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zu, die gerade die Rosen, die ihr Jonas mitgebracht hatte, aus der Vase nahm. Die Blüten waren inzwischen verwelkt. Es ist wie ein Zeichen, dachte Susanne und sah zu, wie Schwester Monika die Blumen in den Abfall warf. So, wie die Rosen dahingewelkt sind, ist auch unsere Liebe vergangen. Sie erschrak über diesen Gedanken. Meine Liebe auch? fragte sie sich überrascht. Bedeutet Jonas mir inzwischen auch nichts mehr? Hat er mich so verletzt durch sein Benehmen, durch seine Lieblosigkeit und seinen Egoismus, daß all meine Gefühle für ihn gestorben sind?

      Sie wagte sich diese Frage nicht zu beantworten. Nicht jetzt. Noch nicht…

      Schwester Monika trat ans Bett und sah lächelnd auf die Patientin hinab. »Was kann ich denn noch für Sie tun, Susanne?« fragte sie. »Sie äußern so gar keinen Wunsch. Dabei möchten wir alle Sie so gern ein wenig verwöhnen.«

      Die Kranke lächelte. »Das ist sehr lieb von Ihnen, aber ich hab’ wirklich keinen besonderen Wunsch. Ich werde gut versorgt, hab’ alles, was ich brauche…« Sie zögerte.

      »Ja? Was hätten Sie gern?« hakte Schwester Monika sofort nach. »Sie hatten doch gerade was auf der Zunge!«

      »Mein Malzeug.« Susanne nickte ein wenig mit den Schultern. »Aber das geht wohl nicht. In dieser Situation ist wohl nicht dran zu denken, irgend etwas zu malen.«

      »Das sagen Sie mal nicht.« Schwester Monika lächelte optimistisch. »Sie sollen sich zwar so wenig wie möglich bewegen zurzeit, aber einen kleinen Block können Sie bestimmt so in die Höhe halten, daß Sie ein paar Skizzen darauf anbringen können. Meinen Sie nicht?«

      Susanne nickte zögernd. »Doch das müßte gehen.« Sie sah die Schwester fragend an. »Was denken Sie, Schwester Monika… werde ich wieder gesund?«

      »Aber ja!« Monika nickte spontan. »Sie müssen nur daran glauben. Ich jedenfalls tue es ganz fest. Und ich glaube daran, daß positive Gedanken sehr viel bewirken können. Außerdem ist Dr. Winter ein hervorragender Chirurg. Und wenn er, zusammen mit seinem Freund, den Eingriff wagen will… glauben Sie mir, dann haben Sie die allerbesten Chancen.«

      »Danke.« Susanne lächelte ein wenig. »Sie verstehen es wirklich, einem Mut zu machen.«

      »Dazu bin ich doch da – unter anderem«, schmunzelte Monika. »Jetzt schaue ich erst mal nach, ob ich irgendwo einen Block finde.«

      »Und ich überlege mir ein paar Motive«, gab Susanne zurück, bemüht, der Schwester eine kleine Freude zu machen. Monika gab sich sehr viel Mühe mit ihr, da wollte sie gern wirklich so tun, als würde sie voller Zuversicht in die Zukunft blicken.

      Eine Viertelstunde später hatte die junge Frau alles um sich herum vergessen. Sie hielt den Block in der Linken, mit der Rechten skizzierte sie ein paar Eindrücke, die sie in der Klinik gesammelt hatte. Und immer wieder ertappte sie sich dabei, daß sie ein markantes Männergesicht malte, das sich ihr unauslöschlich eingeprägt hatte…

      *

      »Sei lieb, Spätzchen, ja? Ich muß jetzt leider gehen, mein Nachtdienst fängt an.«

      »Und wo bist du heute?« wollte das kleine Mädchen wissen und richtete sich im Bett auf.

      »Auf der Intensivstation. Da kannst du mich wirklich nicht besuchen kommen, Tanja, das weißt du, nicht wahr?«

      »Klar doch.« Die Vierjährige nickte und ließ sich nochmals zudecken. »Bin doch nicht doof. Dahin dürfen nur ganz schwer Kranke – und Schwestern wie du. Und Ärzte. Und andere Männer, die auch helfen, die Kranken wieder gesund zu machen. Und…«

      »Du meinst Krankenpfleger. Das ist richtig. Und sonst darf da niemand hin. Vor allem keine neugierigen Kinder, denen es im Krankenhaus langweilig ist. Hier, das ist eine ganz neue Märchenkassette. Die darfst du noch hören, dann wird brav geschlafen.«

      Tanja nickte, Schwester Juliane gab ihrer kleinen Tochter einen Kuß, dann verließ sie das Zimmer, das ihr Kind mit einer Siebzehnjährigen teilte. Der Teenager allerdings, dem man ebenfalls den Blinddarm herausgenommen hatte, hielt sich mehr auf dem Flur auf als im Zimmer. Immer waren Freundinnen und Freunde zu Besuch, es wurde gekichert und gelacht, und ein paar Mal hatte Schwester Juliane die jungen Leute auch beim Rauchen ertappt.

