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des langsam Genesenden, dem sie leise erzählt von dem Vorgang im Dorfe. Wie Michels Feueraugen glühen! Schade, daß er unthätig zu Bette liegen muß; gesund und heil hätte er den Salpeterern auf die Köpfe geschossen, daß es eine Art gewesen wäre. Thrinele beschwichtigt Michel und mahnt ihn, wieder weiter zu schlummern. Aber Michel findet die nötige Ruhe nicht mehr, es hämmern die Schläfen, und wild tobt das Blut in den Adern. Der Vorfall hat ihn erregt, die Wunde beginnt aufs neue zu schmerzen. Sanft drückt Thrinele den Fiebernden in die Kissen und legt ihr Händchen auf seine glühende Stirn. Das beruhigt den Kranken sichtlich, noch mehr aber das süße Geflüster des geliebten Mädchens.

      „Liebsch mi no, Thrinele?“ fragt leise der stillliegende Michel.

      Und 's Maidli flüstert unter holdem Erröten: „Bis in den Tod, Michel!“

      „Weisch noch, Thrinele, wich ich 's erstemol chomen bin zu „Kilt“ und han di 'beten um di Herzli!?“

      Wieder nickt Thrinele mit dem Chöpfli und sagt dann: „Ich han dir 's aber verbote!“

      „Ja sell isch wahr by Gott! Un mir war 's, als isch d' Sunne g'storbe!“

      „Es ha so si müsse, Michel! Doch mußt nit so viel rede!“

      „So red' du, Thrinele! O wie chlopft mir mi Herz! Lueg, Thrinele! Weisch wie ma seit: 'ne Chuß in Ehre, wer will 's verwehre? Chüßt 's Blümeli nit si Schwesterli? Gi mir ne Chuß, i wer na schon gesunde!“

      Und treuherzig bietet 's Maidli die kirschroten Lippen dem kranken

       Michel dar und drückt ihn dann wieder in die Kissen.

      * * * * *

      Die Nacht ist vorübergegangen; der Föhn hat gegen Morgen nachgelassen, es ist ruhig im Wald geworden. Noch tropft es im Tann, und die Wässerlein sickern zu Thale. Schwerer Dunst liegt über den Bergen, und im Thalgrunde wogt der Nebel, grau in grau. Auf dem Dorfplatze schlummern in ihre Mäntel gehüllt die Hartschiere am erloschenen Biwakfeuer; in Pyramiden zusammengestellt stehen die Gewehre, bewacht von den Posten. Und einsam stehen statuengleich um's Dorf die Wachen. Einzelne Hähne krähen den jungen nebligen Morgen an, das Hühnervolk weckend. Im „roten Ochsen“ regt's sich, eine Ordonnanz mit dem Trompeter verläßt das Haus, und gleich darauf schmettert der Alarmruf hell durch's Dorf. Flink springen die Hartschiere auf und greifen nach den Waffen; die Dörfler gucken verschlafen aus den Fenstern, es wird lebendig allenthalben in Herrischried. Die Offiziere eilen zur Truppe, den Wirt unwillig zur Seite stoßend, der noch in den Kleidern von gestern steckend, sich nach der Alarmursache erkundigen will. Und da ist auch schon der Major, grimmig und verdrossen. „Holt den Bürgermeister!“ befiehlt er und schreitet stolz zum Dorfplatze, wo die Hartschiere marschbereit stehen. Bald ist der Bürgermeister da, der nun Leute als Führer beschaffen soll zur zwangsweisen Herbeiführung der Rekruten.

      Unter tiefen Bücklingen versichert der Dorfchef: Wer zu den „Halunken“ gehöre, werde selber kommen; die Rekrutenaushebung sei allenthalben bekannt gemacht. Von den Salpeterern aber werde nicht einer kommen!

      „Dann holen wir die Kerle!“

      „Mit Verlaub! Da isch nüt ze hole! Die Büebli sin alle marsch us, fort!

       Die heutige Nacht hat's bewiese!“

      „Tod und Teufel, dann sind wir vergebens heraufgekommen!“ flucht der

       Major.

      „Doch nit, Ew. Gnaden! Von den Halunkenbueben wird jeder chome und sin

       Pflicht genüge!“

      „Wer wird kommen?“

      „Die Buebe von den Halunken!“

      Verwundert beguckt der Major den Ortsvorsteher, ihm klingt es nahezu spanisch, daß die Halunken sich fügen und Soldaten werden wollen, während die anderen flüchtig gegangen sind. Der landkundige Zivilkommissär giebt indes die nötige Aufklärung, worauf der Kommandeur die Mannschaft wieder austreten und ihr vom „Ochsen“wirt die Morgensuppe reichen läßt.

      Gegen neun Uhr soll das Aushebungsgeschäft beginnen. Neugierig ob der kommenden Dinge stehen die Hartschiere umher, und von Luken und Fenstern gaffen die Dorfdirnen herunter. Selbst auf die Gasse herunterzukommen, wagen sie nicht, denn sie fürchten die rauhen Soldaten.

