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Sklaven gingen und kehrten mit der Nachricht wieder, die Schalen seien in einem Tempel eingeschlossen.

      »Man öffne ihn!« brüllten die Söldner.

      Zitternd gestanden nun die Sklaven, die Gefäße wären in den Händen des Generals Gisgo.

      »So soll er sie selber herbringen!« schrien die Soldaten.

      Bald erschien Gisgo im Hintergrunde des Gartens, von einer Leibwache aus Gardisten umgeben. Sein weiter schwarzer Mantel, an der goldnen, edelsteingeschmückten Mitra auf seinem Haupte befestigt, umwallte ihn bis auf die Hufe seines Pferdes und verschwamm in der Ferne mit dem Dunkel der Nacht. Man sah nichts als seinen weißen Bart, das Gefunkel seines Kopfschmuckes und die dreifache Halskette aus breiten blauen Schildern, die ihm auf die Brust herabhing.

      Als er nahte, begrüßten ihn die Söldner mit lautem Willkommengeschrei.

      »Die Schalen!« riefen sie. »Die Schalen!«

      Er begann mit der Erklärung, sie seien der Schalen in Anbetracht ihres Mutes durchaus würdig.

      Die Menge heulte vor Freude und klatschte Beifall.

      Er wisse das wohl, fuhr Gisgo fort, er, der sie dadrüben geführt habe und mit der letzten Kompagnie auf der letzten Galeere zurückgekehrt sei!

      »Das ist wahr! Das ist wahr!« rief man.

      Die Republik, redete er weiter, habe ihre Teilung nach Völkern, ihre Bräuche und ihren Glauben geachtet. Sie seien frei in Karthago! Was aber die Schalen der Garde anbeträfe, so sei das Privateigentum.

      Da sprang ein Gallier, der neben Spendius gestanden hatte, über die Tische weg, gerade auf Gisgo zu und fuchtelte drohend mit zwei bloßen Schwertern vor ihm herum.

      Ohne seine Rede zu unterbrechen, schlug ihn der General mit seinem schweren Elfenbeinstab auf den Kopf. Der Barbar brach zusammen. Die Gallier heulten. Ihre Wut teilte sich den andern mit und drohte sich gegen die Leibwache zu richten. Gisgo zuckte die Achseln, als er die Gardisten erbleichen sah. Er sagte sich, daß sein eigner Mut gegenüber rohen, erbitterten Bestien nutzlos sei. Besser wäre es, dachte er, sich später durch eine Hinterlist an ihnen zu rächen.

      Er gab seinen Kriegern einen Wink und zog sich langsam zurück. Unter der Pforte aber wandte er sich noch einmal nach den Söldnern um und rief ihnen zu, das solle sie eines Tages gereuen.

      Das Gelage begann von neuem. Doch Gisgo konnte zurückkommen und sie durch Umstellung der Vorstadt, die an die äußeren Wälle stieß, gegen die Mauern drücken. Trotz ihrer Anzahl fühlten sie sich mit einem Male verlassen; und die große Stadt, die im Dunkel unter ihnen schlief, flößte ihnen plötzlich Furcht ein mit ihrem Treppengewirr, mit ihren hohen düstern Häusern und ihren unbekannten Göttern, die noch grauenhafter waren als selbst die Bewohner. In der Ferne spielten Scheinwerfer über den Hafen hin. Auch im Tempel Khamons war Licht. Da gedachten sie Hamilkars. Wo war er? Warum hatte er sie verlassen, als der Friede geschlossen war? Sein Zerwürfnis mit dem Rat war gewiß nur Blendwerk, um sie zu verderben. Ihr ungestillter Haß übertrug sich auf ihn. Sie verfluchten ihn und entfachten ihren Zorn aneinander zur Wut. In diesem Augenblick entstand ein Auflauf unter den Platanen. Mit Händen und Füßen um sich schlagend, wand sich ein Neger auf dem Boden, mit stierem Blick, verrenktem Hals und Schaum auf den Lippen. Jemand schrie, er sei vergiftet. Da wähnten sich alle vergiftet. Sie fielen über die Sklaven her. Ein furchtbares Geschrei erhob sich, und ein Taumel wilder Zerstörungswut erfaßte das trunkene Heer. Man schlug wie blind um sich, zerbrach und mordete. Einige schleuderten Fackeln in die Baumkronen. Andre lehnten sich über die Brüstung der Löwengrube und schossen nach den Löwen mit Pfeilen. Die Verwegensten liefen zu den Elefanten, um ihnen die Rüssel abzuschlagen. Es gelüstete sie nach Elfenbein.