      Die junge Frau seufzte, als sie die Tür des Zimmers hinter sich zuzog. Es war nicht ganz leicht, Tanja zu beschäftigen, und natürlich konnte sie von einer fremden Siebzehnjährigen nicht erwarten, daß sie sich um ihre kleine Zimmergenossin kümmerte. Doch ein wenig mehr Rücksicht und Hilfsbereitschaft wäre schon nett gewesen.

      Na ja, dachte Schwester Juliane, man kann eben nicht allzuviel erwarten. Hoffentlich hält Bea Wort und sieht hin und wieder nach Tanja.

      Die junge Lernschwester Bea hatte in dieser Nacht, zusammen mit Oberschwester Walli, Dienst. Und sie hatte versprochen, ein ganz besonderes Auge auf Tanja zu haben. Seit sie keine Schmerzen mehr hatte, denn der stark vereiterte Blinddarm war erfolgreich entfernt worden, und auch die befürchtete Bauchfellentzündung war nicht eingetreten, ließ sich das lebhafte kleine Mädchen kaum noch im Bett halten.

      Schwester Juliane fuhr mit dem Lift hoch zur Intensivstation, und Tanja hörte sich aufmerksam die Märchenkassette an. Dann aber wurde es einfach zu langweilig. Immer diese Prinzessinnen und so was Albernes, wie die ohne Schuh durch die Gegend lief… Tanja beschloß, sich wirklichkeitsnähere Unterhaltung zu suchen und verließ unbemerkt das Zimmer…

      Draußen auf dem Flur war alles still. Das kleine Mädchen spähte vorsichtig um die Ecke und wartete, ob nicht doch von irgendwoher eine von Mamis Kolleginnen auftauchte. Nein, die Luft war rein!

      Tanja machte ganz vorsichtig einen Schritt vor den anderen. Ein Glück, daß sie ihre dicken Pantoffel mit hatte. Die besaßen eine ganz weiche Sohle und quietschten nicht so laut wie die Sandalen, die die meisten Krankenschwestern trugen. Die machten immer so ein albernes Geräusch, wenn man damit über den Fußboden ging.

      Der Gang blieb menschenleer. Auch in der Besucherecke, die durch Grünpflanzen ein bißchen vom Flur abgegrenzt wurde, hielt sich niemand auf. Wie langweilig!

      Tanja beschloß, mal vorsichtig in eines der anderen Krankenzimmer hineinzusehen. Leise, ganz behutsam drückte das Kind im hellblauen Nachthemd die erste Klinke nieder und spähte in ein Zimmer, das nur durch die Notbeleuchtung erhellt war. In drei Betten lagen alte Frauen und schliefen.

      »Echt doof«, murmelte Tanja vor sich hin und versuchte ihr Glück an der nächsten Tür. Hier lag eine Frau allein. Sie war an ganz viele Schläuche und einen leise zischenden Apparat angeschlossen. Auch sie hielt die Augen geschlossen.

      Schwerkrank muß die sein, sagte sich Tanja. Wer an so viele Geräte angekabelt wird, ist ganz, ganz krank! Das hatte ihr die Mutti schon oft erklärt. Und mit so einer Kranken konnte man nichts anfangen.

      Also – Tür Nummer drei! Leise drückte Tanja die Klinke nieder – und begann gleich zu lächeln. Im Bett lag eine junge Frau und hielt etwas in der Hand, das sie sich gerade kritisch im Licht der Nachttischlampe ansah.

      »Hallo, ist dir auch langweilig?« wisperte Tanja und kam näher. »Mir ist ganz doll langweilig.«

      Susanne Burgmer ließ den kleinen Block sinken und drehte den Kopf so weit es ging nach rechts. »Hallo, wer bist denn du?« fragte sie überrascht und warf ganz automatisch einen Blick zur Uhr. Neun Uhr dreißig fast. Eine ungewöhnliche Zeit für den Besuch eines kleinen Mädchens!

      »Ich bin die Tanja. Ich war krank und man hat mir den Bauch aufgeschnitten. Aber jetzt tut’s fast gar nicht mehr weh. Aber ich darf noch nicht nach Hause. Und es ist so ätzend allein.« Sie trat näher. »Was ist denn mit dir? Hat der Dr. Winter dir auch den Bauch aufgeschnitten? Mir ja. Er ist ganz doll nett, der Dr. Winter. Er hat gesagt, daß ich Adrian zu ihm sagen darf. Und Onkel, wenn ich will. Und ich will. Ich hab’ ja keinen anderen Onkel.« Jetzt war sie ganz nahe herangekommen und bemerkte, daß Susanne den Kopf nicht weit drehen konnte, weil er eine Manschette trug. »Was ist denn das?«

      »Eine Halskrause. Ich hatte einen Unfall und darf mich nicht bewegen.«

      »Hat das der Adrian Winter

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