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Aber sie konnte doch auch nicht so tun, als sei die Welt zwischen ihnen noch in Ordnung.

      Umarmen würde sie sich von ihm lassen, aber küssen … Sie konnte nicht zulassen, dass er sie küsste, um ihm danach zu sagen – April … April …

      Welch vertrackte Situation!

      Bettina ertappte sich dabei, wie sie wieder zur Kaffeemaschine wanderte, doch da zwang sie sich, innezuhalten. Sich mit starkem Kaffee zuzuschütten, das war doch keine Lösung. Sie sollte sich vielmehr Gedanken darüber machen, ob sie schon den Frühstückstisch mit allem, was dazugehörte, decken sollte. Oder würde Jan das alles, was ihm wie ein Hohn erscheinen musste, wütend vom Tisch fegen?

      Also erst nach dem Frühstück mit der Wahrheit herausrücken?

      Und inzwischen?

      Wenn er sie küssen wollte und nicht nur das …?

      Na ja, das Geschirr konnte sie ja schon mal auf den Tisch stellen, den Brotkorb auch. Sie musste ja nicht ihr allerbestes Porzellan dazu nehmen …

      Stop!

      Was für einen Schwachsinn dachte sie da? Hatte sie zu viele schlechte Filme gesehen?

      Jan van Dahlen war doch keiner, der Geschirr zertrümmerte. Der konnte zertrümmern, aber mit Worten, mit geschliffenen Worten, die so waren wie Glas.

      Sie stellte das Porzellan auf den Tisch, das ihm gefiel, dazu das Besteck ihrer Urgroßmutter, und dann holte sie hübsche Servietten aus einer Schublade. Der Strauß mit den bunten Sommerblumen vervollkommnete das Bild. Und sie war gerade mit der Begutachtung ihres Werkes fertig, als sie hörte, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Klar, Jan hatte ja einen Schlüssel und eilige Schritte näherten sich der Küche, deren Tür Bettina vorsichtshalber offen gelassen hatte. Und dann stand Jan vor ihr.

      Wie auch Jörg, war er starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt gewesen.

      Seine Haut wirkte wie gegerbt, und es hatten sich einige Falten in sein Gesicht eingegraben. Doch was bei einer Frau hysterische Anfälle auslöste, ging an einem Mann vorüber, und was eine Frau alt aussehen ließ, machte einen Mann interessant. So war es nun mal.

      Jan sah phantastisch aus!

      Er trug eine seiner unvermeidlichen Lederjacken, die für ihn so etwas wie eine zweite Haut waren, eine Jeans und ein Hemd mit offenem Kragen.

      »Da bin ich, meine Schöne.«

      Er riss sie in seine Arme, seine Lippen näherten sich unaufhaltsam ihrem Mund, bereit, sie voller Leidenschaft und Verlangen zu küssen.

      Das durfte nicht sein!

      Bettina riss sich los, machte einen Schritt zur Seite, stieß gegen einen Stuhl, der polternd zu Boden krachte.

      Er bückte sich, stellte den Stuhl an seinen Platz.

      »He, was soll das? Hast du irgendwelche Sanktionen gegen mich verhängt so nach dem Motto – erst ein Kniefall oder so was?«

      Sie stand wie versteinert da, antwortete nicht.

      »Mein Gott, Bettina, so ein Gezicke passt doch überhaupt nicht zu dir … Schön, ich habe mich ein bisschen daneben benommen. Ich hätte vielleicht erst mal hierher, kommen sollen. Aber das wären zwei, drei Tage gewesen, dann wäre ich sowieso wieder gefahren. Wir sind doch erwachsene Menschen und vernünftige dazu. Wegen dieser zwei, drei Tage bist du doch jetzt nicht wirklich sauer, oder?«

      »Nein, Jan, darum geht es nicht. Willst du nicht erst mal einen Kaffee trinken? Oder frühstücken? Wir reden hinterher darüber.«

      Ja, das war eine gute Idee, dadurch gewann sie Zeit.

      Er blickte sie prüfend an.

      »Ehrlich gesagt hätte ich mir unser Wiedersehen ein bisschen anders vorgestellt. Du bist vor mir zurückgewichen, als habe ich eine ansteckende Krankheit. Also los, was ist?«

      Ihm konnte man nichts vormachen.

      Sie schluckte.

