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k. & k. Hofzuckerbäckerei Demel am Kohlmarkt in Wien. Er gab ein Geburtstagsfest für den Bildhauer Fritz Wotruba, und wir waren eingeladen. Ein Schlaraffenland! »Hol uns«, sagte Gottfried vergnügt, »noch eine Flasche Champagner aus der Küche.« Und, mit einem aufmunternden Blick auf mein verschrecktes Gesicht: »In feinen Kreisen macht man das so.« O Gott, und ich hab ihm geglaubt.

      In der Küche stand ausgerechnet der Gastgeber selbst. Und keine Spur von Aufmunterung in seinen Augen, als er stumm eine Flasche entkorkte.

      Trotzdem wurde er unser Freund. Ein Kolibri im arabischen Kaftan, eine glatt rasierte Fee mit korrektem Haarschnitt, ein bizarres Ungeheuer, eine Königin, ein älterer Herr. »Im nächsten Leben«, sagte ich, »komme ich als Bub auf die Welt. Aber dann …!« Fédérico lächelte und schenkte Gottfried eine große Schachtel Crème Thérèse.

      Er liebte es, am Morgen seinen Leib zu verlassen und in den Köpfen dicker Marktfrauen zu nisten. Schon als Kind, erzählte er mir, ging er über Treppen, ohne dass seine Füße die Stufen berührten. Denn eine Hexe war er natürlich außerdem. Seine leuchtenden, exotischen Bilder – auch als Maler war er ein Paradiesvogel – blieben an meinen Wänden zurück.

      GUTER GESCHMACK

      Es wurde mir nicht an der Wiege gesungen, dass ich in die oberen Zehntausend … ach was, in die oberen Tausend oder vielmehr Hundert einheiraten sollte. Ich war eindeutig überfordert. Da ich aber schon recht gut verdiente, beschloss ich, mich stilvoll in der Marokkanergasse einzurichten.

      Zunächst kaufte ich das große Ölbild eines nicht sonderlich hübschen Herrn. Gottfried nahm es stumm von meiner Wand und schenkte mir sechs wunderschöne alte Wiener Stiche. Ich gebe zu, dass sie auch mir besser gefielen als der Herr in Öl.

      Dazu passt, dachte ich, ein antiker Schrank. Ich fand ihn in der Bräunerstraße. Er war kohlrabenschwarz. »Vom Herdfeuer«, sagte die Händlerin. »Früher spielte das Leben sich am offenen Herdfeuer ab.« Ich war so stolz auf meinen Schatz. Gottfried würde staunen. Und das tat er wirklich. »Was willst du«, fragte er, »mit einer Kohlenkiste?« Ich klärte ihn auf. Ruß von den Feuern der Vergangenheit. »Ruß?« Er fuhr mit dem Finger drüber. »Das ist Schuhpasta! Gib das Ding zurück, und zwar sofort!«

      Danach kam ein Schlitten aus dem achtzehnten Jahrhundert. Ich ersteigerte ihn im Dorotheum. »Was soll das?«, fragte Gottfried konsterniert, als er ihn zum ersten Mal sah. »Unser Bett«, strahlte ich. »Wir werden in einem Schlitten aus dem achtzehnten Jahrhundert schlafen.« »Also ich ganz bestimmt nicht!« Kleinlaut schaffte ich den riesigen Schlitten ins Dorotheum zurück.

      Zuletzt kam ich mit einem Schreibtisch an. Es war klar, dass ich einen brauchte. Gottfried warf einen angewiderten Blick auf ihn. »Abominabel scheußlich«, sagte er und verließ mein Zimmer. Zu nüchtern vielleicht? Ich wusste ja, er liebte Bauernmöbel. Bunte Bauernmöbel. Also überklebte ich den ganzen Schreibtisch mit einer Blumentapete. Gottfried sagte dazu nur ein einziges Wort, nämlich: »Raus!«

      Aber ich lernte! Ich kaufte einen großen alten Bauerntisch, der auch ihm gefiel, und stellte meine Schreibmaschine darauf. Der Tisch war zwar für mich viel zu hoch, aber der Spinnstuhl, auf dem ich vor ihm saß, war wunderschön. Nur bekam ich leider Bandscheibenprobleme und eine Nervenentzündung in beiden Armen. Man kann eben nicht alles haben! Und muss bereit sein, für seinen guten Geschmack Opfer zu bringen.

      Dies tat ich auch im Fall meines Bettes. Echt Barock! Allerdings um gut zwanzig Zentimeter zu kurz. Na und? Im Mutterleib hatte ich mich schließlich genauso eingerollt. Und Gottfried, den mein nächtliches Buchrascheln störte, hatte sein eigenes Schlafzimmer, in dem ich ihn besuchte.

