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…«

      Ihr Lächeln erstarb schon wieder.

      »… Ich war zum Glück ohne Verletzungen davongekommen … Ich versuchte mich zu befreien, ich grub mit dem Messer Stufen in die Erdwände, aber die Falltür regte sich nicht, wenn ich meine Hände dagegenstemmte, gab die Erde stets nach, ich verlor den Halt und glitt wieder hinab. Dann – – erschien Steenpool …«

      Sie schwieg …

      »Was halten Sie von ihm, Abelsen?« fragte sie scharfen Tones.

      »Ein gefährlicher Gegner, aber – vielleicht doch Gentleman, Fürstin. Es will nichts besagen, daß er mich niederschlug und entfloh … Ich hätte in gleicher Lage genau so gehandelt. Ich habe sogar vielleicht noch brutalere Mittel angewandt, um meine Freiheit zurückzugewinnen. Ich habe vielleicht in meinem Leben schon mehr Menschenblut vergossen wie er, wenn auch stets in offenem Kampf, in Notwehr …« Bitterkeit quoll in mir hoch … »Ich war ein harmloser, fleißiger Staatsbürger … Und was bin ich heute?!«

      »Ein … Mann!« sagte Wera ganz laut.

      »Ein Mann, Olaf Karl Abelsen, und das besagt mehr als das weichliche Gentleman! – Was Steenpool betrifft, Sie mögen da recht haben … Er ist Beamter, er hat seinen Pflichtenkreis, – nun gut, – ich kann auch nicht klagen, er war wohl mir gegenüber etwas sehr rücksichtslos, er fesselte mich, er schleppte mich in ein fernes Gebüsch, und seine zum Teil bissigen, zum Teil humorvollen Bemerkungen hatten doch nie etwas Gehässiges. Er erklärte mir nur, daß ich Bix und Fattmoore getötet hätte … Dann ließ er mich allein. – Alles weitere ist Ihnen bekannt … Steenpool wurde dann von uns, Chedee und mir, in den Nachen verladen, Chedee fuhr jedoch an unserem Inselchen vorüber, und wir drangen in den Urwald ein … Es war die romantischste Fahrt, die mir je beschert wurde. Ich habe diese düsteren Wälder lieben gelernt, ich habe den Fluß mit meinen Händen geliebkost, in meiner Seele war das große heilige Hoffen, denn Chedee hatte mir in seiner wortkargen Art angedeutet, daß mir eine frohe Überraschung bevorstände. – Wir verbargen den Nachen, wir setzten den Weg zu Fuß fort, – es war kein Weg, es war nicht einmal ein Pfad … Wie Chedee sich in dieser Wildnis zurechtfand, blieb mir ein Rätsel … So gelangten wir zu dieser Lichtung. Ich sah das große Blockhaus, ich sah fünf mir fremde Giljaken vor der Tür, – Chedee sagte ehrerbietig: »Gehen Sie hinein, Fürstin, öffnen Sie die erste Tür links …«

      Wieder schwieg sie …

      »… Abelsen, mein Herz jagte … Abelsen, so viele Jahre war ich bemüht gewesen, meinen Gatten zu finden … Ich will mich nicht rühmen, Abelsen: Wohl keine Frau hat das ertragen, was ich auf mich genommen habe! – Ich ahnte, daß ich hier den Mann meiner Liebe finden würde … Meine Füße trugen mich kaum … Ich stieß die Tür dieses Gemaches auf … Es war leer …«

      Ihre Stimme bebte, ihre Hände wurden noch eisiger …

      »… Es … war … leer … Und … ich rief, rief seinen Namen … Ich rief mit all der Sehnsucht unbefriedigter Liebe …«

      Sie schluchzte auf …

      »Und … es blieb still … totenstill … Staunend schweifte mein Blick über diese seidene Pracht, über dieses lauschige Nestchen …«

      Sie weinte …

      »… Abelsen, dann trat Chedee neben mich. Sein von Falten durchkerbtes Gesicht war wie ein altes versiegeltes Buch … – »Chedee, du versprachst mir, daß ich hier etwas finden würde …?!« – Er nickte … »Ja, Fürstin, – ein Heim, das Ihrer würdig ist, – das meinte ich!« – »Du lügst!! Es ist irgend etwas geschehen … Mein Gatte war hier … Sei ehrlich, Chedee!!« – Ich hatte seinen Arm gepackt, ich rüttelte ihn, – und er erwiderte kopfschüttelnd: »Der Fürst, – nein, ich weiß nicht, wo er ist, aber er lebt …« – Das war alles, Abelsen, was ich ihm förmlich abbettelte.«

      Sie hatte jetzt die Hände vor das Gesicht gepreßt … Und ich – – trösten?! Wie?!

