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zu­rück auf dem Pro­spe­ro, Liebs­te.«

      »Und Sie wol­len nicht war­ten und uns nicht mit sich neh­men?« rief der Vet­ter Was­ser­tre­ter.

      »Nein, nein! Was hat Sie auch an­ge­trie­ben, uns je­nen dort her­zu­schlep­pen? Auch wir kom­men sel­ten ge­nug dazu, uns ei­ner gu­ten Stun­de zu freu­en, und es ist durch­aus nicht nö­tig, dass man uns un­ge­la­den eine Frat­ze in den Son­nen­schein schnei­de. O Frau Ge­duld, wer­den Sie ein­mal recht, recht un­ge­dul­dig und sa­gen Sie dem Herrn aus dem Moh­ren­lan­de, dass wir un­se­re Mei­nun­gen und Ratschlä­ge kei­nes­wegs wie Brom­bee­ren her­ge­ben, oder, noch bes­ser, ru­fen Sie die Chris­ti­ne mit dem Be­sen und las­sen Sie Ihr Haus keh­ren. Gu­ten Abend, Ma­dam! Gu­ten Abend, Gent­le­men! Ich hab an mei­nem ei­gens­ten Ei­gen­sinn schwer ge­nug zu tra­gen und brau­che mir von kei­nem an­de­ren dazu mit dem Borst­wisch durch die blaue Mi­nu­te fah­ren zu las­sen. Gu­ten Abend, mei­ne Herr­schaf­ten, gu­ten Abend, Herr Leon­hard Ha­ge­bu­cher – viel­leicht tref­fen wir in ei­ner bes­sern Stim­mung wie­der zu­sam­men.«

      Sie hat­te der Frau Klau­di­ne die Stirn ge­küsst und war zur Tür hin­aus­ge­sprun­gen. Sie saß auf dem wei­ßen Pfer­de und grüß­te in la­chen­der Schön­heit, die nun gar selt­sam mit ih­ren är­ger­li­chen Wor­ten kon­tras­tier­te, über die He­cke. Als die lus­ti­ge, gra­zi­en­haf­te Er­schei­nung im Wal­de ver­schwun­den war, sa­ßen die bei­den Män­ner noch eine ge­rau­me Wei­le sehr ver­blüfft da und starr­ten ins Lee­re, bis die Frau Klau­di­ne seufz­te:

      »Mein ar­mes Kind, geh nur; es darf dich nie­mand schel­ten um dei­ne Un­ge­duld! Ihr lie­ben Her­ren, da ist auch eine glat­te Stirn und krau­se Ge­dan­ken dar­un­ter, und kei­ner in der Welt drau­ßen, ihre Ge­spie­lin­nen nicht und ihre Mut­ter nicht, kann so viel da­von wis­sen als ich. Und sie kommt eben­falls zu mir, um auf die Trop­fen zu hor­chen, die von dem zer­bro­che­nen, nutz­lo­sen Rad mei­ner Müh­le klin­gen; aber auch sie ist zu jung, als dass die Leh­re die­ses Klan­ges den rech­ten Sinn für sie ha­ben könn­te, und zu jung sind auch Sie, Herr Leon­hard.«

      Mit den letz­ten Wor­ten hat­te sich die Be­woh­ne­rin der Kat­zen­müh­le von neu­em an den Afri­ka­ner ge­wen­det und fuhr jetzt fort:

      »Ich woll­te Ih­rer nicht spot­ten, mein Kind. ’s ist auch eine Kunst wie so man­ches an­de­re; und wenn ich vor­einst mehr da­von wuss­te, so habe ich das gleich so man­chem an­de­ren lan­ge ver­lernt hier in der Stil­le. Es ist ein übel La­chen in der Kat­zen­müh­le, wenn man al­lein sitzt und auf das Fal­len der Was­ser­trop­fen horcht und auf den Hä­her tiefer im Wal­de. Man lernt das La­chen und den Spott nicht in der Ein­sam­keit! – Wes­halb wol­len Sie das, was Sie in der Wüs­te er­leb­ten und dach­ten, nicht auf eine Ta­fel ma­len, um es dem Vol­ke zu zei­gen und zu deu­ten? Vie­le klu­ge und gute Leu­te ha­ben das­sel­be ge­tan und so einen großen Nut­zen ge­stif­tet, in­dem sie ihr Schick­sal, ihre schwe­ren Mü­hen und Ar­bei­ten, ihr Glück und Un­glück sing- und sag­bar mach­ten. Den­ken Sie nach über das, was Sie er­leb­ten; – hier im Wal­de, auf der Land­stra­ße des Herrn Vet­ters, in Ih­rer El­tern Hau­se, über­all den­ken Sie dar­über nach, und wenn Sie wol­len, kön­nen Sie auch nie­der­schrei­ben, was Sie für nütz­lich und neu hal­ten. Es ist ein schö­ner Som­mer, die Tage sind lang, und man hat vol­le Zeit, sich al­ler­lei zu über­le­gen, bis der Herbst in das Land kommt; – nach­her, wenn Sie ge­nug zu­sam­men­ge­tra­gen ha­ben, re­den Sie zu dem Vol­ke da­von, Sie wer­den tau­send Hö­rer fin­den, und wenn Sie Ihre Sa­che recht ma­chen, so sol­len Sie sich wun­dern, wie schnell sich Stei­ne in Gold, Ver­druss in Wohl­be­ha­gen und großes Elend in noch grö­ße­res und sehr dau­er­haf­tes Glück ver­wan­deln kön­nen.«

