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Californische Skizzen. Gerstäcker Friedrich
Читать онлайн.Название Californische Skizzen
Год выпуска 0
isbn 4064066112240
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Путеводители
Издательство Bookwire
„Zeig’ du’s ihnen einmal, Valentin, wie man’s machen muß,“ wandten sich jetzt aber auch einzelne von den Einwohnern der Mission, die den Indianer und seinen tollen Muth kannten, an den Eingebornen, der, als der beste Reiter und Lassowerfer sich selbst unter den Californiern einen Ruf erworben hatte.
„Zeig’ ich ihnen?“ erwiederte der halbcivilisirte Indianer mit einem verächtlichen Lachen in ziemlich reinem, nur wenig gebrochenem Spanisch — „zeig’ ich ihnen? und weshalb? — Mexikaner haben die Unzen — viel Unzen — Valentin hat Nichts — zerreißt seine Kleider, zerbricht seine Flasche — pah, wofür? — Für weiße Männer über Valentin zu lachen — laß’ die Matadoren kämpfen.“
„Aber sie können nicht!“ antworteten ihm Stimmen von fünf, sechs verschiedenen Seiten.
„Bah, es sind Stierkämpfer und nehmen Geld dafür,“ lachte der Indianer, „und die Weißen kommen in Schaaren und werfen es ihnen in den Hut — Stierkämpfer, ha, ha, ha, caracho, sie wagen es nicht einmal sich einem Kalb entgegenzustellen — Valentin ist zu gut für sie.“
Der Indianer warf den Kopf verächtlich zurück und seine edle Gestalt hob sich in dem Selbstgefühl der eigenen Kraft und Geschicklichkeit. Da fiel sein Blick auf die Flasche, die er, in dem Unwillen über die hölzernen Stierkämpfer fast vergessen, noch in der Hand trug, und mit einem heiseren, triumphirenden Lachen den Hals derselben an seine Lippen bringend, sog er in gierigem Zug den heißen, scharfen Trank durch die Kehle.
Das Jubelgeschrei der Menge unterbrach ihn, und wandte seine Aufmerksamkeit der Arena zu, in die jetzt, frei und ungehindert ein kohlschwarzer, wilder Stier getrieben und seinen Peinigern wieder übergeben wurde.
Der neue Stier war von ungemein starkem und kräftigem Wuchs und von trotzig finsterem Aussehen, was besonders durch die dichten und dunklen Haarbüschel verstärkt wurde, die über seinen Augen standen. Er strafte denn sein Aussehen auch keineswegs Lügen, und den Sand über sich werfend, daß er wie eine dichte Wolke auf ihm lag, wühlte und stampfte er den Boden mit Nase, Horn und Vorderhuf, und suchte brüllend den ersten Feind, seine Wuth an ihm auszulassen.
Auf einen Angriff sollte er auch nicht lange zu warten haben, denn zwei der mexikanischen Stierkämpfer in ihren kurzen bunten Jacken und Hosen, sprangen gegen ihn an, und suchten ihn irr zu machen und seine Wuth Einer vom Anderen abzulocken. Wenn er aber auch im Anfang vielleicht eine halbe Minute zu zögern schien, welchen er zuerst annehmen solle, dauerte diese Ungewißheit doch nicht lange, denn er warf sich gleich darauf in blinder Wuth auf den ihm nächsten, und trieb ihn wieder unter dem Hohngeschrei der Zuschauer, auf und über die Fenz, während sich der Andere, der jetzt wohl fürchten mochte, daß der ganze Zorn des Thieres gegen ihn allein gekehrt werden würde, langsam nach dem Eingang zurückzog, dort überzuklettern.
War dies langsame Zurückziehen eine Art von Ehrgefühl gewesen, die ihn verhinderte, dem zum Kampf aufgerufenen Gegner ohne weiteres wieder den Rücken zu drehen, so sollte das gar bald dem neuen Gefühl der Rettung Raum geben, denn das gereizte Thier sah, den Kopf wendend, kaum die langsam ihm ausweichende Gestalt, als er die Hörner niederbog, den Staub aufwühlte und mit kurzem Gebrüll und hoch und kampflustig gehobenem Schwanz in so tollem Anprall gegen den Flüchtigen losstürmte, daß dieser nicht einmal Zeit behielt die Fenz zu erklettern, sondern nur eben noch rasch zur Seite sprang, von den Hörnern des wüthenden Thieres nicht erfaßt und zerquetscht zu werden.
So gewaltig war aber die Kraft und Schwere gewesen, die der Stier in diesen Angriff gelegt, daß die starken Querhölzer der Fenz ihm nicht zu widerstehen vermochten. Wie morsche Breter brachen sie zusammen, und wenige Minuten später stürmte das entfesselte freie Thier mitten in eine Schaar müßiger entsetzter Zuschauer hinein, die, sich eines solchen unerwarteten Angriffs nicht versehend, wie Spreu im Sturm auseinanderstoben, und es wieder nur den verschiedenen Richtungen zu verdanken hatten, in denen sie abprallten, daß das wüthende Thier nicht Einen von ihnen überholte und auf die Hörner faßte.
