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Sie ver­lief von Sie­ben­bür­gen in die Bu­ko­wi­na und über­quer­te da­bei einen Kamm der Ost­kar­pa­ten. <<<

      6 im­mer­grü­ner Baum <<<

      7 Sli­wo­witz, ei­gent­lich Sli­vo­va Ra­ki­ja ist die ge­bräuch­li­che Be­zeich­nung für eine Ra­ki­ja (Obst­brand) aus Pflau­men. Der Name ist vom sla­wi­schen Wort sli­wa für Pflau­me ab­ge­lei­tet. <<<

ZWEITES KAPITEL

      (Fort­set­zung)

      5. Mai – Ich muss ge­schla­fen ha­ben; denn wenn ich wach ge­we­sen wäre, müss­te es mir doch auf­ge­fal­len sein, dass wir uns ei­nem so selt­sa­men Plat­ze nä­her­ten. In der Dun­kel­heit schi­en der Schloss­hof von be­trächt­li­cher Grö­ße; dass meh­re­re Wege von ihm aus un­ter mäch­ti­ge run­de Tor­we­ge führ­ten, ließ ihn viel­leicht noch grö­ßer er­schei­nen, als er wirk­lich war. Ich habe ihn bis heu­te noch nicht bei Tage ge­se­hen.

      Als der Wa­gen hielt, stieg der Kut­scher ab und reich­te mir die Hand, um mir beim Aus­s­tei­gen be­hilf­lich zu sein. Ich muss­te wie­der­um die Stär­ke be­wun­dern, die in die­ser Hand lag; sie schi­en wie eine Stahl­zan­ge, die mei­ne Hand leicht zer­drückt hät­te, wenn der Be­sit­zer woll­te. Dann nahm er mei­ne Kof­fer her­aus und stell­te sie ne­ben mich auf den Bo­den. Ich be­fand mich vor ei­nem großen, al­ten Tore, das mit Ei­sen be­schla­gen und in einen stark aus­la­den­den Tor­bo­gen von mas­si­vem Stein ein­ge­las­sen war. Ich konn­te bei dem zwei­fel­haf­ten Lich­te er­ken­nen, dass der Stein roh be­hau­en war, dass aber die Ver­zie­run­gen von Zeit und Wet­ter schon stark ge­lit­ten hat­ten. Als al­les aus­ge­la­den war, schwang sich der Kut­scher wie­der auf den Bock, zog die Zü­gel an und ver­schwand dann mit Wa­gen und Pfer­den in ei­nem der mäch­ti­gen schwar­zen Tor­bo­gen.

      Ich blieb schwei­gend auf mei­nem Plat­ze ste­hen, denn ich wuss­te nicht, was tun. Von Glo­cke oder Klop­fer kei­ne Spur; durch die­se dro­hen­den Mau­ern und dunklen Fenster­höh­len hät­te auch mei­ne Stim­me kei­nen Ein­gang ge­fun­den. Die Zeit, die ich zum War­ten ver­ur­teilt war, schi­en mir end­los und ich merk­te, wie Furcht und Zwei­fel in mir auf­stie­gen. Wo­hin war ich ge­ra­ten und un­ter was für Leu­te? Auf wel­ches un­heim­li­che Aben­teu­er hat­te ich mich da ein­ge­las­sen? War das ein nor­ma­ler Fall im Le­ben ei­nes An­walt­schrei­bers, der hin­aus­ge­schickt wur­de, um über den An­kauf ei­nes Lon­do­ner Grund­be­sit­zes durch einen Frem­den mit die­sem zu un­ter­han­deln? Üb­ri­gens »An­walt­schrei­ber« – Mina hört das nicht ger­ne. Aber An­walt! – denn eben als ich Lon­don ver­las­sen woll­te, hat­te ich noch in Er­fah­rung ge­bracht, dass ich mein Ex­amen be­stan­den hat­te; ich bin also nun wohl­be­stall­ter An­walt. Ich be­gann mei­ne Au­gen zu rei­ben und mich selbst zu knei­fen, um zu se­hen, ob ich denn wirk­lich wach wäre. Es schi­en mir al­les wie ein häss­li­cher Traum und ich er­war­te­te, plötz­lich auf­zu­wa­chen und zu Hau­se zu lie­gen und durch die Fens­ter in den fah­len Schein des Mor­gens zu star­ren, wie es mir manch­mal in Zu­stän­den der Über­ar­bei­tung pas­siert war. Aber mein Fleisch emp­fand den knei­fen­den Schmerz und mei­ne Au­gen sa­hen klar. Ich war also wirk­lich wach und mit­ten in den Kar­pa­ten. Al­les, was mir zu tun üb­rig blieb, war, mich zu ge­dul­den und den An­bruch des Ta­ges zu er­war­ten.

      Als ich eben zu die­sem Ent­schlus­se ge­langt war, hör­te ich einen schwe­ren Schritt in­ner­halb des To­res und sah durch die Rit­zen ein Licht sich nä­hern. Dann ver­nahm ich das Ras­seln von Ket­ten und das Dröh­nen mas­si­ver Tür­rie­gel, die zu­rück­ge­scho­ben wur­den. Ein Schlüs­sel dreh­te sich laut krei­schend in dem schein­bar sel­ten be­nut­zen Schlüs­sel­loch, und das große Tor ging auf.

