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Sonne schien wieder. Es war sechs Uhr nachmittags, und im Tale vor uns lagen die weit verstreuten Gehöfte von Walhallow-Station. Wir hielten hinter einer Schäferhütte zwischen Stacheldrahthürden. Links von uns gab es einen Buchenwald, daneben einen kleinen See, an dessen Ufern eine erquickend frische Fauna sproßte.

      „Achi mag zur Store reiten,“ meinte Percy kurz angebunden. „Hier hast du Geld, schwarzer Freund … Nenne dem Storebesitzer nur den Namen Percy, und er wird genügend Patronen für uns haben …“ Er zählte noch vieles andere auf, was Achi mitbringen sollte.

      Der kleine Prophet trabte davon.

      Dobber blickte ihm lange nach. Er saß noch im Sattel.

      „Steige nur ab, Abelsen,“ sagte er merklich zaudernd. „Ich will noch hinüber zum See reiten.“

      Also abermals Geheimnisse!

      „Soll das so weiter gehen?!“ fuhr ich auf. „Ich habe unter Kameradschaft …“

      Sein Blick brachte mich zum Schweigen. Er konnte ganz merkwürdig die Augen zukneifen und den Mund zusammenpressen. Sein Gesicht war dann wie versteinert.

      „Bist du ganz offen, Abelsen?! Ich habe gute Ohren … Du und Achi redeten da in der Grotte über ein Bergtal und eine Burg … Es gibt hier keine Burgen, das ist Unsinn. Was meint ihr damit?“

      Sein Blick heischte Antwort. „Sprich, oder wir trennen uns!!“

      Der Ton war nicht nach meinem Geschmack.

      „Und Daisy Mallingrott?!“ sagte ich ebenso scharf.

      Seine Züge umwölkten sich. „Laß sie aus dem Spiel!“

      „Dann laß auch die Burg aus dem Spiel!“

      Er lächelte plötzlich. „Hand her, Abelsen … Wir sind Narren … Zwei Geächtete wie wir sollten einander viel nachsehen.“ Er drückte meine Hand. „Abelsen, es wird der Tag kommen, wo wir alle Hüllen fallen lassen …!“ Es klang entschuldigend, und ich war versöhnt. „Daisy ist die Tochter des Kolonel Mallingrott, vergiß das nicht,“ fügte er etwas unklar hinzu.

      „Ja – und sie war es, die dich warnte, Dobber. – Ich verlange keine Antwort – noch nicht, Dobber … Doch die Umstände können vielleicht früher als du glaubst so zwingend sich gestalten, daß Offenheit zur Pflicht wird.“

      „Dann – werde ich reden,“ – und er nickte mir zu und ritt im Galopp den ersten Buchen entgegen. Sogar das Packpferd nahm er mit.

      Ich stellte meinen Fuchs in den Schatten der Hütte und saß rauchend am Abhang und überblickte die einsame Siedlung. Menschen gingen hin und her, Wagen wühlten sich über sandige Wege, Reiter trabten, in den gewaltigen Hürden wogten wie ein Meer die wolligen Rücken unzähliger Schafe. Von dem Kirchlein erklang das Gebimmel einer Glocke, und die Töne schlichen sich in meine Seele ein und weckten Erinnerungen, die tot sein mußten.

      Mitten im langgestreckten Orte standen die Lehmhäuser und Wellblechbaracken dichter. Ich beobachtete Achi, der soeben vor einem größeren Gebäude absprang. Es mußte das Warenhaus sein, die Store.

      Wie sollte ich es Dobber beibringen, daß unser Ziel die Burg sein mußte, an die er nicht glaubte?! Was tat er dort im Buchenwald am See?!

      Ich schaute hin …

      Ein ungesatteltes Pferd lief in das Tal hinab … Es war ein Rappe mit weißem Brustfleck. Ich kannte ihn.

      Es war Daisy Mallingrotts Rappe, der vor Stunden weit nach Nordost in der Steppe zusammengebrochen war.

      7. Kapitel

       Achi redet allerlei

       Inhaltsverzeichnis

      Menschen gehen durchs Leben wie Blinde und erleben nichts. Ihr Dasein kennt keine Abgründe, in denen die Sensationen wuchern. Sie leben nur nach innen, wie Jean Paul das ausdrückt. Jean Paul hat manches wahre Wort geprägt.

