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trock­nen muss­te, bis es ihr ge­lang, ih­ren Schütz­ling in ei­nem ita­lie­ni­schen Hau­se un­ter­zu­brin­gen, wo kei­ne Erin­ne­rung ihr täg­lich die Un­gleich­heit der Lose vor­hielt. Hät­te ich nur eben­so schnell mein Ver­hält­nis zu dem Hau­se lö­sen kön­nen, das mir noch mit­ge­hör­te, aber von Tag zu Tage we­ni­ger mein war. Zwar das Säl­chen konn­te ich in der Zeit zwi­schen den Mahl­zei­ten noch be­nüt­zen, aber nur als Halb­ge­dul­de­te, und wenn ich Gäs­te da emp­fing, durf­te ich auf jede pein­li­che Stö­rung ge­fasst sein. Der große Saal, der mich zu dem Kauf mit ver­lockt hat­te, glitt von selbst in den Be­sitz des an­de­ren Tei­les, weil ich ihn ja doch nicht ein­rich­ten konn­te; bei den ge­sel­li­gen Ver­an­stal­tun­gen, de­nen er nun diente, hat­te und be­gehr­te ich kei­nen Platz. Ger­ne hät­te ich der neu­en Haus­ge­nos­sin die äu­ße­ren Vor­tei­le über­las­sen, wäre nur nicht das Hu­schen und Hor­chen ge­we­sen, wo­durch die gan­ze Luft ver­än­dert wur­de, und vor al­lem das krampf­haf­te, zum Teil auf Wah­nide­en be­ru­hen­de Auss­treu­en falscher Be­zich­ti­gun­gen, wo­durch ich auch al­ten Freun­den ent­frem­det und mehr und mehr ab­ge­schnürt wer­den soll­te. Dem Arzt, der im­mer­zu die schwers­ten Verant­wor­tun­gen trug, weil er vor­zugs­wei­se da­hin ge­ru­fen wur­de, wo alle an­dern ver­sag­ten, war es zu gön­nen, dass er als Mann gar kei­ne Or­ga­ne be­saß, durch die er die­se un­vor­stell­bar klein­li­chen Mit­tel hät­te wahr­neh­men kön­nen.

      Ich weiß nicht, ob mein Bru­der je­mals ver­sucht hat, bild­ne­risch auf die Ge­fähr­tin sei­nes Le­bens ein­zu­wir­ken, je­den­falls gab er es in Bäl­de auf. Auch Flo­renz mit al­len sei­nen Schät­zen hat­te ihr nichts zu bie­ten, als dass sie ih­ren Ge­schmack für künst­le­ri­sche Aus­stat­tung von In­nen­räu­men ent­wi­ckel­te und sich mit bren­nen­dem Ehr­geiz dar­auf warf, es auf die­sem Punkt den Künst­ler­häu­sern, vor­ab dem Hil­de­brand­schen, gleich­zu­tun. Aber als die Ti­sche auf Lö­wen­fü­ßen stan­den und die Wän­de eine edle Stoff­be­span­nung tru­gen, blieb doch das al­les kalt und tot, und die arme See­le konn­te nur in im­mer neu­em Um­stel­len und Um­ge­stal­ten ih­rer Sa­chen ei­ni­ges Ge­nü­ge fin­den. Auch dass sie Mut­ter ei­nes schö­nen be­gab­ten Mä­del­chens war, half ihr nicht tiefe­re Wur­zeln schla­gen, gab ihr aber große Macht über das zärt­li­che