      »Dann setz dich doch wenigs­tens erst mal, Jan … Kaffee?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Keinen Kaffee, zuerst die Wahrheit. Du bist sauer und erwartest von mir eine Entschuldigung …, nur, ich weiß nicht, wofür. Du kennst mich, weißt, welchen Job ich habe. Wenn sich mir etwas Großes auftut, dann muss ich mein Privatleben hintenanstellen. Und das war Großes. So was lässt man sich nicht entgehen, das war mein Traum seit vielen Jahren. Und mit Gordon Mortimer zusammen arbeiten zu dürfen, weißt du, was das bedeutet? Das ist so was wie ein Sechser im Lotto … Kein Anderer kennt sich in der Sahara aus wie er. Wir haben Grandioses erlebt, und unser gemeinsamer Bildband wird ein Traum.«

      »Für den ihr bestimmt wieder eine Auszeichnung bekommen werdet, ach, was rede ich da, es wird Auszeichnungen und Preise regnen.«

      Er winkte ab, und da bemerkte Bettina, dass er seinen Verlobungsring nicht trug. Hatte er ihn überhaupt jemals getragen?

      Sie wusste es nicht, denn er hatte ihr den Verlobungsring nicht an den Finger gesteckt, sondern per Eilboten zugesandt.

      »Ich habe genug Preise bekommen«, bemerkte er. »Deswegen habe ich es wahrhaftig nicht gemacht, da geht es um mehr … Aber sag mal, warum rechtfertige ich mich jetzt eigentlich? Das ist doch alles Schwachsinn … Komm, schmolle nicht länger, sei ein braves Mädchen. Ich verspreche dir auch, erst mal für einige Zeit in Fahrenbach zu bleiben … Komm, lass dich endlich küssen … Wie sagte Klaus Kinski noch? Ich bin wild auf deinen Erdbeermund.«

      Er machte Anstalten, sich ihr zu nähern.

      »Nein«, rief sie, und das klang beinahe panisch.

      »Nein?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein, Jan …«

      Sie musste jetzt die Katze aus dem Sack lassen und konnte nicht auf den richtigen Augenblick warten. Denn – was war der richtige Augenblick? Gab es den in dieser Situation überhaupt?

      »Jan …«, es fiel ihr so schwer, die nächsten Worte auszusprechen, doch es musste sein. »Jan …, es hat sich einiges verändert.«

      Er ahnte wirklich nichts, und obwohl er sie ansah, ihre auf dem Tisch liegenden Hände, die nervös mit der Serviette herumspielten, sah er auch nicht, dass sie den schmalen Platinring nicht mehr trug, ihren Verlobungsring.

      »Also bist du doch sauer«, sagte er. »Mein Gott, Bettina, kann ich mich so in dir getäuscht haben? Bist du auch eine von den Frauen, vor denen man einen Kniefall machen muss, einen Stepptanz, ehe sie sich versöhnlich zeigen?«

      »Nein, Jan«, sie schrie es fast.

      Irritiert blickte er sie an.

      »Warum bist du dann so komisch?«

      »Jan, ich bin nicht komisch, ich weiß nur nicht so recht, wie ich es dir sagen soll, ohne dich zu verletzen.«

      So, das war schon mal ausgesprochen.

      »Mich verletzen? Aber meine Schöne, das kannst du doch überhaupt nicht, dafür bist du ein viel zu guter Mensch … Meine kleine Mutter Teresa, immer für alle da, immer darauf bedacht, gut zu sein. Komm, hör auf in Rätseln zu sprechen, ich bin schon groß, ich kann die Wahrheit vertragen.«

      Diese auch?, dachte Bettina für einen Moment, ehe sie tief Luft holte und sich endlich traute, die Wahrheit auszusprechen, um die sie herumgeeiert war wie die Katze um den heißen Brei.

      »Jan, es hat sich viel verändert während deiner Abwesenheit. Ich bin …, ich bin …, ich bin wieder mit Thomas zusammen, wir werden heiraten.«

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte er sie an.

      »Du bist was? Bitte sag, dass das nicht wahr ist … Mit diesem Mann warst du doch fertig, wolltest nichts mehr mit ihm zu tun haben. Was hat, zum Teufel, diesen Sinneswandel ausgelöst, kannst du mir das verraten?«

      Sie

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