Скачать книгу

Rückseite mit weißer Deckfarbe, so daß sie undurchsichtig wird; im übrigen bleibt sie an der gleichen Stelle. Die auf der anderen Seite befindliche Zeichnung wird dann auf das an dem Sehloch befindliche Auge annähernd den gleichen Eindruck machen wie der Gegenstand selbst; ich werde ihn immer noch vor mir zu sehen glauben. Weil also diese Zeichnung eine Vorstellung des Gegenstandes in uns wachzurufen imstande ist, nennen wir sie ein »Bild« des Gegenstandes. Freilich enthält unser Bild nur Linien; von den Unterschieden der Helligkeit, von Licht und Schatten, von der Farbe des Objektes haben wir ganz abgesehen. Aber man kann nicht alles auf einmal erreichen; es wäre eine zweite Aufgabe, auch diese Eigenschaften im Bilde wiederzugeben. Die erste und wichtigste Aufgabe ist jedenfalls die Herstellung einer Linienzeichnung, welche die Umrisse und überhaupt die wichtigsten Linien des Gegenstandes wiedergibt. Ja, sie genügt in vielen Fällen schon ganz allein. Denn gerade die Linie wirkt mit einer ganz wunderbaren Kraft und Stärke auf unsere Vorstellung.

      3. Definition des perspektivischen Bildes. Wir müssen jetzt aber dazu übergehen, für den Begriff des Bildes eine mathematisch strenge Herleitung zu geben, indem wir aus dem Vorgange des Nachzeichnens auf der Glastafel das rein Geometrische herausschälen.

      Fig. 1.

      Statt der Glastafel denken wir uns eine ebene Fläche, also eine mathematische Ebene Π, gewählt; sie ist gegeben durch das Blatt Papier, das Reißbrett oder die Schultafel, auf der die Zeichnung hergestellt wird. Wir nennen diese Ebene kurz die »Bildebene« oder auch die »Tafel«. Der abzuzeichnende Körper sei ebenfalls ein mathematischer, nämlich ein Würfel abcdefgh. In Fig. 1 geben wir zunächst eine Darstellung des ganzen Vorganges. Statt der kleinen Öffnung, durch welche wir hindurchsehen, denken wir uns einen Punkt O im Raume gegeben, den wir in Erinnerung an unseren Apparat immer noch das »Auge« nennen. Wenn wir ferner an dem Gegenstand einzelne Linien ins Auge faßten und sie auf der Glastafel nachzeichneten, so lösen wir jetzt diese Linien in einzelne Punkte auf und betrachten zunächst einen Punkt des Körpers, z. B. die Ecke a. Was heißt es nun, daß wir auf der Glasplatte die verschiedenen Punkte des Gegenstandes nachzeichneten? Offenbar befinden sich dann der betreffende Punkt a, die Bleistiftspitze a', welche ihn auf der Glastafel markiert, und das Guckloch in einer geraden Linie. Denn wenn sich zwei Punkte im Raume für mein Auge decken, so liegen sie auf einer Geraden durch das Auge. Darauf beruht ja alles Visieren. Mathematisch ausgedrückt heißt das aber folgendes: wir ziehen durch den Punkt O eine Gerade nach dem Punkte a und bringen diese zum Schnitt mit der Bildtafel. Der Schnittpunkt ist eben a'. Wir nennen a' das »Bild« oder den »Riß« des Punktes a. Die durch O gehenden Geraden oder Strahlen bezeichnen wir als »Projektionsstrahlen« oder »Projizierende Strahlen« oder »Sehstrahlen«, den ganzen Vorgang als »Zentralprojektion«.

      Fig. 2.

      Denken wir uns nach allen Punkten der Linien des Gegenstandes diese Strahlen gezogen und mit der Bildebene zum Schnitt gebracht, so bilden alle diese Schnittpunkte das, was wir »ein perspektivisches Bild« des Objektes oder auch eine »Perspektive« des Würfels heißen.

      In Fig. 2 ist ein solches Bild a'b'c'd'e'f'g'h' in seiner wahren Gestalt wiedergegeben. Die Bildebene Π ist hier die Ebene des Zeichenblattes. Oft wird auch nicht nur der ganze geometrische Prozeß, sondern das Bild selbst als eine Zentralprojektion bezeichnet. Wie sich für unser Auge die Ansicht eines Körpers ändert und immer wieder anders erscheint, wenn wir unseren Standpunkt dem Körper gegenüber verändern, so ist dieses perspektivische Bild auf der Bildtafel von zwei Faktoren abhängig: nämlich erstens davon, wie der Punkt O gegenüber der Bildtafel angenommen wird, und zweitens davon, welche Lage der Körper zur Bildtafel einnimmt. Sind aber der Punkt O und der Körper fest angenommen, so ist auch das Bild vollständig bestimmt. Man kann also sagen:

      Satz 1. Sind die Bildebene Π, das Auge O und der Körper im Raume gegeben, so erhält man das perspektivische Bild des Körpers als den Schnitt der nach den Punkten des Körpers gehenden Projektionsstrahlen mit der Bildebene.

