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Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch
Год выпуска 0
isbn 9788075831200
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Ich bitte Sie nochmals unter Hinweis auf meinen Brief vom 3. April herzlichst, sofort nach Ihrer Wiederherstellung hierher zu kommen. Doktor Olavsen noch nicht gefunden. Frau Lotte Balnör, Christiania, Christiansgatan 36.“
Man kann sich leicht vorstellen, mit welchen Gefühlen ich diese Depesche las. Doktor Olavsen schien also irgend etwas zugestoßen zu sein. Und – auch ich hatte Sigurd Olavsen, diesen bescheidenen, offenen und so gemütvollen Menschen, fast liebgewonnen.
Ich beeilte mich, Frau Rupertis Brief herauszusuchen, dessen Inhalt ich hier nur im Auszuge wiedergeben will.
„– Ich mache kein Hehl daraus, daß mir Olavsen jetzt hier in Christiania ein lieber, treuer Freund geworden. Er, der sich zu derselben Zeit um mich bewarb, als der Andere mich zu umgarnen verstand, hat mir seine tiefe Liebe bewahrt. Deshalb auch mein großes Interesse für seine Person, das sich hier in diesem Briefe zeigt, der nichts anderes als die flehende Bitte ist, Sigurds plötzliches Verschwinden aufzuklären, sehr verehrter Herr Harst. Ich weiß ja, daß Sie als Rekonvaleszent irgendwo im Süden weilen. In den Zeitungen war zu lesen, Sie hielten Ihren Aufenthaltsort geheim, damit Sie ganz unbelästigt blieben. Meine beiden Glückwunschschreiben zu Ihrer Genesung, die nach Berlin-Schmargendorf gerichtet waren, werden Sie also auch erst verspätet erhalten.
Nun lassen Sie mich Ihnen die Vorfälle hier schildern, wie ich sie zum Teil miterlebt habe –“
Ich möchte diese Schilderung etwas knapper fassen und gebe sie hier mit meinen Worten wieder.
Am 15. März war Sigurd Olavsen abends bei Frau Lottes Eltern zu Gaste. Um 9 Uhr wurde er an das Telephon gerufen. Als er in das Wohnzimmer wieder zurückkehrte, erklärte er, er müsse sofort zu einem Patienten, der eine halbe Meile von Christiania entfernt in einem Dörfchen am Ostufer des Christianiafjords wohnte: er wolle mit seinem Motorboot dorthin fahren, weil dies am schnellsten ginge: der Fjord sei ja bereits eisfrei.
Frau Lotte hatte darauf den Wunsch geäußert, ihn zu begleiten. Die Nacht war mondhell, und der Reeder Gunnar Balnör, Frau Lottes Vater, war bereit, ebenfalls mitzufahren.
Um halb zehn verließ das Motorboot, das eine kleine Heckkajüte hatte, den Hafen und landete gegen dreiviertel zehn an dem Holzstege des Dorfes Söndar. Olavsen stieg mit seiner Instrumententasche aus und eilte den nahen Häusern zu, während Vater und Tochter im Boote blieben. Olavsen hatte ihnen erklärt, er würde spätestens nach zwanzig Minuten wieder zurück sein.
Doch – eine Stunde verstrich, und er erschien noch immer nicht. Der Reeder und seine Tochter waren zuletzt in der Nähe der Anlegebrücke auf und ab gegangen, um sich in der recht kühlen Märznacht nicht zu erkälten. Nachdem noch eine halbe Stunde vorüber war, wurde Herr Balnör unruhig. Er und Frau Lotte begaben sich dann zu dem Fischer Börgersen, dessen linke Hand nach einer schweren Quetschung zum Teil vereitert war.
Börgersen wohnte im viertletzten Hause des Dörfchens, das sich eine Anhöhe hinanzog. Der Reeder pochte gegen das Fenster. Erst nach einer geraumen Weile öffnete der Fischer die Haustür und erklärte dann sehr verwundert, daß er es nicht gewesen, der den Doktor telephonisch hergerufen hatte. Seiner Hand ginge es seit gestern besser. Der Doktor sei auch gar nicht hier bei ihm gewesen.
An Börgersens Worten war kaum zu zweifeln. Und doch hatte Olavsen im Wohnzimmer bei Balnörs ausdrücklich gesagt, es handele sich um Fischer Börgersens kranke Hand.
Der Reeder fragte Börgersen, wer denn hier im Dorfe Telephon habe. – „Nur der Gastwirt Brank und der Villenbesitzer Blosmer,“ erwiderte der Fischer.
Herr Balnör und seine Tochter klopften nacheinander den Gastwirt und Blosmer heraus. Beide behaupteten, das Telephon sei heute abend nicht benutzt worden.
