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wir noch für den armen Kerl tun können.«

      Bereits zehn Minuten später lag der Patient im OP 2, und Dr. Winter und Dr. Schäfer versuchten alles in ihrer Macht Stehende, um ihm die vollständige Gesundheit zurückzugeben.

      Schwester Juliane säuberte unterdessen zusammen mit einer ungelernten Hilfskraft den Untersuchungsraum. Gerade war sie damit fertig, als das Telefon klingelte.

      Ihre Mutter war am Apparat und sagte mit sorgenvoller Stimme: »Tanja geht’s gar nicht gut, Juliane. Vater und ich machen uns die größten Sorgen um sie. Seit drei Stunden hat sie stetig steigendes Fieber. Und als ich eben nach ihr schaute, war sie kaum noch ansprechbar.«

      Juliane zuckte zusammen. »Aber das ist doch unmöglich«, stieß sie hervor. »Als ich zum Dienst ging, war sie doch noch ganz munter!«

      »Stimmt«, erwiderte ihre Mutter. »Aber kaum warst du weg, begann sie zu quengeln. Na ja, das kennt man ja bei kleinen Kindern – irgendwas sitzt schief, sonst fühlen sie sich unwohl. Ich hab’ ihr einen leichten Fencheltee gekocht, ihr was vorgelesen und eine Wärmflasche auf den Bauch gelegt.« Sie seufzte hörbar auf. »Leider hat nichts geholfen.«

      »Ruf einen Arzt«, schlug Schwester Juliane vor. »Oder, noch besser, bring Tanja her. Das ist bestimmt am gescheitesten. Die Ärzte hier sind alle sehr kompetent, gewiß läßt sich hier in der Ambulanz am raschesten abklären, was der Kleinen fehlt.«

      »Wenn du meinst…«, sagte ihre Mutter zögernd.

      »Glaub mir, Mutti, das ist das Beste. Wickle Tanja in eine warme Decke und ruf ein Taxi für euch… Ich warte!«

      Nach einem schnellen Gruß beendeten sie das Gespräch, und für Schwester Juliane begann eine halbe Stunde bangen Wartens…

      *

      »So, das wäre geschafft. Bin gespannt, was der Galerist dazu sagt!« Die junge Frau trat ein paar Schritte zurück und sah sich das Bild, das sie eben vollendet hatte, aus schmalen Augen an. Es zeigte eine abstrakte Landschaft, und die Farbe Gelb dominierte.

      »Das ist gut. Es erinnert an ein Rapsfeld in der Sonne.« Ihr Freund, der Rennfahrer Jonas Johannsen, lachte. »Fehlst nur du als Zentralfigur, mein Darling.«

      Susanne Burgmer winkte ab. »Du hast wirklich keine Ahnung von Kunst, Jonas«, sagte sie. »Wenn ich anfinge, kleine Männchen in meine Bilder zu malen…«

      »Kleine schöne Mädchen sollst du malen«, korrigierte er sie und griff spielerisch nach ihrer Hand. »Das würde mir gefallen.« Er tat, als wäre dies eine spontane Eingebung. »Mal mir ein Bild von dir«, sagte er. »Ein Porträt. Ich zahle auch, ich kann’s mir leisten. Der Vertrag bei der neuen Firma ist hervorragend.«

      »Ich weiß, du hast es mir oft genug gesagt.« Ein wenig Ungeduld schwang in Susannes Stimme mit. Es nervte sie in den letzten Wochen sehr, daß Jonas seine eigenen Interessen, ja, seine eigene Person viel höher bewertete als sie – oder gar die Angelegenheiten, die nur sie, Susanne, betrafen.

      Wenn er etwas wollte, wurde das gemacht. Seine Termine waren viel bedeutsamer als ihre. Daß sie die erste große Ausstellung hatte – und dazu noch in einer namhafter Berliner Galerie – das bewegte ihn kaum. Er sah sich die Bilder an – und vergaß sie im nächsten Moment auch schon wieder. Er konnte, das mußte die junge Malerin einsehen, mit ihrer Kunst nichts anfangen.

      Susanne seufzte unterdrückt auf. »Wärst du so nett und würdest mich eben zur Bugenhagenstraße fahren?« bat sie dann. »Die letzten drei Bilder müssen noch aufgehängt werden. Und das hier… es ist zwar noch ganz frisch, aber ich würde es gern mitnehmen. Es paßt exakt zu den fünf Bildern, die ich in der Provence gemalt habe und die so gut angekommen sind.«

      »Meinetwegen.« Jonas erhob sich lässig und griff nach der Lederjacke, die er über die Sessellehne gelegt hatte. »Danach gehen wir aber endlich mal wieder schick essen, ja? Wir waren seit drei Tagen nicht aus.«