      Unter »Perspektive« versteht man weiter auch die Lehre, wie man solche Bilder unmittelbar auf der Zeichenfläche mit Bleistift, Lineal und Zirkel konstruiert, ohne den mühsamen Prozeß des Nachzeichnens auf einer Glastafel durchführen zu müssen. Da es sich für uns bloß um die Wiedergabe der Linien des Körpers handelt, so spricht man auch von »Linearperspektive« oder »Linienperspektive«.

      Solche perspektivische Bilder hat jeder schon oft gesehen; denn jede Photographie ist eines. Wir werden später zeigen, daß der photographische Apparat rein mechanisch derartige Bilder herstellt.

      Den Begriff der Zentralprojektion gewannen wir als eine Vereinfachung des Vorganges des Nachzeichnens: er ist eine mathematische Abstraktion aus dem Sehprozeß. Wir werden nicht erwarten dürfen, daß sich diese mathematische Operation mit dem Begriff des Sehens deckt. Denn der physiologische Vorgang des Sehens ist ja tatsächlich auch ein äußerst verwickelter. Wir sehen nicht mit einem Auge, sondern mit beiden Augen, und wir halten die Augen nicht ruhig, sondern bewegen sie nach allen Seiten hin und her; wir tasten den Körper mit den Augen förmlich ab. Trotzdem leistet uns der Vorgang der Zentralprojektion schon in seiner rohen Annäherung wertvolle Dienste. Denn die perspektivischen Bilder sind unter allen gesetzmäßig definierten Abbildungen weitaus die anschaulichsten und naturgetreuesten. Bevor wir aber dazu übergehen, die Gesetze und Herstellungsweisen dieser Bilder zu erörtern, müssen wir davon handeln, wie man noch auf andere Weise Bilder oder Abbildungen von räumlichen Gegenständen erhalten kann.

       Inhaltsverzeichnis

      4. Die Senkrechte von einem Punkte auf eine Ebene. Hängen wir einen schweren Körper, z. B. eine kleine Metallkugel oder ein Gewicht, vermittels eines Fadens etwa an der Decke eines Zimmers auf, so nimmt der Faden, nachdem der Körper zur Ruhe gelangt ist, unter dem Einfluß der Anziehung der Erde eine ganz bestimmte Lage an, welche nach dem Erdmittelpunkt hin gerichtet ist. Wir nennen diese Richtung »lotrecht« oder »vertikal«. Denken wir uns weiter unter dem Faden ein Gefäß mit einer Flüssigkeit, z. B. Wasser oder Quecksilber, so bildet deren Oberfläche eine Ebene, die wir als »wagrecht« oder »horizontal« bezeichnen. Wir sagen dann weiter, daß die Richtung des Fadens auf der Oberfläche der Flüssigkeit senkrecht stehe oder lotrecht zu ihr sei. Das an einem Faden befestigte Gewicht liefert ja auch den sog. »Senkel«, und mittels dieses allbekannten Instrumentes werden beim Bau eines Hauses die Steine in horizontalen Lagen angeordnet und die Mauern lotrecht aufgeführt.

      Fig. 3.

      Diese physikalische Tatsache erleichtert dann aber das Verständnis für den folgenden mathematischen

      Satz 2. »Ist eine Ebene Π1 gegeben und ein Punkt p außerhalb derselben (Fig. 3), so kann man von dem Punkte auf diese Ebene immer eine Senkrechte oder ein Lot fällen. Diese Senkrechte schneidet die Ebene in einem Punkte, den wir p1 nennen wollen. Er mag der Fußpunkt der Senkrechten heißen. Der Abstand des gegebenen Punktes von der gegebenen Ebene ist gleich der Entfernung, welche der gegebene Punkt p und der Fußpunkt p1 bestimmen, also = der Strecke pp1.«

      

      Die Ebene Π1 kann ganz beliebig im Raume liegen. Ist sie im besondern eine wagrechte Ebene, so fällt die senkrechte zu ihr mit der »Vertikalen« zusammen.

      Fig. 4.

      5. Der gerade

Скачать книгу