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hörte ihm angespannt zu, aber je länger der Spezialist redete, um so größer wurde das Vertrauen, das Susanne zu ihm faßte.

      »Ich bin einverstanden«, sagte sie schließlich. »Und ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie hergekommen sind, um diesen Eingriff zu wagen. Ich weiß, daß Sie es vor allem wegen Dr. Winter tun…«

      Dr. Franklin schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht ganz, Susanne«, sagte er. »In erster Linie tue ich es für Sie. Sie sind noch so jung, haben noch so viel vor sich… und ich hoffe, daß ich ein wenig dazu beitragen kann, Ihre Zukunft schön und glücklich zu gestalten. Den Rest sollten Sie und Ihr netter Freund von eben dann selbst tun.«

      »Aber Herr Franzen ist doch nicht…«, begann sie, brach aber im nächsten Moment ab. Er ist nicht mein Freund, hatte sie sagen wollen. Doch das stimmte nicht. In den wenigen Tagen, die sie und Thorsten Franzen sich jetzt kannten, war er ihr schon sehr vertraut geworden.

      Sie hatte gleich beim ersten Sehen viel Sympathie für ihn empfunden, doch jetzt, wo sie viel mit ihm gesprochen hatte, wo er ihr von seiner Arbeit erzählt hatte, von seinen Zukunftsplänen, in denen auch sie einen Platz hatte, war er ihr ans Herz gewachsen. Ach, sie war sich darüber im klaren, daß er Mitleid mit ihr hatte und ihr nur aus diesem Mitleid heraus angeboten hatte, eventuell in seiner Firma zu arbeiten.

      Doch sie war froh darüber. Was sollte sie sonst tun? Eine Malerin im Rollstuhl… nein, das ging nicht. Sie würde, wenn die Operation mißlang und sie für immer gelähmt bleiben würde, nie wieder große Bilder malen können. Nie wieder… Ohne, daß sie es wollte, traten Tränen in Susannes Augen, denn ihr wurde bewußt, daß ihr Leben an einem seidenen Faden hing, wenn es Dr. Franklin nicht gelang, den Tumor herauszuoperieren.

      Der Arzt hatte ihr wechselndes Mienenspiel genau beobachtet. »Sie sollten nur positive Gedanken haben«, sagte er. »Ich habe mir alle Röntgenunterlagen angesehen und bin mit meinem Freund Winter die CT-Aufnahmen durchgegangen. Ich denke, daß ich Ihnen helfen kann. Aber…« Er strich kurz über Susannes Wange. »Ich will Sie immer lächeln sehen, wenn ich in Ihr Zimmer komme. Versprochen?«

      »Versprochen«, nickte Susanne, und sie schenkte ihm mit Tränen in den Augen ihr erstes scheues Lächeln.

      *

      »Hiergeblieben, kleines Fräulein!« Oberschwester Walli, die aus ihrem Kurzurlaub zurück war, hielt Tanja am Zipfel des hellgelben Bademantels zurück. »Deine Mami kommt gleich, dann könnt ihr nach Hause fahren.«

      »Ich muß mich aber noch verabschieden gehen!« Das kleine Mädchen hielt ein buntes Bild hoch. »Das hab’ ich Susanne versprochen. Und was man verspricht, muß man auch halten.«

      »Das stimmt, aber du kannst jetzt wirklich nicht zu Susanne. Sie wird von Dr. Winter untersucht, denn heute nachmittag wird sie operiert. Und das ist ganz wichtig für sie.«

      Tanja nickte, doch ihre Augen bekamen einen feuchten Schimmer. »Nie seh ich die Leute wieder, die ich mag«, sagte sie leise. »Erst ist mein Papi weg, dann kann ich nicht mehr Auf Wiedersehen zu Susanne sagen.«

      Walli schluckte. Sie wußte im ersten Augenblick nicht, was sie erwidern sollte, doch dann meinte sie. »Susanne ist bestimmt bald wieder gesund, dann kommst du sie einfach besuchen, ja? Und ich bin sicher, daß sie sich dann noch mehr über ein Bild von dir freut.«

      Tanja nickte zögernd und folgte der Schwester ein bißchen widerwillig ins Zimmer zurück. »Wann kommt meine Mami denn?« erkundigte sie sich.

      Walli warf einen kurzen Blick zur Uhr. »Gleich«, antwortete sie, dabei fragte sie sich insgeheim, was passiert war, daß sich ihre Kollegin Juliane so verspätete. Das war eigentlich gar nicht ihre Art. Walli ahnte ja nicht, was sich in diesem Moment in einer kleinen Straße etwas außerhalb des Stadtzentrums zutrug…

      Schwester Juliane schloß gerade die Wohnungstür ab und kontrollierte, ob sie alles dabei hatte, was sie brauchte, um Tanja aus der Klinik abzuholen, als ein Mann langsam die wenigen Treppenstufen hinaufkam. Sein Gesicht war zwar sonnengebräunt, doch ausgemergelt. Tiefe Falten zogen sich von der Nase hinunter zu den Mundwinkeln.