Nun erschien dem Reeder die Sache verdächtig. Er rief von der Villa aus die Polizei in Christiania an. Um halb zwölf landete an dem Stege ein Motorkutter mit drei Kriminalbeamten. Auch diese richteten nichts aus. Haus für Haus wurde angefragt, ob jemand Doktor Olavsen gesehen habe, der hier gut bekannt war. Überall eine verneinende Antwort.
Ein Teil der männlichen Dorfbewohner half jetzt suchen. Man durchstreifte auch die Umgebung – ohne jeden Erfolg. Um ein Uhr morgens begann es zu schneien. Es schneite bis drei Uhr. Inzwischen waren Herr Balnör und Tochter wieder heimgekehrt. Die drei Beamten blieben im Dorfe.
Nach Tagesanbruch – die Schneedecke war gut zehn Zentimeter hoch – wurde die Suche nach Olavsen wieder aufgenommen. Um elf Uhr vormittags war der größte Teil des Schnees durch die Sonne wieder weggeschmolzen. Der Doktor wurde nicht gefunden. Dieser Tag verging, der nächste, der folgende. Die ganze Polizei der norwegischen Hauptstadt war auf den Beinen. Dann, am vierten Tage meldete sich ein Fischer aus einem benachbarten Fjorddorfe, der damals nachts Aalschnüre an der Küste ausgelegt hatte und eine größere Motorjacht beobachtet haben wollte, die ohne Positionslaternen südlich vom Dorfe Söndar bis halb elf vor Anker gelegen und der sich kurz vor elf ein kleines Boot vom Ostufer genähert hatte. Die Jacht sei dann den Fjord sehr schnell hinabgefahren.
Die Polizei stellte nun Nachforschungen nach dieser Jacht an. Erst am 24. März kam aus der Hafenstadt Bergen an der Nordwestküste Norwegens die überraschende Meldung, daß dort eine herrenlose Motorjacht in einer Bucht von Fischern aufgefunden worden sei. Die Jacht hieß Albatros. – Nun wurde ermittelt, daß sie einem Berliner Großkaufmann namens Schradler gehörte, der am Christianiafjord eine Sommervilla nebst Bootshaus besaß. Aus diesem Bootshaus war die Jacht gestohlen worden.
Die Polizei in Christiania lehnte die Möglichkeit, man habe Olavsen mit Hilfe dieser Jacht entführt (diese Möglichkeit war in einer dortigen Zeitung erörtert worden) als allzu phantastisch und durch nichts begründet ab. Kriminalinspektor Booger, den Harst und ich übrigens von früher her als tüchtigen Beamten kannten, hielt an der Annahme fest, Olavsen sei in ein Haus des Dorfes Söndar gelockt und ermordet worden – weshalb, das müsse erst noch festgestellt werden. –
Bis zum 3. April, dem Tage also, an dem Frau Lotte Balnör diesen Brief an Harst geschrieben hatte, war dann nichts Neues mehr ermittelt worden.
Der Brief schloß mit der nochmaligen Bitte, recht bald nach Christiania zu kommen. –
Ich legte ihn jetzt vorläufig nebst der Depesche beiseite und sah die übrigen Postsachen durch, vernichtete das, was kein Interesse mehr für Harst hatte, so auch die vier übrigen Depeschen, und stieß dann auf ein Schreiben, das auf der Rückseite des Umschlags als Absender vermerkt trug:
Eugen Schradler, Kommerzienrat,
Berlin W, Knesebeckstraße 181.
Schradler! Das war ja der Besitzer der Sommervilla am Christianiafjord und der Motorjacht Albatros!
Ich öffnete den Brief mit einiger Spannung. Gerade als ich zu lesen begonnen hatte, trat Harald ein.
„Na, mein Alter, etwas Wichtiges?! Vielleicht über Sigurd Olavsen? – Meine Mutter erzählte mir soeben, daß sie in hiesigen Zeitungen über dessen Verschwinden mancherlei gelesen habe. Da ließ es mir keine Ruhe mehr. Ich mußte Dich fragen, ob unter den Briefen –“
Ich hielt ihm Frau Lottes Schreiben und Depesche hin. Er griff hastig danach, lehnte sich an das Fenster und las.
Ich tat dasselbe mit Schradlers Brief.
Berlin, den 5. April 19.
Sehr geehrter Herr Harst!
Sie werden wohl bereits erfahren haben, daß Herr Doktor Sigurd Olavsen auf sehr seltsame Weise in der Nähe von Christiania verschwunden ist und daß ein phantasievoller Zeitungsschreiber dort den Raub meiner Motorjacht Albatros mit Olavsens Verschwinden in Zusammenhang bringt – in einen recht lockeren allerdings. – Da ich am 27. März gerade geschäftlich in Göteborg in Schweden zu tun hatte und da ein Abstecher bis Christiania von Göteborg aus nicht viel Zeit in Anspruch nimmt, fuhr ich dorthin, um mal zu sehen, ob etwa auch meine Sommervilla, die den Winter über nur von dem pensionierten Lotsen Darfanger bewohnt wird, von den Dieben ebenfalls