      Tagsüber passte ich mich der Society, so gut es ging, an. Ich hatte, lang bevor er modern wurde, den Ethnolook für mich entdeckt. Gingen wir aus, kleidete ich mich, statt ins kleine Schwarze, in indische und afrikanische Gewänder. Frau von Mautner, die legendäre Pussy Mautner Markhof, sagte kopfschüttelnd zu Gottfried: »Die Lotte schaut immer so seltsam aus.«

      Gottfried lachte. »Eine seltsame Ratte«, sagte er. Und es störte ihn überhaupt nicht!

      VIP

      Ich flog zum ersten Mal mit Gottfried von Einem. Wohin, weiß ich nicht mehr. Ein Fräulein in Uniform geleitete uns ins Flugzeug, und das Flugzeug war leer. Mir wurde sehr mulmig. »Komm«, und ich zupfte Gottfried am Ärmel. »Steigen wir wieder aus!« »Warum denn?« »Weil dieses Flugzeug abstürzen wird. Bestimmt!« »Wie kommst du darauf?« »Es ist ja kaputt.« »Das Flugzeug ist kaputt?« Ich war den Tränen nahe. »Siehst du denn nicht, dass außer uns keiner einsteigt?« In diesem Augenblick kletterten die anderen Fluggäste an Bord, und ich hatte wieder etwas gelernt.

      MÖRDERISCHE MUSCHELSUPPE

      Ich war mit Gottfried von Einem in Paris. Eine für ihn gewiss traurige Stadt, denn Lianne, seine erste Frau, ist dort gestorben. Gleich am ersten Tag lud ich ihn zum Mittagessen ein. Wir bestellten Muschelsuppe, für mich eine Premiere.

      Nachdenklich schaute Gottfried in seinen Teller. Während wir plauderten und aßen, schob er mir nach und nach immer wieder ein paar Muscheln zu. Wie lieb er mich hat, dachte ich glücklich und gerührt. Nur mit dem Öffnen der Schalen plagte ich mich. Doch gelang es schließlich, und ich fühlte mich als Dame von Welt.

      Im Hotel danach nicht mehr! Da fühlte ich mich nur noch als Häufchen Elend, und statt auf die Bilder im Louvre starrte ich in die Klomuschel. Ich spie und spie. Die Situation war nicht romantisch. »Was hast du denn?«, fragte Gottfried ärgerlich. »Nichts«, sagte ich beschämt. »Ich habe gar nichts!«

      Am Abend erwartete uns ein ziemlich berühmter Literat. »Geh allein«, wimmerte ich. »Mir scheint, ich hab doch was.« »Kommt überhaupt nicht infrage«, erklärte mein Mann streng. »Steh sofort auf und zieh dich an!« Der Eindruck, den ich auf unseren Gastgeber machte, war kläglich. »Mon Dieu«, sagte er, denn er war außerdem Arzt. Er befragte mich hochnotpeinlich und öffnete anschließend eine Flasche Champagner. »Das Einzige«, sagte er, »das gegen Muschelvergiftung hilft.«

      Nach der soundsovielten Flasche war ich wieder gesund und fröhlich. Aber Geschenke von Gottfrieds Teller nahm ich nur mehr vorsichtig an.

      FRAU BARONIN, DIE NUTTE

      Als viele Theater meine Komödien spielten, dachte ich zum ersten Mal an eine Abendgarderobe. Beim noblen Braun am Graben, heute nur mehr eine Erinnerung, entdeckte ich einen schwarzen Zweiteiler, der mir passend erschien. Man kannte mich bereits als Gottfried von Einems neue Frau, weshalb die Geschäftsführerin mich persönlich bediente. »Ich brauche«, erklärte ich weltgewandt, »eine Rechnung für die Steuer.« Die Geschäftsführerin versteinerte. »Für die Steuer?«

      »Berufskleidung«, nickte ich.

      »Aber Frau Baronin … Sie haben einen Pyjama gekauft!«

      Die Geschichte machte ihre Runde durch Wien, und als sie bei Gottfried ankam, lachte er laut.

      GLÜCK IM SPIEL

      In der Liebe eigentlich schon. Aber im Spiel habe ich nie Glück gehabt. Mit einer einzigen Ausnahme.

      An den Hamburger Kammerspielen hatten meine »Vanillikipferln« die deutsche Erstaufführung. In der gleichen Woche wurde Gottfried von Einems »Zerrissener« an der dortigen Staatsoper uraufgeführt. Damals kannten wir einander noch nicht. Doch ist es leicht möglich, dass unsere Wege sich kreuzten.

      Die Premierenfeier war in einem Lokal. Irgendwann spürte ich eine Berührung auf meinem Knie. Angenehm überrascht schaute ich unter den Tisch. Hatte sich jemand soeben in mich verliebt? Tatsächlich, es war aber ein Hund. Ein großer Hund, der freudig und gewissenhaft meinen langen blauen Wollrock auftrennte.

      Ich war damals noch ziemlich schüchtern. Also schwieg ich

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