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mit, Walli«, bat er, »unten in der Ambulanz wird jede Hand gebraucht. Ich habe gerade von Schwester Bea einen Hilferuf erhalten.«

      Die Oberschwester zögerte nicht länger und folgte dem breit gebauten und ziemlich übergewichtigen Arzt hinunter in die Notaufnahme.

      Hier herrschte reger Betrieb, wie sich gleich erkennen ließ, denn außer zwei jungen Schwestern, die geschäftig hin und her eilten, sah man noch Frau Dr. Martensen und eine Röntgenassistentin, die gerade ein paar Aufnahmen in einen Untersuchungsraum brachte.

      Gerade als Walli ins Arztzimmer gehen wollte, kam Dr. Winter aus einem Behandlungsraum. Er hatte einen ziemlich blutverschmierten Kittel an, wirkte jedoch zufrieden und entspannt.

      »Na, geht alles klar?« erkundigte sich Schwester Walli.

      »Bisher noch.« Adrian knöpfte sich den Kittel auf. »Ich hatte gerade einen Vierjährigen, der vom Dreirad gestürzt ist. Beide Knie total aufgerissen, die Händchen verschrammt. Aber es ist alles nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick aussah. Ich habe die Wunden gesäubert und verbunden. Zum Glück war der Kleine schon ausreichend geimpft. Jetzt ist er ganz stolz auf seine Verbände – und einen Teddy, den Schwester Ulla ihm geschenkt hat.«

      »Und du hast den Jungen wohl geknuddelt, was?« Walli nahm den schmutzigen Kittel entgegen.

      »Er wollte nicht auf den Untersuchungstisch«, erklärte Adrian. »Da hab’ ich ihm erst mal ein paar Dinge im Zimmer erklärt – und ihn dazu auf den Arm genommen.« Er zuckte mit den Schultern und lächelte jungenhaft. »Die Wäscherei will doch auch was zu tun haben!«

      »Na klar, die sind ja auch in einer großen Klinik total unterbeschäftigt«, lachte Walli und reichte ihm einen frischen Visitenmantel.

      Gerade hatte Adrian Winter ihn zugeknöpft, als von draußen erneut das Martinshorn erklang.

      »Neue Kundschaft«, sagte Walli lakonisch.

      »Bleibst du hier und hilfst mir?« bat Adrian. »Schwester Bea ist zwar sehr willig, aber noch nicht ganz firm, wenn es gilt, mit schwierigen Patienten fertig zu werden.«

      »Sicher«, nickte Walli.

      Das Sirenengeheul erstarb, eine junge Schwester kam eilig auf Dr. Winter zu. »Ein schwerer Motorradunfall«, meldete sie. »Ich… ich war gerade mal kurz draußen… die Männer kommen gleich.« Sie hatte hektisch gerötete Wangen und wirkte sehr aufgeregt. Still für sich dachte Adrian, daß diese junge Frau noch nicht erfahren genug war für die Arbeit in der Notaufnahme, wo es galt, auch in Krisensituationen die Nerven zu behalten.

      Und da kamen schon zwei Sanitäter durch den Eingangsbereich.

      Dr. Winter schaute kurz in Kabine 3, wo er seinen Kollegen Bernd Schäfer wußte. Der junge Assistenzarzt versorgte einen alten Herrn, der auf der Straße einen leichten Kreislaufkollaps erlitten hatte.

      Jetzt aber ging es ihm schon wieder ganz gut, er saß in einem Stuhl und wartete darauf, daß sein Sohn kam, um ihn abzuholen.

      Mit einem Blick überzeugte sich Adrian Winter davon, daß Dr. Schäfer hier nicht mehr gebraucht wurde. »Es gibt Arbeit, Bernd«, sagte er deshalb hastig. »Kannst du mitkommen?«

      »Sofort.« Dr. Schäfer verabschiedete sich mit einem knappen Händedruck von dem alten Patienten, dann folgte er Adrian im Laufschritt hinüber in den großen Untersuchungsraum, der in der Mitte der Ambulanz eingerichtet worden war.

      Nach einem kurzen Blick auf den verletzten Motorradfahrer ordnete Dr. Winter an: »Blutgruppe bestimmen und Konserven fertig machen.«

      »Kochsalzlösung wurde bereits im Notarztwagen gegeben«, sagte einer der Sanitäter.

      »In Ordnung, danke.« Dr. Winter begann mit einer ersten umfassenden Untersuchung des Mannes. Er war etwa dreißig Jahre alt, dunkelhaarig und wirkte durchtrainiert. Jetzt allerdings war sein Kreislauf ganz am Boden, das Herz flatterte, und Dr. Winter mußte erkennen, daß das linke Bein des Patienten stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Mehrere Knochenbrüche, zwei offen, waren deutlich auszumachen. Außerdem vermutete der Arzt Rippenbrüche, und er hoffte für den Verunglückten, daß sich keine der Rippen in die Lunge gebohrt hatte.

