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wie Bald ganz offensichtlich auf der Brecon Becon Route eine Abkürzung genommen habe. Head Shed hatte die Vorwürfe des Kandidaten abgewiesen. Jemand, der den Anforderungen nicht gerecht wurde, würde nur versuchen, miese Stimmung zu verbreiten, hieß es.

      Gardner hatte gerade die Lücke zwischen sich und Bald auf zwanzig Meter verringert, als ein dumpfes Pfeifen durch die Luft zischte. Ffftt. Am oberen Rand der Bergkette, weit oberhalb der Evakuierungszone, war ein schwacher sternförmiger Blitz auszumachen. Erdreich stob direkt vor Gardner auf.

      Sniper.

      »In Deckung!«, schrie Bald. Die drei Operator ließen sich gleichzeitig zu Boden fallen. Gardner, den Oberkörper auf die Erde gepresst, schob vorsichtig seine AK vor sich.

      Er kroch auf eine Gruppe von Steinbrocken auf zehn Uhr zu. Bald arbeitete sich ebenfalls zu der Deckung vor. Hands befand sich rechts von Gardner in einer flachen Mulde.

      Ein zweites Ffftt. Der Schuss pfiff an Gardner vorbei. Nah genug, um die Hitze zu spüren, die von dem vorbeifliegenden Projektil ausging. Zwei Meter hinter ihm stob Erdreich auf. Der Scharfschütze schoss sich ein. Die Einschüsse kamen näher.

      Gardner kroch so schnell er konnte auf die Felsen zu. Der Sniper hatte mit den ersten beiden Schüssen die Entfernung abschätzen können. Der dritte Schuss würde ins Schwarze treffen, und Gardner wusste das. Er war noch etwa sieben Meter von den Felsen entfernt. Schweiß rann ihm den Rücken hinab, heiß und klebrig.

      Der dritte Schuss ertönte genau in dem Moment, als Gardner die Deckung erreichte. Die Kugel schlug dort ein, wo sich Gardner nur eine Sekunde vorher noch befunden hatte.

      »Gerade noch rechtzeitig.« Bald grinste.

      Der vierte Schuss folgte drei Sekunden später. Er schlug in die Steinbrocken ein und ließ einen Regen aus Granitsplittern auf Gardner und Bald niedergehen. Aber keiner der beiden geriet in Panik, stattdessen planten sie ihre nächsten Schritte. Gardner lauschte angestrengt nach dem Schussgeräusch. Dem dumpfen Ffftt nach zu urteilen hatte der Scharfschütze einen Schalldämpfer an sein Gewehr geschraubt. Das erklärte auch, warum kaum Mündungsfeuer zu sehen war.

      »Der Kerl sitzt auf ein Uhr«, erklärte er.

      »Hast du gehört, wie klar der Schuss war? Der Wichser ist keine zweihundert Meter weit weg.«

      »Vielleicht hundertfünfzig?«

      »Ja, vielleicht.«

      Gardner suchte die Bergkette nach einem Punkt ab, an dem er seine Zelte aufgeschlagen hätte, um ein paar X-Rays auszuschalten.

      »Da«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Der flache Felsvorsprung mit dem großen Felsbrocken.«

      »Ich seh's«, antwortete Bald und spuckte auf den Boden. Der Schleim verschwand beinahe auf der Stelle in dem glühend heißen Wüstengrund. »Guter Winkel. Ausgezeichnete Deckung.«

      »Die perfekte Schussposition.«

      Sie starrten auf den Punkt und warteten.

      Dann sahen sie ihn. Ein kohlrabenschwarzer Schatten löste sich aus der Deckung hinter dem großen Felsen und hielt mit schnellen Schritten auf einen anderen Felsbrocken weiter westlich zu, von dem aus er freies Schussfeld über die Steine hinweg haben würde, hinter denen Gardner und Bald kauerten.

      »Wir müssen ihn ausschalten«, sagte Gardner. »Bevor die Wichser hinter den Bergen hier sind. Ich weiß nicht, wie's dir geht, aber mit nur einem Magazin gegen fünfzig von den Mistkerlen stehen unsere Chancen nicht allzu gut.«

      »Spar deine Munition«, sagte Bald. »Um den Sniper kümmere ich mich.«

      »Mit dem Ding da?« Gardner warf der Armbrust einen abschätzigen Blick zu.

      »Sieh zu und lerne, Joe. Sieh einfach zu und lerne.«

      Bald hatte immer wieder bewiesen, der Meisterschütze des Regiments zu sein. Die durchschnittliche Entfernung, die ein Armbrustbolzen mit etwa 100 km/h zurücklegen konnte, lag bei vierzig bis fünfzig Metern. Unter perfekten Rahmenbedingungen war ein erfahrener Operator in der Lage, ein Ziel in einhundert Metern Entfernung zu treffen. Bald hingegen zielte bei schlechter Sicht auf ein bewegliches Ziel über hundertfünfzig Meter weit entfernt.