      Coy Cala drückte das anders aus. „Olaf,“ sagte er, und er war ein Königssproß, „wer dem Leben ausweicht, stirbt als Armer …“

      Er hatte so recht. Wir sind nicht in die Welt gepflanzt, um uns die Augen zuzuhalten und hinter dem Ofen zu hocken. Schreibtischphilosophen schmieren dicke Bände mit fein geschliffenen Redensarten voll. Stellt man sie in eine Einöde, werden sie jämmerlich zu Grunde gehen. Der Geist ohne die Tat ist nichts. Mein Landsmann Sven Hedin ist das beste Beispiel für Geist und Tat. Man kann ein Dichter sein, und doch ein ganzer Kerl.

      Austin Gorrand war’s … Er kam so überraschend, daß ich ihn eine Weile wortlos anstarrte. Dieser Hüne mit dem lustigen Augenblinzeln und dem fatalen ironischen Lächeln stand urplötzlich neben mir.

      „Mr. Abelsen, nicht wahr?“ lautete seine Begrüßung. „Sie sollten hier nicht so gemütlich das Landschaftsbild genießen … Die Wölfe laufen herum, und ich möchte Sie warnen. Kolonel Mallingrott gibt so leicht eine Spur nicht verloren.“

      Ich blickte zu ihm auf und erhob mich langsam.

      „Wir sind verwandte Seelen,“ fügte er in recht geschliffener Ausdrucksweise hinzu. „Sie sind Spieler um den Einsatz Ihrer Freiheit, ich verehre die rollende weiße Kugel. Man muß eine Ablenkung haben. Sie lieben, scheint’s, die Gefahr, ich liebe die Erregung des Hazards. Jeder nach seinem Geschmack …“

      Seine Hand ruhte auf dem Schloß seiner Büchse, die er im Arm hatte.

      „Kennen Sie mich, Mr. Abelsen?“

      „Ja … Austin Gorrand.“

      „Stimmt. Student in Oxford, Doktor der Rechtswissenschaften, jetzt Schafzüchter und Verfasser des Serienstücks „Das blaue Kaninchen“. Nebenbei schrieb ich ein Dutzend Romane. – Verrückt, nicht wahr? Man stiehlt den armen, professionellen Schluckern das Brot. Ich bin Sohn eines anerkannten Millionärs. – Machen Sie sich dünne, Mr. Abelsen. Der Kolonel ist nur durch den Buschbrand aufgehalten worden, und sein Töchterlein … – na, ich habe Sie gewarnt …!“

      Sein prüfender Blick gefiel mir nicht. Er selbst, Austin Gorrand, war entschieden eine rare Pflanze.

      „Ich danke Ihnen,“ sagte ich nur. „Ich reite sofort weiter. – Sahen Sie den Buschbrand?“

      „Ich sah so manches …“ Sein Lächeln war vieldeutig. „Reiten Sie bald … Die rotbraune Katze ist am gefährlichsten. Sie zeigt stets die Krallen, wenn man es am wenigsten glaubt. Man sollte an gar nichts glauben, Mr. Abelsen. Auch nicht an Leute, die die verfolgte Unschuld markieren. Das ganze Leben ist Schwindel.“

      Meinte er Percy Dobber?!

      „Ich pfeife auf alles …“ und er fächelte sich mit seinem Basthut, der einen Nackenschleier hatte, Kühlung zu. „Aber ich verpfeife niemand. Sie werden ja selbst einige Menschenkenntnis besitzen. Ihr Lebenslauf ist mir nicht fremd, das Eiland der Enterbten oder besser das Paradies der Enterbten regte die Zeitungsschreiber mächtig auf … Man hätte Ihre Insel gern beschlagnahmt … Was ist eigentlich daraus geworden?“

      „Versunken,“ sagte ich ernst.

      Er nickte sinnend. „Das habe ich mir gedacht. Ich will nicht indiskret sein, aber mir scheint, Paloma Ruxa und Lord Battingham … – nun, das ist schon indiskret. – Was gedenken Sie zu unternehmen, Mr. Abelsen?“ fragte er in ehrlich-freundlichem Tone. „Kann ich Ihnen irgendwie beispringen?“

      „Sehr nett von Ihnen,“ lehnte ich höflich ab. „Ich fühle mich am sichersten allein – und am wohlsten, Mr. Gorrand.“

      „Wenn Sie nur allein wären!“ murmelte er. „Halten Sie sich hier jedenfalls nicht allzu lange auf … – Wiedersehen …“

      Er faßte in die Tasche und reichte mir ein goldenes Kettchen, an dem ein Glücksschweinchen mit grünen Steinaugen hing.

      „Da

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