      In­ner­halb des­sel­ben stand ein hoch­ge­wach­se­ner al­ter Mann, glatt ra­siert, mit ei­nem lan­gen wei­ßen Schnurr­bart und schwarz ge­klei­det vom Kopf bis zu den Fü­ßen; kein hel­ler Fleck war an ihm zu se­hen. In der Hand hielt er eine al­ter­tüm­li­che sil­ber­ne Lam­pe, auf der ohne Zy­lin­der oder Schirm eine Flam­me brann­te, sie warf lan­ge, zit­tern­de Schat­ten in der Zug­luft des of­fe­nen To­res. Der alte Mann lud mich durch eine ver­bind­li­che Ges­te mit der Rech­ten ein, nä­her zu tre­ten und sag­te in vor­züg­li­chem Eng­lisch, aber mit ei­nem fremd­ar­ti­gen Ak­zent:

      »Will­kom­men hier in mei­nem Hau­se! Tre­ten Sie frei und frei­wil­lig her­ein!« Er mach­te kei­ne Be­we­gung, um mir ent­ge­gen­zu­ge­hen, son­dern stand starr wie eine Sta­tue, als hät­te ihn sein Will­kom­mens­gruß in Stein ver­wan­delt. In dem Au­gen­blick aber, da ich die Schwel­le über­schrit­ten hat­te, trat er rasch auf mich zu, er­griff mei­ne Hand und drück­te sie der­ma­ßen, dass ich zu­sam­men­zuck­te; da­bei war die Hand so kalt wie Eis, mehr wie die ei­nes To­ten als ei­nes Le­ben­den. Dann sag­te er:

      »Will­kom­men in mei­nem Hau­se. Kom­men Sie frei her­ein. Ge­hen Sie ge­sund wie­der und las­sen Sie et­was von der Freu­de zu­rück, die Sie mit her­ein­ge­bracht ha­ben!« Die Stär­ke des Hand­druckes er­in­ner­te mich der­ma­ßen an den ei­ser­nen Griff des Kut­schers, des­sen Ge­sicht ich ja nicht ge­se­hen hat­te, dass ich einen Mo­ment glaub­te, er und der Mann, mit dem ich jetzt sprach, sei­en ein und die­sel­be Per­son; ich frag­te also, um si­cher zu ge­hen: »Graf Dra­cu­la?« Er ver­beug­te sich höf­lich und er­wi­der­te:

      »Ich bin Dra­cu­la und be­grü­ße Sie, Herr Har­ker, in mei­nem Hau­se. Kom­men Sie her­ein, Sie be­dür­fen des Es­sens und der Ruhe, die Nacht­luft ist recht kühl.« Wäh­rend er so sprach, stell­te er die Lam­pe auf eine klei­ne Kon­so­le an der Wand und nahm mein Ge­päck; er hat­te es her­ein­ge­tra­gen, noch ehe ich ihn dar­an hin­dern konn­te. Ich er­hob Ein­spruch, er aber sag­te ent­schie­den:

      »Bit­te, Sie sind mein Gast. Es ist schon spät und mei­ne Die­ner­schaft ist nicht mehr ver­füg­bar. Las­sen Sie also mich für Ihre Be­quem­lich­keit sor­gen.« Er trug tat­säch­lich mei­ne Kof­fer durch den Tor­weg, dann eine stei­le Wen­del­trep­pe hin­auf, schließ­lich durch einen lan­gen Kor­ri­dor, auf des­sen Stein­flie­sen un­se­re Schrit­te dumpf wi­der­hall­ten. Am Ende die­ses Kor­ri­dors öff­ne­te er eine schwe­re Türe, und ich sah auf ein hel­ler­leuch­te­tes Zim­mer, in dem ein ge­deck­ter Tisch zum Abend­brot be­reit stand, wäh­rend in dem mäch­ti­gen Ka­min ein großes Holz­feu­er flamm­te und knis­ter­te. Der Graf blieb ste­hen, stell­te mein Ge­päck nie­der und zog die Türe hin­ter sich zu; dann schritt er durch das Zim­mer, öff­ne­te eine zwei­te Türe, die in ein klei­nes acht­e­cki­ges, schein­bar fens­ter­lo­ses Ge­mach führ­te, das nur von ei­ner ein­zel­nen Lam­pe er­leuch­tet wur­de. Jen­seits des­sel­ben öff­ne­te er eine wei­te­re Tür und bat mich ein­zu­tre­ten. Es bot sich mir ein will­kom­me­ner An­blick: ein großes, gut er­leuch­te­tes Schlaf­zim­mer, das von ei­nem um­fang­rei­chen Ka­min, in dem eben­falls ein Holz­feu­er laut pras­selnd brann­te, an­ge­nehm durch­wärmt wur­de. Der Graf brach­te mein Ge­päck und sag­te, die Türe zu­zie­hend: »Sie wer­den nach Ih­rer Rei­se sich wa­schen und Toi­let­te ma­chen wol­len. Ich den­ke, Sie fin­den al­les nach Wunsch. Wenn Sie fer­tig sind, dann kom­men Sie bit­te in das an­de­re Zim­mer, wo das Abend­brot Ih­rer war­tet.«

      Das Licht, die Wär­me und des Gra­fen

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