      Ich legte nur den Arm um sie, und in dem Moment war ich nur ihr Kamerad, ihr Bruder.

      Sie hatte sich trotz allem in der Gewalt, – sie trocknete die feuchten Augen, ihr Mund wurde wieder hart …

      »Abelsen, der Tag verstrich … Es kam die Nacht, und dann kamen Sie … Sie und Gowin, und … neue Rätsel türmten sich vor mir auf … Wir flohen, Chedee, die Giljaken, die Hunde, – wir verschwanden drüben im Urwaldsumpf … Unser Baumkanu war überfüllt, wir legten an einer Insel an, Chedee stieg aus, kehrte nach einer Stunde zurück, man bereitete mir ein Lager in einem Zelt aus Fellen, ich schlief vor Erschöpfung ein, als ich erwachte, hing der Nebel über dem Sumpfe … Ich … war allein. Der Nachen war noch da, und …«

      Die Stimme versagte ihr …

      »… Abelsen, in … in dem Nachen lag ein Zettel … Es war meines Gatten Schrift … Da – lesen Sie …!«

      Sie drückte mir ein zerknittertes Papier in die Hand …

      8. Kapitel

       Der Tiger

       Inhaltsverzeichnis

      Wera schläft …

      Ich sitze vor Chedees Hütte auf einem dick bemoosten Stein und rauche nachdenklich eine Zigarette … Es ist Abend geworden, wir haben die Flußfahrt hinter uns, denn in dem Blockhause konnten wir nicht bleiben. Wußte ich, was Steenpool plante, kannte ich Gowins Absichten?! Das Blockhaus war kein passender Aufenthaltsort für Wera und mich.

      Ein kräftiger Wind streicht über die Hügel und das Wasser, die Weiden und Büsche bewegen sich nickend und raunen und wispern ihre alten Sagen. Wrangel liegt zu meinen Füßen auf einem prächtigen Bärenfell …

      Wera schläft. Ich grübele vor mich hin … – Wo sind alle die, die die Ereignisse der verflossenen Nacht mit erlebten?! Keiner ist zurückgekehrt, nur Wera kam … Und ob es für meinen inneren Frieden günstig ist, daß gerade sie sich wieder einfand …?!

      In meinem Blut ist eine Unruhe, die mich peinigt. Dort hinter mir ruht die Fürstin Zubanoff auf einem Bett, das kaum diesen Namen verdient, und als sie sich niederlegte, nahm sie meine beiden Hände und preßte Sie gegen ihre Brust … »Olaf, wenn ich Sie nicht hätte …!!«

      Kameradschaft …!

      Wie blind Frauen doch zuweilen sind!! Schöne Frauen spielen mit dem Feuer, und die Verbrannten sind wir … wir, die Herren der Schöpfung. Herren?! Doch nur immer Sklaven, über denen ein fremder Wille die Peitsche schwingt. Wir ducken uns, wir gehorchen, und wissen es selbst kaum, daß es so ist … Wir sind gefügige Werkzeuge seit jeher, unsere Leidenschaften sind unsere Herren, welchen Namen jene auch tragen mögen: Liebe, Haß, Ehrgeiz, Habgier, Genialität, Abenteuerlust – viele andere … –

      Nun bin ich auch wieder gehorsamer Diener eines Weibes mit glatten, freien Zügen, mit einer Gestalt, als hätte man eine marmorne antike Juno in ein modernes Sportkostüm gesteckt. Das tut dem Ebenmaß der Fürstin keinen Abbruch.

      Ich werde denselben Dank ernten wie stets: Der Kavalier macht dem Liebhaber Platz, und – alles versinkt in das Meer der Vergangenheit! –

      Ich grübele … Ich habe Wera nichts von dem Geheimbund des Doktor Wang Ho mitgeteilt, nichts von dem dreizehnten Tschu-Wang, dem Großmeister.

      Es ist Iwan Zubanoff. Ich weiß es nun mit aller Bestimmtheit. Seine Zeilen beweisen es, ich habe den Zettel Wera zurückgegeben, sie trägt ihn auf dem Herzen, aber auch ich kann jedes Wort auswendig:

      Weruschka, was auch geschehen ist und geschehen möge, zweifele niemals an mir und meiner Liebe. Umstände, die stärker sind als meine Sehnsucht nach Dir, haben mich auch jetzt gezwungen, Dir fernzubleiben. Benutze den Kahn, kehre zum Blockhaus zurück, der Wasserweg ist durch Beilhiebe an den Erlen markiert, und vertraue Deinem Landsmann. – In Treue – – Dein Witscha.

      …

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