      »Hier unten können wir kaum was für ihn tun«, meinte der Chef der Unfallabteilung. »Wenn der Kreislauf stabil ist, bringt ihn hoch in OP 1. Welcher Chirurg steht zur Verfügung?«

      »Frau Dr. Hemmerich«, erwiderte Schwester Walli und verzog leicht das Gesicht. Ute Hemmerich arbeitete erst seit kurzem an der Kurfürsten-Klinik, doch sie hatte es rasch verstanden sich unbeliebt zu machen. Sie war kühl, rechthaberisch und – leider – nicht einmal so kompetent, daß man ihr das unfreundliche Benehmen nachgesehen hätte.

      Aber sie war, so hieß es, eine gute Bekannte des Klinikdirektors, und nur so konnte man erklären, daß sie für ein halbes Jahr eine Anstellung bekommen hatte.

      Adrian Winter jedenfalls hielt nicht besonders viel von der Vierzigjährigen, und so erklärte er nach kurzem Zögern: »Wir machen das selbst, Bernd. Du assistierst, und du Walli, treibst mir Dr. Roloff auf. Dazu eine versierte Instrumentöse.«

      »Geht klar.« Walli, die genau wußte, daß viel von einem gut aufeinander eingespielten Team abhing, schaffte es, Dr. Roloff in der Kantine aufzutreiben. Der Anästhesist hatte bereits drei Operationen hinter sich, wollte sich gerade bei einer Tasse Kaffee und einem Imbiss stärken. Doch es war für ihn selbstverständlich, die eigenen Interessen zurückzustellen und mit hoch in die OP-Abteilung zu kommen.

      Unterdessen wurde der neue Patient geröntgt, und es stellte sich dabei heraus, daß er zwei Beinbrüche, drei gebrochene Rippen und einen Riß in der Beinaorta hatte.

      »Alles in allem hat er noch Glück gehabt«, kommentierte Adrian Winter. »Wir müssen nur zusehen, daß dieser eine Bruch links unten, richtig behandelt wird, sonst droht eine Sepsis. Der Knochen ist ein ganzes Stück rausgetreten und hat die Haut durchtrennt.«

      »Sollen wir noch Ultraschall machen?« erkundigte sich Dr. Schäfer.

      »Ja, würde ich vorschlagen. Dann wissen wir noch exakter Bescheid, was alles verletzt ist. – Wie sind die Kreislaufwerte inzwischen?«

      »Ganz in Ordnung«, meldete Schwester Walli. »Seit die Infusion läuft, hat er sich stabilisiert, der Kreislauf.«

      »Dann los, laßt uns keine Zeit mehr verlieren.«

      Die Klinik-Maschinerie begann zu arbeiten. Der Patient wurde zum Ultraschall gebracht, laufend wurde der Kreislauf kontrolliert, die Röntgenbilder wurden ausgewertet und das erste EKG.

      »Soweit alles zufriedenstellend«, meinte Dr. Winter. »So, wie’s aussieht, ist die Wirbelsäule nicht betroffen. Fast ein Wunder bei diesem Unfall.« Er klemmte noch zwei weitere Bilder in den Leuchtkasten und studierte sie eingehend, doch er konnte nichts Besorgnis erregendes feststellen.

      »Hat Glück gehabt, der Mann«, kommentierte Dr. Schäfer. »Und mir reicht, ehrlich gesagt, eine Patientin, der eine dauerhafte Lähmung droht.«

      »Hast ja recht. Aber so ganz aufatmen können wir erst in ein paar Tagen. Über eventuell geschädigte Nerven sagt so ein Röntgenbild ja doch nichts aus.«

      Das stimmte. Mögliche Schäden würden sich erst in ein paar Tagen zeigen. Immer wieder waren bei dieser Art Unfälle bange Tage zu überstehen. Daran ließ sich nichts ändern. Ärzte und Patienten konnten nur das Beste hoffen.

      Als alle Untersuchungsergebnisse vorlagen, gab Dr. Winter den Befehl, mit der Operation zu beginnen.

      Dr. Roloff hatte schon die Narkose eingeleitet, der Patient lag schlafend auf der Tabula.

      Konzentriert und mit sicheren Handbewegungen nahm der Chirurg seine Arbeit auf.

      Als erstes nähte er den Aortenriß, dann führte er, assistiert von Dr. Schäfer, ein paar Schrauben in die Beinknochen ein. Die würden in einigen Monaten eine zweite Operation, zum Entfernen der Metallstücke, erforderlich machen.

      »Verdammt viele Splitter am

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