      In einer Stube des Wirtshauses harrt die Kommission der männlichen Dorfjugend und der Burschen aus den Einöden des hintersten Waldes. Allmählich trottet einer, zwei davon an, zaghaft, scheu und tief das Hüetli lüpfend vor den Hartschieren, die den Weg weisen zur gefürchteten Kommission. „Behalten“ wird natürlich jeder, so er nicht Krüppel ist, denn die stürmische Zeit verlangt möglichst viel Kanonenfutter. Noch riesig lang ist der Zettel mit den Namen der auszuhebenden Burschen, und grimmig überfliegt der Major immer wieder die Namen der Fehlenden. Eine Bewegung unter den Herren ist wahrnehmbar, aller Augen sind auf die Thür gerichtet, durch die mit tiefen Bücklingen der alte Biber tritt. Die Leutnants flüstern sich Witzworte über den „alten Rekruten“ zu, gespannt blickt der Major auf den Alten und fragt ihn dann barsch, was dessen Erscheinen vor der Kommission zu bedeuten habe.

      Der Alte zuckt erschrocken zusammen und stammelt dann, um Verlaub bittend, daß er an Stelle seines Bueben komme, der krank, von einem Salpeterer gestochen, zu Hause liege und daher nicht erscheinen könne. Wenn der Herr General aber wissen lassen thäte, wohin nach erfolgter Genesung der Bueb kommen solle, werde der Michel sicherlich sich stellen, freiwillig kommen, wasmaßen die Biberischen „Halunken“ seien und zur Ordnungspartei auf dem Walde gehören.

      Der Major kann sich einer gewissen Rührung kaum erwehren, und weich gestimmt, sagt er: „Es giebt doch seltsame „Halunken“! Ihr „Halunken“ oben im Walde seid ordentliche Leute, und die andern sind die rechten Halunken. Rein die verkehrte Welt! Aber wir brauchen Soldaten, wir können auf Euren Michel nicht verzichten. Geb Er, Biber, also dem Schreiber das Nähere an; sobald Euer Michel gesund ist, soll er sich beim Platzkommando in Freiburg stellen. Nun b'hüet Gott, Alter, Er ist ein wackerer Mann! Und für Euren Bueben will ich selber sorgen!“ Leutselig reicht der Major dem Wäldler die Hand und entläßt ihn mit dem Wunsch für baldige Besserung des Michels.

      Stunde um Stunde vergeht, es kommt niemand mehr. Die paar Burschen der Ordnungspartei von Herrischried, Engelschwand und Rütte und aus einigen Einöden sind „verassentiert“ und ausgehoben, die Salpeterer aber fern geblieben und offenbar flüchtig gegangen. Der Major sieht allmählich ein, daß der Bürgermeister richtig prophezeite. Indes soll doch noch eine kleine Streifung in Salpetererwohnsitze unternommen werden; vielleicht haben sich welche von den Auszuhebenden versteckt. Es geht also eine Patrouille, von einem älteren Leutnant befehligt, ab. Mittlerweile machen die Kommissionsherren es sich an der Mittagstafel bequem, die der arme „Ochsen“wirt abermals kontributionsgemäß kostenlos stellen muß. Die Hartschiere besetzen die gewöhnliche Gaststube und nehmen dort ihre Atzung ein, die Chüngi mit dem Fleischerknecht herbeischleppt. Der Wirt selbst zäpflet am Weinfaß und berechnet den Schaden aus der heillosen Geschichte, die er so pfiffig angepackt glaubte. Hol' der Kuckuck das vorsichtige Neutralsein! Was hat er jetzt davon, daß er zwischen Speicher und Dachsparren stand und zu keiner Partei hielt! Als „Sparrengücksler“ ist er erst recht unter die Wägen gekommen. Für die Salpeterer hatte er Heißwasser bereitgehalten zum „Gottwilche“, wenn sie gekommen wären, ihm das Thor einzuschlagen, und die Offiziere hat er abgewiesen, ihnen die Einkehr verweigert. Wahrscheinlich hätte die Kommission ohne Widerstand alles bei Heller und Pfennig bezahlt, und jetzt kriegt der „Ochsen“wirt keinen Chrützer!

      Die Patrouille ist resultatlos zurückgekehrt, die Einödhöfe sind leer bis auf die Wybervolk und weniges Greise. Die Männer und Burschen, alles Salpeterer, sind fort über die Waldberge. Näheres war aus den Weibern nicht herauszubringen. Dem Major dünkt weiteres Verweilen zwecklos, er läßt zum Sammeln blasen und rückt mit seiner Mannschaft ab über Todtmoos, um über Todtnau gen Freiburg zu marschieren. Wie der Wirt den letzten Hartschierfrack von rückwärts erblickt, macht er einen Luftsprung vor Freude, denn er hat längere Einquartierung befürchtet.

      * * * * *

      Die Höhenfeuer der verwichenen Nacht haben ihre besondere Bedeutung gehabt;

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