Lautes Gelächter und ein Hohngeschrei der auf den erhöhten Plätzen sich sicher fühlenden Menge übertäubte im ersten Moment der Flucht jeden andern Laut. Nur Einer vielleicht von der ganzen Schaar stampfte in tollem Unmuth die Breter und schrie sein verächtliches caracho nieder auf die unten entsetzt stehenden Stierkämpfer, die jetzt, in ihrer bunten, wunderlich geschmückten Tracht, und ohne den Stier, allerdings eine gar traurige Rolle spielten. Es war der Indianer.
Sein erstes Gefühl schien auch, von der Terasse niederzuspringen und irgend, vielleicht sich noch nicht einmal recht bewußten Theil an der unten vorgehenden Handlung zu nehmen, und in diesem Drang wollte er schon die Flasche von sich werfen, als ihn ein gewisser Instinkt davon zurückhielt. Rasch und unentschlossen hob er sie gegen das Licht, und schaute sich wenige Secunden im Kreis um, als ob er Jemanden suche, dem er sie anvertrauen könne. Aber er fand Niemanden, denn die Gesichter waren ihm theils fremd, theils vielleicht nur zu gut bekannt. Da fiel sein Blick auf das flüchtige Thier, das eben an dem alten Missionsgebäude vorbeistürmte, den fernen Bergen zu, und im Nu hatte er die Flasche an den Lippen, goß sich den heißen Strom in die Kehle, bis ihm die Augen im Kopfe glühten, und sprang dann, die leere Flasche von sich werfend, mit einem Satz über das Gestell hinweg, das ihn vom Boden trennte. Zwei oder drei der dort Stehenden rannte er zu Boden, aber er sah es weder, noch hörte er die Flüche, die hinter ihm drein klangen, nur sein Pferd suchte das blitzende Auge. Dort an der Ecke stand es befestigt, und still wie ein Lamm in dem Lärm und Aufruhr der es umgab; aber seines Herrn Hand lag auf seiner Mähne und das kluge, schöne Thier spitzte die Ohren.
„Vamos chiquito,“ lachte der Indianer, als er mit der linken Hand den Zaum von dem Kopf des Thieres streifte, es war ihm zu viel Mühe den Zügel zu lösen, und zurückzunehmen — vamos mi bonito — und dahin flog das Roß, von dem Schenkeldruck des wilden Reiters gelenkt, wie der Pfeil von der Sehne. Schnaubend und wiehernd warf es den Staub empor hinter sich, und die einzelnen Gruppen Flüchtiger, die dem Stier eben ausgewichen, wußten kaum wie sie den herandonnernden Hufen entgehen sollten. Aber im Nu war’s vorbeigerast — des Indianers scharfer Blick entdeckte das flüchtige Thier, wie es eben den grünen Rasen berührte, der zwischen der Mission und den Küstenhügeln lag, und mit der Rechten den Lasso von seinem Sattel lösend, trieb er mit Zunge und Hacken das schäumende Roß zu immer wilderer Eile.
Fünf oder sechs Reiter, die dort gerade in der Nachbarschaft gewesen, hatten schon versucht dem Stier die Flucht abzuschneiden, der sumpfige Boden aber, über den er floh, hielt sie zurück, und sie kreuzten jetzt des Indianers Pfade, um die Mission herum zu galopiren und den Entsprungenen weiter oben einzuholen.
Der Indianer stieß einen wilden Jubelschrei aus und sprengte gerade auf die Kirchhofsmauer zu.
„Hierher, compañero!“ rief ihm einer der Amerikaner zu; „du kannst dort nicht hinüber!“
Ein heiseres Lachen war Valentins einzige Antwort, und mit einem Satz überflog der Rappe die Mauer und verschwand mit dem wilden Reiter im Innern des Kirchhofs.
„Damn my soul!“ fluchte der Amerikaner still in sich hinein und gab seinem Thier Sporn und Peitsche, rasch um die Mauer hinumzukommen. Aber Valentin war schon wieder draußen im Freien und das wackere Roß das er ritt, entdeckte kaum, jetzt dicht vor sich, den flüchtigen Stier, als es mit schnaubenden Nüstern ausgriff zum wohlbekannten Fang. Wenige Secunden später, und das Pferd war dicht hinter ihm, der Reiter aber, den Lasso in weiter Schwingung zwei oder dreimal um den Kopf wirbelnd, bog sich vor, und die Schlinge zuckte aus seiner Hand. In dem Moment aber auch, und nur von dem Schenkeldruck des Eingeborenen berührt, warf sich das Pferd herum und stemmte sich mit dem ganzen Gewicht seines Körpers gegen den nur zu gut gekannten Wurf des Gefangenen. Der Stier that noch zwei Sprünge mit voller, zum Aeußersten getriebener Kraft, denn er fühlte die furchtbare Schlinge über sich, jetzt aber, in dem letzten Bereich des unzerreißbaren Taues zog dieses an, und das gefangene Thier stürzte mit fast gebrochenem und nach rückwärts gerissenem Nacken dumpf blökend zur Erde nieder.