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Ich muss den Gra­fen dar­über be­fra­gen).

      Den gan­zen Tag bum­mel­te der Zug durch eine äu­ßerst reiz­vol­le Ge­gend. Manch­mal sa­hen wir klei­ne Sch­lös­ser und Tür­me auf stei­len Hü­geln, ganz wie man sie in al­ten Chro­ni­ken ab­ge­bil­det sieht; zu­wei­len pas­sier­ten wir Flüs­se und Bä­che, die, nach den brei­ten Ge­röll­strei­fen auf bei­den Sei­ten zu schlie­ßen, wohl häu­fig aus ih­ren Ufern tre­ten.

      Auf je­der Sta­ti­on lun­ger­ten grö­ße­re oder klei­ne­re Grup­pen von Ein­ge­bo­re­nen in al­len mög­li­chen Trach­ten her­um. Ei­ni­ge von ih­nen gli­chen ganz den Bau­ern, wie ich sie zu Hau­se oder auf mei­ner Rei­se durch Deutsch­land und Frank­reich sah. Kur­ze Ja­cken, run­de Hüte und Ho­sen aus haus­ge­web­tem Tuch. An­de­re sa­hen wie­der sehr ma­le­risch aus. Die Frau­en mach­ten einen hüb­schen Ein­druck, je­doch nur in der Ent­fer­nung, denn sie wa­ren sehr plump um die Hüf­ten. Sie hat­ten alle wei­te Är­mel; die meis­ten von ih­nen tru­gen brei­te Gür­tel, von de­nen Strei­fen her­un­ter­flat­ter­ten, wie Bal­lett­klei­der, nur hat­ten sie un­ter die­sen ohne Zwei­fel Un­ter­rö­cke. Am selt­sams­ten sa­hen die Slo­wa­ken aus, bar­ba­ri­scher als alle an­de­ren, mit ih­ren mäch­ti­gen Cow­boy­hü­ten, wei­ten schmut­zig wei­ßen Plu­der­ho­sen und un­ge­heue­ren, schwe­ren, fast einen Fuß brei­ten Le­der­gür­teln, die über und über mit Mes­singnä­geln be­setzt wa­ren. Sie tru­gen hohe Stie­fel, in wel­che sie die Ho­sen ge­steckt hat­ten, und zeich­ne­ten sich durch lan­ges schwar­zes Haar und große schwar­ze Schnurr­bär­te aus. Sie ma­chen zwar einen ma­le­ri­schen, aber nicht sehr ver­trau­en­er­we­cken­den Ein­druck. Auf den Sta­tio­nen hock­ten sie bei­ein­an­der wie ori­en­ta­li­sche Räu­ber­ban­den, sind aber, wie mir ge­sagt wur­de, äu­ßerst harm­los und selbst­zu­frie­den.

      Graf Dra­cu­la hat­te mir ge­ra­ten, im Ho­tel Gol­de­ne Kro­ne zu über­nach­ten, ei­nem Haus nach al­tem Stil – zu mei­ner Freu­de, da ich so viel als mög­lich von dem se­hen woll­te, was das Land bie­tet. Ich wur­de of­fen­bar er­war­tet, denn als ich ein­trat, traf ich eine äl­te­re, gut­mü­tig aus­se­hen­de Frau in dem ge­wöhn­li­chen lan­des­üb­li­chen Ko­stüm. Wei­ßes Un­ter­kleid mit lan­ger dop­pel­ter, hin­ten und vor­ne her­un­ter­hän­gen­der Schür­ze aus bun­tem Tuch, die al­ler­dings zu knapp an­lag. Als ich nä­her trat, mach­te sie einen Knix und sag­te »Der Herr Eng­län­der?«

      »Ja«, sag­te ich, »Jo­na­than Har­ker.« Sie lä­chel­te und gab ei­nem ält­li­chen Mann in wei­ßen Hem­d­är­meln, der ihr bis zur Türe ge­folgt war, einen Auf­trag. Er ging, kam aber gleich dar­auf mit ei­nem Brie­fe in der Hand wie­der zu­rück:

      Mein Freund! Will­kom­men in den Kar­pa­ten. Ich er­war­te Sie mit Un­ge­duld. Schla­fen Sie wohl für heu­te. Um drei Uhr mor­gens geht die Post­kut­sche nach der Bu­ko­wi­na, ein Platz ist für Sie re­ser­viert. Am Bor­gópass wird mein Wa­gen Sie er­war­ten und zu mir brin­gen. Ich hof­fe, dass Sie eine gute Rei­se von Lon­don bis hier­her hat­ten und dass Sie sich Ihres Auf­ent­halts in mei­ner herr­li­chen Hei­mat freu­en mö­gen.

