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Der Herr der Welt. Robert Hugh Benson
Читать онлайн.Название Der Herr der Welt
Год выпуска 0
isbn 9783954185498
Автор произведения Robert Hugh Benson
Жанр Языкознание
Серия Science Fiction & Fantasy bei Null Papier
Издательство Bookwire
Stillschweigen herrschte für einige Momente. Ein schwaches Zittern ging durch den Raum; eine der Riesenlokomotiven passierte den über ihnen gelegenen breiten Boulevard.
»Prophezeien Sie!« brach Percy das Schweigen. »Ich meine, bezüglich der Religion.«
Mr. Templeton tat einen langen Atemzug aus seinem Apparat; dann nahm er die Unterhaltung wieder auf.
»Kurz gesagt«, begann er, »wir haben drei religiöse Mächte — den Katholizismus, den Humanitarismus und die Religionen des Ostens. Was die Letzteren betrifft, kann ich nichts prophezeien, wenn ich auch glaube, dass schließlich die Sufis Sieger bleiben werden. Etwas wird geschehen; der Esoterizismus — und damit der Pantheismus — schreitet mächtig voran; und die Verschmelzung der chinesischen mit der japanischen Dynastie wirft alle unsere Berechnungen über den Haufen. Aber, und daran ist kein Zweifel, in Europa und Amerika vollzieht sich der Kampf zwischen den beiden anderen. Wir können alles Übrige beiseitelassen. Und, wenn Sie wünschen, dass ich meine Meinung sage, ich glaube, dass, menschlich gesprochen, der Katholizismus rasch zurückgehen wird. Es ist vollkommen wahr, dass der Protestantismus tot ist. Die Menschheit hat endlich erkannt, dass eine übernatürliche Religion eine absolute Autorität erfordert, und dass die Freiheit in Glaubensfragen nichts anderes ist, als der Beginn der Zersetzung. Und ebenso wahr ist es, dass, nachdem die katholische Kirche die einzige Institution ist, welche für sich übernatürliche Autorität mit all ihren erbarmungslosen Konsequenzen in Anspruch nimmt, sie allein die Anhängerschaft so ziemlich aller Christen besitzt, die sich noch irgend einen übernatürlichen Glauben bewahrt haben. Es gibt wohl einige Besserwisser, besonders in Amerika und bei uns, aber sie kommen nicht in Betracht. Das ist alles ganz gut; aber andrerseits dürfen Sie nicht vergessen, dass der Humanitarismus entgegen den Erwartungen aller im Begriff ist, selbst eine, wenn auch der übernatürlichen entgegengesetzte, Religion zu werden. Er ist nichts anderes, als Pantheismus; er schafft sich unter dem Deckmantel der Freimaurerei einen eigenen Ritus, er hat sein eigenes Credo: ›Gott ist der Mensch‹, und so fort. Er bietet daher religiösem Forschen in gewisser Beziehung wirklichen Stoff, er idealisiert, ohne dabei irgendwelche Anforderungen an geistige Fähigkeit zu stellen. Dazu kommt, dass ihm alle Kirchen und Kathedralen, die unsrigen ausgenommen, zur Verfügung stehen, und dass man dort endlich angefangen hat, dem Gefühle Rechnung zu tragen. Es ist ihm außerdem möglich, seine Symbole zur Schau zu tragen, was wir nicht dürfen. Ich glaube, in spätestens zehn Jahren wird er gesetzlich anerkannt sein.