      »Juliane…« Seine Stimme klang rauh, doch voller Zärtlichkeit. Die junge Frau zuckte zusammen, dann ließ sie alles, was sie in Händen hielt, fallen und stürzte die Treppe hinunter.

      »Harald!« Der Name klang wie ein Schrei.

      Und dann hielten sie sich umarmt, weinend und lachend zugleich. Es war ein Moment, der keine Worte brauchte, ein Augenblick, in dem nur ihre Herzen sprachen.

      Es dauerte ein paar Minuten, bis Juliane sich ein wenig aus der Umarmung des Mannes löste und ihm in die Augen sah.

      »Was ist passiert?« fragte sie. »Wo, um Himmels willen, hast du nur gesteckt? Ich bin fast verrückt geworden aus Sorge um dich.«

      »Ich wurde von Eingeborenen verschleppt, erkrankte, bekam hohes Fieber – und wurde wieder von ihnen ausgesetzt. Wochenlang hab’ ich in einem kleinen Camp gelegen, mehr tot als lebendig. Und niemand wußte, wer ich war, woher ich kam…« Sie kamen in die Wohnung, und hier erfuhr Juliane in Kurzform alles Weitere.

      »Als ich halbwegs wieder gesund war, als ich meinen Namen sagen konnte, war es zu spät – die Expedition war wieder in die Zivilisation zurückgekehrt. Also machte ich mich mit ein paar Männern auf den Weg.« Er legte den Arm um Juliane. »Du ahnst ja nicht, wie groß, wie unendlich verzweigt der Amazonas ist… und wie klein ein Mensch, der sich auf einem selbstgebauten Floß darauf fortbewegt.«

      Juliane schmiegt sich an ihn. Sie war ja so glücklich, ihn wiederzuhaben!

      »Warum hast du dich denn nicht gemeldet, nachdem du wieder in halbwegs zivilisierten Gegenden warst?«

      »Ich wollte natürlich, aber da bekam ich auf einmal ein rätselhaftes Fieber, das die Ärzte nicht einordnen konnten. Sie behielten mich auf einer provisorisch eingerichteten Isolierstation, bis es mir besserging und ich endlich nach London abreisen konnte. Ich flog nach London, und dort wurde ich erst mal wieder untersucht und in ein Tropenkrankenhaus gebracht, denn dieses Fieber kam wieder.« Er lächelte Juliane beruhigend zu. »Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes. Ich hatte eine Vergiftung… irgend etwas müssen mir diese verrückten Stammesältesten ins Essen gemischt haben, das nachhaltige Fieberschübe verursachte. Man weiß ja, daß diese heiligen Männer über Kräfte verfügen, die wir mit all unserer Wissenschaft nicht enträtseln können. Und sie haben Gifte, die uns schaudern machen.«

      »Aber jetzt ist jede Gefahr gebannt?« fragte sie bang.

      »Ich bin wieder gesund, das steht fest. Und ich wollte auch erst wieder heimkehren, wenn ich diese Gewißheit hatte.« Harald Steffens seufzte unterdrückt auf. »Weißt du, die Ärzte in London waren sehr skeptisch und hatten Zweifel daran, ob die rätselhafte Krankheit vielleicht ansteckend sein könnte. Und ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich dich und Tanja angesteckt hätte.« Er sah sich um. »Wo ist sie überhaupt? Ob sie mich noch erkennt?«

      Juliane lächelte. »Das mit Sicherheit. Wenn du magst, können wir sie zusammen aus der Kurfürsten-Klinik abholen. Dort hat man ihr den Blinddarm rausnehmen müssen.«

      »Mein armes Spätzchen.«

      »Du mußt sie nicht bedauern, sie ist dort behandelt worden wie eine Prinzessin und hat das alles wie ein aufregendes Abenteuer genossen.«

      »Dann los, ich bin so gespannt darauf, sie wiederzusehen.« Harald legte den Arm um seine Frau. »Du ahnst ja nicht, Liebling, wie sehr ich mich nach euch gesehnt habe.«

      »Und du ahnst nicht, wieviel Angst ich um dich ausgestanden habe.« Juliane schmiegte sich an ihn. »Aber jetzt bist du zurück – ich hoffe, du bleibst diesmal lange.«

      »Für immer. Die Zeit, in der ich unbedingt auf Abenteuer aus war, ist vorbei. Keine Expeditionen mehr ins Ungewisse. Ich denke, ich nehme den Lehrauftrag an, den man mir angeboten hat.«

      »Ein Lehrauftrag?« fragte Juliane überrascht. »Davon weiß ich ja noch gar nichts.«

      »Auch ich weiß es erst seit einer Woche. Aber… ich

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