Va­ter­herz. Es war rüh­rend, wie der alte Ego­zen­tri­ker und ge­bo­re­ne Jung­ge­sel­le sich be­müh­te, ein gu­ter Gat­te und Va­ter zu sein. Er spar­te, ging wie­der zu Fuß oder be­nütz­te ein Fahr­rad und schränk­te sei­ne per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se ein, um sei­nen Lie­ben alle Wün­sche zu ge­wäh­ren. Aber kein Fun­ke sprang ihm ent­ge­gen. Was half es nun, dass er »sel­ber See­le ge­nung« hat­te, wenn er in der Teil­ha­be­rin sei­nes Le­bens kei­ne er­we­cken konn­te. Es schnitt al­len, die ihn lieb­ten, ins Herz, dass der hoch­flie­gen­de Geist an die­se Luft­schicht ge­bun­den war. Aber leb­te er wirk­lich in die­ser Luft­schicht? Bei Ti­sche sa­ßen sich die bei­den stumm ge­gen­über, weil er in sein Merk­buch wis­sen­schaft­li­che Ein­tra­gun­gen mach­te. Sonst ver­brach­te er den Tag in sei­nem Be­ruf. Was ihm die Ehe ver­sag­te, fand er nach wie vor bei der Freund­schaft: der ita­lie­ni­sche Kol­le­ge brach­te ihm all das Ein­ge­hen und die wär­me­n­de Auf­merk­sam­keit ent­ge­gen, die dem Lie­be­be­dürf­ti­gen in sei­nem ei­ge­nen Haus­stand man­gel­ten. Ein klei­nes Be­geb­nis aus der Po­liam­bu­lanz, der ge­mein­sa­men Grün­dung der bei­den Ärz­te, ist für die­se stän­di­ge Für­sor­ge so be­zeich­nend, dass es hier als hei­te­res Zwi­schen­spiel un­ter all den Trüb­nis­sen sei­nen Platz fin­den möge. Ei­nes Ta­ges, als Ed­gar sich zu ei­ner ver­ant­wor­tungs­vol­len Ope­ra­ti­on an­schick­te, wur­de auf der Pi­az­za San­ta Tri­ni­ta ge­ra­de un­ter den Fens­tern der Po­liam­bu­lanz ein Wa­gen voll schwe­rer Stei­ne ab­ge­la­den, und eine An­zahl städ­ti­scher Ar­bei­ter schick­te sich an, das Pflas­ter auf­zu­rei­ßen. Dem ner­vö­sen Ed­gar tra­ten die Au­gen aus dem Kopf. Aber Van­zet­ti mein­te: Das wol­len wir gleich ha­ben, stieg die Trep­pe hin­un­ter und rief: Was macht ihr denn da, Leu­te, wozu der Lärm? Die Ar­bei­ter ent­schul­dig­ten sich, sie sei­en vom Mu­ni­ci­pi­um ge­schickt, um das Pflas­ter zu er­neu­ern. Aber doch nicht hier, ant­wor­te­te Van­zet­ti, ihr seid im Irr­tum. In der Via Fie­so­la­na, Num­mer so­und­so (er nann­te eine der ab­ge­le­gens­ten), da seid ihr er­war­tet. Die Ar­bei­ter lie­ßen sich über­zeu­gen, lu­den ihre Stei­ne wie­der auf und zo­gen un­ter vie­len Ent­schul­di­gun­gen we­gen der Stö­rung ab. Be­vor die Gef­opp­ten zu­rück sein konn­ten, war die Ope­ra­ti­on fer­tig, der Kran­ke ver­bun­den und die ärzt­li­chen Ner­ven be­ru­higt.

