karikatur auf und wandte sich besonders gegen die Künstler im Sinne Hogarths, welche von dem eine Karikatur schufen, was in der Natur schon Karikatur war. Ihm scheint die Karikatur als das Widerspiel des Häßlichen im Schönen, so z. B. sieht er sie in einer hervorragenden, unförmigen Nase in einem sonst edlen Gesicht; die Auffassung seiner Zeit mag hierin ausgesprochen sein (stellt doch François Grose in seinen Principes de caricature [Leipzig ohne Jahr] sogar wissenschaftlich in Tafeln auf, wie man Karikaturen zeichnen müßte, indem er in Kreise, Kreisbogen, Dreiecke Gesichter mit verdrehten, verdrückten Gesichtsteilen, mit schiefen Augen, übermäßigern Mäulern einzwängt und so nur eine Deformation erreicht, die uns mehr peinlich und bedrängend, als lächerlich erscheint) — mit unseren heutigen Begriffen deckt sich das keinesfalls. Auch die Fragen der Wissenschaft regen nur wenig die Spottlust der Zeichner an. Nur die Lavatersche Physiognomik und später die Gallsche Schädellehre sind es, die hier heftige Angriffe erfahren. War es Lichtenberg, der Lavaters überschätzte Theorien zusammenstürzen ließ, so ist es vorzüglich zeichnerische Karikatur, welche sich energisch gegen die schwindelhafte Ausbeutung der Gallschen Lehre auflehnte. Unsere Abb. 8 zeigt Gall auf der Bühne erklärend; die Eintretenden haben ihren Eintritt teuer genug an den Schädelkassen erkaufen müssen. Der Freimütige rührt die Trommel der Reklame, der Harlekin schwingt das Panier des neuen Jahrhunderts und weist auf den Gelehrten.

      

      Abb. 20. J. M. Volz: Spottbild auf den russischen Feldzug.

      Nicht einmal das so reiche litterarische Leben, welches in Travestien, Parodien, Litteraturkomödien sein Gegenspiel findet, erweckt die Karikatur; selbst der Xenienkampf bietet nur ein Blatt von Bedeutung. Es ist den »Trogalien zur Verdauung der Xenien von Christian Fürchtegott Fulda« beigegeben und stellt einen Zug von Narren und Gesindel dar, welcher an den Thoren Jenas Einlaß begehrt. Schiller mit Hetzpeitsche und Flasche klammert sich an den Schwanz des Satyr-Goethe, der gehörnt, bocksfüßig, einen Ring mit dem Wort »Tierkreis« in die Höhe hält (s. Flögel »Atlas der grotesken Komik«). Auch einen anderen Punkt greift die Karikatur jener Zeit häufig an: es ist das übertriebene, reich und vielfach ausgebildete Ceremoniell des gesellschaftlichen Umgangs,

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