      Ihr Freund Dra­cu­la.

      4. Mai. – Ich brach­te in Er­fah­rung, dass der Wirt einen Brief des Gra­fen er­hal­ten hat­te, der ihn be­auf­trag­te, den bes­ten Platz in der Post­kut­sche zu be­le­gen; als ich ihn über De­tails aus­fra­gen woll­te, wur­de er je­doch zu­rück­hal­tend und gab vor, mein Deutsch nicht zu ver­ste­hen. Das konn­te nur eine Aus­re­de sein, denn bis­her hat­te er es ver­stan­den; we­nigs­tens schi­en es so, denn auf alle mei­ne Fra­gen war mir stets eine ge­naue Ant­wort zu­teil­ge­wor­den. Er und sei­ne Frau, die alte Dame, die mich emp­fan­gen hat­te, sa­hen sich er­schro­cken an. Als ich ihn frag­te, ob er den Gra­fen Dra­cu­la ken­ne und mir et­was von des­sen Schloss er­zäh­len wol­le, be­kreu­zig­ten sich bei­de und bra­chen ein­fach das Ge­spräch ab, in­dem sie sag­ten, sie wüss­ten nichts da­von. Das Geld wäre in ei­nem Brie­fe ge­sandt wor­den, das wäre al­les. Es war nur mehr we­nig Zeit bis zur Abrei­se, so­dass ich nicht mehr fra­gen konn­te; üb­ri­gens war die Sa­che recht ge­heim­nis­voll und we­nig er­freu­lich für mich.

      Kurz be­vor ich weg­ging, kam die alte Dame zu mir aufs Zim­mer und sag­te in hys­te­ri­schem Tone: »Müs­sen Sie denn hin­ge­hen, jun­ger Herr? Müs­sen Sie denn wirk­lich ge­hen?« Sie war der­ma­ßen er­regt, dass sie das we­ni­ge Deutsch, das sie konn­te, ver­ges­sen zu ha­ben schi­en, denn sie misch­te es mit Wor­ten ei­ner an­de­ren Spra­che, die ich ab­so­lut nicht ver­stand. Ich konn­te ihr nur so­weit fol­gen, um zu er­ken­nen, dass sie Fra­gen stell­te. Als ich ihr aber sag­te, dass ich ge­hen müs­se und dass wich­ti­ge Ge­schäf­te mich rie­fen, frag­te sie wie­der:

      »Wis­sen Sie denn, was heu­te für ein Tag ist?« Ich ant­wor­te­te, es wäre der 4. Mai. Sie schüt­tel­te den Kopf und sag­te wie­der: »O ja, ich weiß, ich weiß; aber wis­sen Sie denn nicht, was für ein Tag heu­te ist?« Als ich ver­nein­te, fuhr sie fort:

      »Es ist St. Ge­orgs­nacht; wis­sen Sie nicht, dass, wenn die Uhr heu­te Mit­ter­nacht schlägt, alle bö­sen Din­ge in der Welt frei­en Lauf ha­ben? Wis­sen Sie, wo­hin Sie ge­hen und zu wem Sie ge­hen?«

      Sie war so ver­stört, dass ich den Ver­such mach­te sie zu trös­ten, aber ver­ge­bens. Schließ­lich warf sie sich auf die Knie und fleh­te mich an, nicht zu ge­hen, we­nigs­tens mei­ne Ab­fahrt um einen oder zwei Tage zu ver­schie­ben. Es war zu lä­cher­lich, das al­les, aber den­noch fühl­te ich mich un­be­hag­lich. Auf alle Fäl­le hat­te ich mei­nem Dienst nach­zu­kom­men und nichts durf­te mich da­von ab­hal­ten. Ich hob sie also auf, trock­ne­te ihre Trä­nen und sie gab mir dann ein Kru­zi­fix, das sie von ih­rem Hal­se ge­nom­men. Ich wuss­te nicht recht, was ich da­mit

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