      Ich be­saß jetzt von mei­ner gan­zen Gar­ten­front nur noch das ebener­di­ge klei­ne Dop­pel­zim­mer dem Gra­nat­baum ge­gen­über. Die­ses war zum Ar­bei­ten nie son­der­lich be­quem ge­we­sen; man muss­te den Schreib­tisch an die Glas­tür rücken des Lich­tes we­gen, und dann wur­de man vom Gar­ten aus ge­se­hen. Auch brach dort zu ei­ner be­stimm­ten Ta­ges­zeit in mei­ne Stil­le das Donner­ge­tös ei­nes im Kel­ler ge­ra­de un­ter mir be­find­li­chen Pump­werks, mit­telst des­sen das zum Haus­halt nö­ti­ge Was­ser in ein großes Be­cken ge­pumpt wur­de, denn eine Was­ser­lei­tung im Hau­se, das gab es zur Zeit in Flo­renz noch nicht. Die­ses Pump­werk hat­te mich schon, wäh­rend ich an dem »Hei­li­gen Se­bas­ti­an« schrieb, in die über dem Stall ge­le­ge­ne lee­re Kam­mer des un­ter­des­sen ent­las­se­nen Kut­schers ge­trie­ben, die auf ei­ner Lei­ter er­stie­gen wer­den muss­te und we­nig mehr als ein Bret­ter­ver­schlag war. Aber auch die­se Kam­mer war mitt­ler­wei­le in einen Um­bau ein­be­zo­gen wor­den, durch den der Schlaf­raum der jun­gen Frau in dem obe­ren Stock­werk er­wei­tert wur­de. Nichts­de­sto­we­ni­ger ver­fiel kin­di­sche Grau­sam­keit auf ein Mit­tel, mir auch das Dop­pel­zim­mer­chen zu ver­lei­den, in­dem sie sich wäh­rend mei­ner Ar­beits­stun­den vor mei­ne Glas­tür setz­te und mit ih­rer Dienst­magd lau­te Zwie­spra­che pflog. Mama zu­lie­be sah ich noch­mals durch die Fin­ger und ver­leg­te mei­nen Schwer­punkt von der Gar­ten­front weg nach der Sei­ten­front des Hau­ses, die auf die enge, stau­bi­ge, von Lärm dröh­nen­de Ar­beits­s­tra­ße ging. Aber das Miss­trau­en der kran­ken See­le ge­gen die hei­le, der Groll des un­geis­ti­gen Men­schen ge­gen den geis­ti­gen war nicht ein­zu­schlä­fern. Denn es glomm da ein von müt­ter­li­cher Sei­te er­erb­ter wir­rer Fun­ke, der bei ihr le­bens­lang ge­bun­den blieb und nur je und je als Ver­fol­gungs­trieb durch­brach, wo­bei sie sich ih­rer­seits für die Ver­folg­te hielt und, was an­de­ren zu­lei­de ge­sch­ah, sel­ber zu er­lei­den mein­te. Er rich­te­te sich auch nicht ge­gen mich al­lein, son­dern ge­gen sämt­li­che An­ver­wand­te ih­res Man­nes. Ich war nur als die räum­lich Nächs­te und durch den lei­di­gen Mit­be­sitz an das Haus Ge­bun­de­ne dem am meis­ten aus­ge­setzt. Zwar hat­ten sich ihre El­tern gleich zu An­fang er­bo­ten, mir mei­nen Hau­san­teil zu­rück­zu­zah­len, aber ich lehn­te ab, um mei­nen Bru­der nicht in Ab­hän­gig­keit von den neu­en Ver­wand­ten zu brin­gen, die ihm in­ner­lich so un­ver­wandt wa­ren. Auch lag mir dar­an, für Mama, die an dem Hau­se hing, die ver­blie­be­nen Räu­me vor­erst noch zu er­hal­ten. Sie sah es jetzt erst recht für ihr Mut­ter­amt an, Ed­gar nahe zu sein, um ihm die man­geln­de häus­li­che Wär­me und Für­sor­ge zu er­set­zen. Den gan­zen Tag freu­te sie sich auf den Au­gen­blick, wo er spät noch an ihr Bett kam, ihr Gute Nacht zu sa­gen; wenn nächt­li­cher­wei­le die Klin­gel des Arz­tes ging, so stand sie heim­lich mit auf und war­te­te in dem dunklen Gar­ten sei­nen Auf­bruch ab, als ob er ihr in den Krieg zöge. Und an den sel­te­nen Mor­gen, wo er aus­schla­fen

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