      »Was sagst du, Leon­hard? Was habe ich dir ge­sagt?« rief der We­ge­bau­in­spek­tor in hel­ler Be­geis­te­rung. »Ha­ben wir an die rech­te Tür ge­klopft? O Frau Klau­di­ne, was hät­te aus mir wer­den kön­nen, wenn Sie Anno neun­zehn in Mainz an der Tür der Zen­tral­un­ter­su­chungs­kom­mis­si­on auf mich ge­war­tet hät­ten! Rühr dich, Leon­hard, und küs­se der Ma­dam Klau­di­ne die Hand, oder ich zie­he die mei­ni­ge so voll­stän­dig von dir ab wie nur je der Stamm Levi von der üb­ri­gen Vet­tern­schaft, wenn der Kir­chen­zehn­te in Ge­fahr kam, weil Bac­chus und Ve­nus, Baal oder der Dra­che zu Ba­bel es bil­li­ger ta­ten.«

      Die Her­rin der Kat­zen­müh­le er­hob dro­hend lä­chelnd den Fin­ger und sag­te:

      »Herr Vet­ter, Herr Vet­ter, es ist si­cher­lich zu je­der Zeit ein schwe­res Stück Ar­beit ge­we­sen, Sie einen Weg zu füh­ren, den Sie nicht ge­hen woll­ten. Jetzt hal­ten Sie ge­fäl­ligst den Mund und las­sen mich aus­spre­chen. Sie fal­len vom Mon­de her­ab, Herr Ha­ge­bu­cher, und ha­ben so­mit viel zu er­zäh­len; sin­gen Sie Ihr Lied vor Ih­rer bun­ten Ta­fel, und das Le­ben der Ge­gen­wart, das Sie un­ter so großen Mü­hen wie­der­zu­fin­den su­chen, wird ge­wiss zu Ih­nen kom­men, und wohl Ih­nen, wenn es Sie nicht er­tränkt und er­stickt mit sei­nen bit­tern, trü­ben Flu­ten.«

      Leon­hard Ha­ge­bu­cher hat­te die Stirn tief ge­senkt; der Vet­ter Was­ser­tre­ter aber schlug von neu­em mit großer Ge­walt auf sein Knie und rief be­geis­tert:

      »Ma­dam Klau­di­ne, der Bur­sche kann’s ma­chen, und ich wer­de ihm hel­fen! Hur­ra, da sol­len nicht Nip­pen­burg und Bums­dorf al­lein Au­gen und Ohren auf­sper­ren! Vi­vat, jetzt ha­ben wir eine Be­schäf­ti­gung für den Win­ter –«

      »Wo steht Euer treff­li­cher Gaul, Herr We­ge­bau­in­spek­tor?« un­ter­brach die Frau Klau­di­ne den Ent­zück­ten, und der Vet­ter, der gern noch län­ger das Wort be­hal­ten hät­te, ant­wor­te­te:

      »Nun, im Och­sen, wie ge­wöhn­lich.«

      »So tut mir den Ge­fal­len, Liebs­ter, und schlen­dert hin zum Och­sen; rei­tet heim und lasst mir die­sen hier noch ei­ni­ge Au­gen­bli­cke al­lein; ich schi­cke ihn Euch so bald als mög­lich nach. Ihr habt mir ein freund­li­ches Zu­trau­en er­wie­sen, Herr Vet­ter, in­dem Ihr Eu­ren Schütz­ling mir zu­führ­tet, und dass ich das­sel­be nicht täu­schen wer­de, wisst Ihr. Lasst mir den Herrn Leon­hard noch ein Stünd­chen, ich ver­spre­che Euch auch, dass Ihr noch vie­le Freu­de an ihm er­le­ben sollt.«

      Der Vet­ter Was­ser­tre­ter mach­te eine Be­we­gung, als ob er sich die Hän­de wa­sche, und sag­te grei­nend, in­dem er sich lang­sam er­hob:

      »Ma­dam Klau­di­ne, es ist si­cher, dass Ihr eine klu­ge Frau seid und dass man sich auf Euch je­der­zeit ver­las­sen kann, auch wenn Ihr ei­nem den Stuhl vor die Tür setzt. Ich habe schon Zer­brech­li­che­res als den Vet­ter Ha­ge­bu­cher in Eure Hän­de ge­legt; also wün­sche ich Euch hier­mit einen gu­ten Abend und mar­schie­re Eu­rem Wun­sche ge­mäß nach dem Och­sen. Bringt ihn ’rum, ich mei­ne den Jüng­ling aus Afri­ka, und lasst nicht los, eh Ihr sei­ner Un­mün­dig­keit auf die Bei­ne ge­hol­fen habt. Sei brav, Leon­hard, und be­den­ke, wie viel Lie­be und Ehre dir an­ge­tan wird. Soll­test du mich bis ge­gen zwei Uhr mor­gens noch nö­tig ha­ben, so mel­de dich un­ter mei­nem Fens­ter; du weißt, dass der Schlaf mei­ne schwa­che Sei­te ist.«

      »Gu­ten Abend, Herr We­ge­bau­in­spek­tor!« rief die Frau Klau­di­ne ein we­nig un­ge­dul­dig; der Vet­ter Was­ser­tre­ter küss­te mit großer Zier­lich­keit die Hand ge­gen sie und ver­schwand end­lich pfei­fend hin­ter den Bü­schen, ein gut Stück We­ges be­glei­tet von dem Wäch­ter der Kat­zen­müh­le, ei­nem statt­li­chen wei­ßen Spitz­hund, des­sen Ver­wandt­schaft in sehr gu­ten Um­stän­den

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