Nun bedenken Sie, dass wir Katholiken bereits abnehmen; seit mehr als fünfzig Jahren gehen wir stetig zurück. Nach meiner Schätzung machen wir ungefähr ein Vierzigste! Amerikas aus, — und das ist das Resultat der katholischen Bewegung vom Anfang der zwanziger Jahre. In Frankreich und Spanien existieren wir nicht mehr, geschweige denn in Deutschland. Wir halten allerdings unsere Stellung im Osten, aber selbst da bilden wir ein halbes Prozent — die Statistiken sagen es wenigstens — und dieses ist sehr verstreut. In Italien. Es ist richtig, Rom gehört wieder uns, das ist aber auch alles; hier haben wir das gesamte Irland und ungefähr einen Katholiken auf sechzig Einwohner in England, Wales und Schottland, aber wir hatten noch vor siebzig Jahren einen auf vierzig. Dazu kommen die enormen Fortschritte der Psychologie, die seit mindestens einem Jahrhundert sich direkt gegen uns richten. Anfangs, sehen Sie, herrschte der reine und nackte Materialismus, — dieser versagte mehr oder weniger, — er war zu roh, — bis ihm die Psychologie zu Hilfe kam. Nunmehr beansprucht die Psychologie das ganze übrige Gebiet, und der Sinn für Übernatürliches scheint sich für jene zu erklären. So stehen die Dinge. Nein, Father, wir nehmen ab; und wir werden weiter abnehmen, und ich glaube, wir müssen jeden Moment auf eine Katastrophe gefasst sein.«
»Aber —«, begann Percy.
»Sie halten das für die Schwäche eines alten Mannes, der am Rande des Grabes steht. Nun, es ist, wie ich denke. Ich sehe keine Hoffnung. In der Tat, es scheint mir sogar, dass gerade jetzt etwas Unerwartetes über uns hereinbrechen wird. Nein, ich sehe keine Hoffnung, bis —«
Percy blickte rasch auf.
»Bis unser Heiland wiederkehrt«, sagte der alte Staatsmann. —
Father Franzis seufzte abermals und Schweigen trat ein.
»Und der Fall der Universitäten?«, fragte Percy nach einer Weile.
»Mein lieber Herr, das war genau wie beim Fall der Klöster unter Heinrich VIII. — dieselben Ergebnisse, dieselben Beweisgründe, dieselben Zwischenfälle. Sie waren die Bollwerke des Individualismus, wie die Klöster jene des Papsttums waren, und sie wurden mit derselben Scheu und dem gleichen Neid betrachtet. Dann begann die gewöhnliche Art von Bemerkungen über die Menge des dort getrunkenen Portweins, und sogleich sagte man, die Universitäten hätten sich überlebt, dass ihre Insassen Mittel und Zweck verwechselten, — und man hatte sehr viel mehr Grund, das zu sagen. Jedenfalls, wo übernatürlicher Glaube besteht, sind Klöster eine einfache Konsequenz desselben; der Zweck einer rein weltlichen Erziehung aber ist wohl die Schaffung von etwas Wahrnehmbarem — entweder Charakter oder Kenntnissen; und es kam dahin, dass es unmöglich mehr bewiesen werden konnte, dass die Leistungen der Universitäten deren Existenz gerechtfertigt hätten. Die Unterscheidung zwischen ον und μη7 ist noch nicht Zweck an sich, und die Menschen, die durch ein solches Studium gebildet wurden, waren nicht das, was das England des Zwanzigsten Jahrhunderts brauchte. Und ich möchte nicht einmal behaupten, dass dieselben etwa mir besonders entsprachen (und ich bin immer ein unentwegter Individualist gewesen) — ausgenommen vielleicht durch ihr Pathos.«
»Ja?«, sagte Percy.
»O, an Pathos fehlte es am allerwenigsten. Die Hochschulen von Cambridge und die Kolonialakademie von Oxford waren die letzte Hoffnung, und endlich gingen auch diese ein. Die alten Herren Professoren, die ›Dons‹, zogen mit ihren Büchern umher, aber niemand fragte mehr nach ihnen, — sie waren zu einseitig theoretisch; einige landeten in Armenhäusern ersten oder zweiten Grades, um andere nahmen sich mitleidige Geistliche an, auch wurde ein Versuch gemacht, sie gemeinsam in Dublin unterzubringen, aber auch dieser scheiterte, und bald hatte man ihrer ganz vergessen. Die Gebäulichkeiten wurden, wie Ihnen ja bekannt, für alle möglichen Zwecke verwendet.