      Bald brachte sich in eine liegende Position und lehnte sich gegen die Steinbrocken. Er verlangsamte seine Atmung. Für eine gefühlte Ewigkeit der Stille nahm er den Sniper ins Visier. Dessen dunkle Silhouette war bereits fast hinter der nächsten Deckung verschwunden.

      Dann hörte Gardner, wie der Bolzen mit dem Sprengkopf mit einem leisen Popp abgefeuert wurde. Er verfolgte die Flugbahn des Pfeils. Der Pfeil stieg hoch in die Luft, drehte sich dabei um die eigene Achse. Dann tauchte er steil hinab.

      Der Bolzen durchschlug das rechte Bein des Schützen. Der schrie, ging in die Knie und umklammerte die Wunde. Er versuchte noch, den Pfeil herauszuziehen, als das TATP explodierte. Eine Rauchwolke hüllte den Mann ein. Dann implodierte sein Körper.

      Hautfetzen, Knochenstückchen, Knorpel und verbrannter Stoff wehten zu Gardner und Bald herüber. Selbst im Halbdunkel konnten die beiden erkennen, dass von dem Schützen nicht viel mehr übrig geblieben war als ein großer blutiger Fleck und der Stumpf seines linken Beins.

      Bald sprang auf die Füße.

      »Das wollte ich immer schon mal machen.«

      Hands näherte sich, das Funkgerät dicht ans Ohr gepresst.

      »Geschätzte Ankunftszeit in dreißig Sekunden.«

      »Wie weit sind die X-Rays noch entfernt?«

      Hands gab die Frage an die Einsatzzentrale weiter.

      »Sie kommen schnell näher«, berichtete er. »Um genau zu sein, müssten wir sie jeden Moment sehen können.«

      Die drei Männer verdoppelten ihr Tempo und eilten den Berg hinauf, bis sie den Exfiltrationspunkt fast erreicht hatten. Die aufgehende Sonne tauchte die Plattform in violettfarbenes und rotes Licht. Gardner hatte selten zuvor ein so atemberaubendes Stück Land gesehen.

      Der Chinook kündigte sich mit einem entfernten Wupp-Wupp an, dass schnell lauter wurde.

      Gardner zerbrach die Knicklichter und gab jeweils eines davon an Bald und Hands weiter. Dann legten sie diese in Form eines W's aus, als Zeichen für den Chopper-Piloten, dass sie bereit waren für die Extraktion. Schnell schwoll das Wupp-Wupp zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen an. Gardner legte den Kopf in den Nacken und sah den Chinook durch die schiefergraue Wolkenformation am Horizont brechen.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie sich etwa in der Mitte der östlichen Bergkette auf drei Uhr etwas bewegte. Zehn Umrisse zeichneten sich vor dem Himmel ab. Sie kamen einen felsigen Gebirgspfad hinab, kletterten um Felsblöcke herum und brüllten Gardner entgegen. Er schätzte, dass sie etwa dreihundert Meter entfernt waren. Zwei von ihnen hielten kurz inne und nahmen mit sporadischen Salven den Chinook unter Beschuss. Bei der Entfernung standen die Chancen jedoch besser, zweimal hintereinander im Lotto zu gewinnen als den Chopper zu treffen.

      Der Chinook kreiste scheinbar teilnahmslos über dem Rendezvous-Punkt. Dann navigierte er direkt über die SAS-Männer und die Rotoren wirbelten Staub und Geröll zu einer gigantischen Windhose auf.

      Gardner feuerte sechs schnelle Schüsse auf die Silhouetten ab. Beim sechsten Schuss zuckte er zusammen und ließ die AK-47 fallen. Seine linke Hand brannte wie Feuer. Er hob das Gewehr mit der rechten auf und untersuchte seine Linke. Er war kein Fachmann für Medizinfragen, aber es war eindeutig, dass er in beschissen ernsthaften Schwierigkeiten steckte. Seine Hand war lilafarben angeschwollen. Die beiden Löcher der Bisswunde hatten sich schwarz gefärbt und glotzen ihn wie die Augen eines Fischs an. Er konnte seine Fingerspitzen nicht mehr spüren. Seine Lippen waren taub, und wenn er die Augen schloss, tanzten wilde bunte Punkte vor seinen Augenlidern herum.

      Das Schlangengift war in seine Blutbahn gelangt.

      Der Chinook hatte unterdessen ein Marlow-Seil abgeworfen. Sie ließen sich von dem neuen RPX-System nach oben ziehen, Rapid Personnel eXtraction, dass aus einem

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