      Inzwischen waren balearische Schleuderer, um gemächlicher plündern zu können, um die Ecke des Palastes gelaufen. Sie stießen auf ein hohes Gitter aus indischem Rohr, durchschnitten die Riemen des verschlossenen Tores mit ihren Dolchen und befanden sich nun unter der Karthago zugewandten Palastfront in einem zweiten Garten mit verschnittenen Hecken. Lange Reihen dicht aneinander gepflanzter weißer Blumen beschrieben hier auf dem azurblauen Boden weite Bogen gleich Sternenketten. Die dunkeln Gebüsche hauchten schwüle Honigdüfte aus. Mit Zinnober bestrichene Baumstümpfe schimmerten wie blutige Säulen. In der Mitte des Gartens trugen zwölf kupferne Träger je eine große Glaskugel, in deren Rundungen bizarre rötliche Lichter spielten; sie glichen riesigen, lebendigen, zuckenden Augäpfeln. Die Söldner leuchteten mit Pechfackeln, indes sie über den abschüssigen und tief umgegrabenen Boden stolperten. Da erblickten sie einen Weiher, der durch Wände von blauen Steinen in mehrere Becken zerlegt war. Das Wasser war so klar, daß das Licht der Fackeln bis auf den Grund fiel und auf einem Bett von weißen Steinen und Goldstaub zitterte. Das Wasser begann zu schäumen. Sprühende Funken glitten durch die Flut, und große Fische, die Edelsteine am Maule trugen, tauchten zur Oberfläche empor.

      Die Söldner steckten ihnen unter lautem Gelächter die Finger in die Kiemen und trugen sie zu ihren Tischen.

      Es waren die Fische der Barkiden. Sie stammten sämtlich von jenen Urquappen ab, die das mystische Ei ausgebrütet hatten, aus dem die Göttin entstanden war. Der Gedanke, einen gottlosen Frevel zu begehen, reizte die Begierde der Söldner. Flugs machten sie Feuer unter ehernen Becken und ergötzten sich daran, die schönen Fische im kochenden Wasser zappeln zu sehen.

      Die Söldner schoben und drängten sich. Sie hatten keine Furcht mehr. Von neuem begannen sie zu zechen. Die Salben, die ihnen von der Stirn trieften, flossen in schweren Tropfen auf ihre zerrissenen Waffenröcke. Sie stemmten beide Ellbogen auf die Tische, die ihnen wie Schiffe zu schwanken schienen, und schauten mit stieren, trunkenen Blicken umher, um wenigstens mit den Augen zu verschlingen, was sie nicht mitnehmen konnten. Andre stampften mitten unter den Schüsseln auf den purpurnen Tischdecken herum und zertrümmerten mit Fußtritten die Elfenbeinschemel und die tyrischen Glasgefäße. Gesänge mischten sich in das Röcheln der Sklaven, die zwischen den Scherben der Trinkgefäße ihr Leben aushauchten. Man forderte Wein, Fleisch, Gold. Man schrie nach Weibern. Man phantasierte in hundert Sprachen. Einige glaubten sich im Dampfbade wegen des Brodems, der sie umwogte. Andre wähnten sich beim Anblick des Laubwerks auf der Jagd und stürmten auf ihre Gefährten ein wie auf Wild. Das Feuer sprang von Baum zu Baum, und die hohen grünen Massen, aus denen lange weiße Rauchkringel emporstiegen, sahen wie Vulkane aus, die zu qualmen beginnen. Das Geschrei nahm zu. Im Dunkeln brüllten die verwundeten Löwen.

      Mit einem Schlage erhellte sich die oberste Terrasse des Palastes. Die Mitteltür tat sich auf, und eine weibliche Gestalt, Hamilkars Tochter, in einem schwarzen Gewande, erschien auf der Schwelle. Sie stieg die erste Treppe hinab, die schräg vom obersten Stockwerk abwärts lief, dann die zweite, die dritte. Auf der untersten Terrasse, am oberen Ende der Freitreppe mit den Schiffsschnäbeln, blieb sie stehen. Unbeweglich und gesenkten Hauptes schaute sie auf die Soldaten hinab.

      Hinter ihr standen zu beiden Seiten zwei lange Reihen bleicher Männer in weißen rotgesäumten Gewändern, die in senkrechten Falten bis auf die Füße herabwallten. Sie hatten weder Bärte noch Haare noch Brauen. In ringfunkelnden Händen trugen sie riesige Lyren, und mit gellenden Stimmen sangen sie einen Hymnus auf Karthagos Göttlichkeit. Es waren die Eunuchenpriester aus dem Tempel der Tanit, die Salambo des öfteren in ihr Haus berief.

      Salambo stieg die Galeerentreppe hinunter. Die Priester folgten. Dann schritt sie die Zypressenallee hin, langsam, zwischen den Tischen der Hauptleute, die ein wenig zur Seite rückten, als sie vorüberging.

      Ihr Haar war mit einer Art violetten Staubes gepudert und nach der Sitte der kanaanitischen Jungfrauen hochgetürmt. Es ließ sie größer erscheinen, als sie wirklich war. An den Schläfen festgesteckte Perlenschnüre hingen bis an die Winkel ihres Mundes herab, der wie ein aufgesprungener Granatapfel glühte. Auf der Brust trug sie einen Schmuck aus blitzenden Edelsteinen, bunt wie das Schuppenkleid einer Muräne. Ihre diamantgeschmückten Arme traten nackt aus der ärmellosen schwarzen Tunika hervor, die mit roten Blumen bestickt war. Zwischen den Knöcheln trug sie ein goldnes Kettchen, das ihre Schritte regelte, und ihr weiter dunkelpurpurner Mantel aus fremdländischem seltenen Stoffe schleppte hinter ihr

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