      »Ich weiß.« Susanne trat zu ihm und gab ihm einen raschen Kuß. »Aber versteh doch, daß ich unbedingt fertig werden mußte.«

      »Ja, ja, schon gut. Wir fahren gleich los, du gibst deine Bilder ab, dann geht’s raus zum Wannsee. Da soll ein neues kleines Lokal eröffnet haben mit exzellenter japanischer Küche.«

      »Darf ich mich wenigstens vorher noch duschen und umziehen?« fragte Susanne herausfordernd. Sie war nervös, denn die bevorstehende Eröffnung ihrer ersten großen Ausstellung war eine Herausforderung. Und es gab noch so viel zu tun und zu bedenken, bis es soweit war! Erst vor fünf Tagen hatte der Galerist noch ein weiteres Bild aus der gelben Periode bestellt, und er überraschte Susanne jeden Tag mit neuen, ausgefallenen Ideen.

      Sie mußte ihm vertrauen, mußte sich ganz auf ihn einstellen, denn er hatte in der Branche einen guten Namen, und sie, die unbekannte junge Künstlerin, mußte es sich zur Ehre anrechnen, daß er ihre Bilder ausstellte.

      »Aber Darling, du weißt doch, daß ich dir alle Zeit der Welt lasse.« Jonas Johannson lehnte sich wieder auf dem hellen Ledersofa zurück und schlug die Beine lässig übereinander.

      Jonas war von Beruf Rennfahrer, ein sehr erfolgreicher sogar, und wenn er ein paar Tage frei hatte, konnte er absolut entspannen und abschalten. Man sagte, dies sei mit ein Teil seines überragenden Erfolgs – diese Fähigkeit, zu relaxen, ganz in sich zu versinken oder in totaler Ablenkung Entspannung zu suchen.

      Susanne hatte den Mann vor knapp einem Jahr kennengelernt, als sie an der italienischen Riviera Urlaub machte. Jonas war zu den Renntagen von Monaco an der Cote d’Azur gekommen.

      Sie waren sich am Strand begegnet – und es hatte sofort gefunkt. Seit dieser Zeit waren sie ein Paar, und es passierte immer häufiger, daß Susannes Name mit dem des erfolgreichen Rennfahrers in Verbindung gebracht wurde.

      Manchmal, in Stunden der Angst und der Zweifel, fragte sich die junge Malerin sogar, ob der Galerist überhaupt auf sie aufmerksam geworden wäre, wenn sie nicht Jonas’ Freundin wäre. Aber diese Überlegungen verwarf sie rasch wieder. Sie war gut, das wußte sie. Sie hatte eine fundierte Ausbildung, war kreativ und hatte einen gefälligen und dennoch eigenwilligen Stil.

      Jetzt mußte nur noch der Durchbruch kommen!

      Eine halbe Stunde später war sie geduscht und umgezogen. Statt des langen T-Shirts und einer fleckigen Jeans trug sie jetzt einen eleganten hellgrauen Hosenanzug, der ihre schlanke Figur dezent betonte. Das braune, leicht gewellte Haar fiel locker und glänzend bis auf die Schultern, und ein dezentes Make-up ließ ihren Teint schimmern.

      »Bildschön«, kommentierte Jonas und nahm sie kurz in den Arm. »Alle werden mich um dich beneiden.«

      Susanne lachte. »Unsinn! Alle werden dich umringen und um Autogramme bitten. Und die Teenager – die weiblichen vor allem – werden deinen Namen kreischen und dich anhimmeln.«

      »Ach was«, winkte der Mann ab.

      »Natürlich«, beharrte Susanne und lachte. »Du weißt es genau – und du genießt es.«

      »Stimmt.« Jetzt lachte auch Jonas, und seine blauen Augen blitzten.

      Jonas Johannson sah ausgesprochen attraktiv aus mit seinem hellblonden Haar und den blauen Augen. Seine Mutter war Schwedin, das helle Haar und die tiefblauen Augen waren mütterliches Erbteil.

      Susanne und er waren ein schönes Paar, und viele Blicke folgten ihnen, als sie jetzt zu dem schwarzen Sportwagen gingen, der am Straßenrand geparkt war.

      Sorgfältig verstaute Susanne ihre Bilder auf dem Rücksitz, dann ließ sie sich neben Jonas nieder und schnallte sich an.

      »Auf zur Galerie. Und dann gehörst du für den Rest des Tages mir allein!« Er warf der jungen Frau auf dem Nebensitz einen verliebten Blick zu und gab Gas.

      Der Weg durch den ruhigen Stadtteil Berlins war nur kurz, bald hatten sie die Innenstadt erreicht.

      Doch bevor sie in die Nähe der Galerie kamen, mußten sie eine belebte Kreuzung überqueren. Die Ampelanlage war ausgeschaltet, und Jonas orientierte sich in

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