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Bianca, als der junge Zivildienstleistende mit einem Packen Bettwäsche den Flur entlangkam.

      Jetzt grinste er. »So schnell bin ich nicht unterzukriegen. Was liegt denn an?«

      »Ich muß bei einer Patientin Temperatur, Blutdruck und Puls kontrollieren«, erklärte Bianca. »Ich zeige dir, wie das geht, und ab morgen könntest du das dann übernehmen.«

      »Wirklich?« vergewisserte sich Sàndor, und seine strahlenden Augen bewiesen, daß er sich über diese neue Aufgabe freute. »Du willst mich tatsächlich schon auf die Patienten loslassen?«

      Bianca lachte. »Da habe ich bei dir eigentlich wenig Bedenken. Ich glaube, du wirst schon in Kürze die Herzen aller anwesenden Damen gebrochen haben – gleichgültig, ob es sich nun um Patientinnen oder Personal handelt.«

      Sàndor errötete. »Hör bloß auf. Ich bin doch kein Casanova.«

      Du hättest aber das Zeug dazu, dachte Bianca, sprach es jedoch nicht aus, um den jungen Mama jetzt nicht noch verlegener zu machen. Offensichtlich war ihm ja überhaupt nicht bewußt, wie gut er aussah und welchen

      Charme er ganz ungewollt versprühte.

      Dann betraten sie gemeinsam das Zimmer der Patientin, von der Bianca gesprochen hatte.

      »Guten Tag, Fräulein Neubert«, grüßte die Schwester freundlich, doch von dem jungen Mädchen erfolgte kaum eine Reaktion. Mit ernsten, traurigen Augen schaute sie zur Tür, wandte den Blick aber gleich wieder ab.

      »Ich möchte Ihnen unseren neuen Krankenpfleger vorstellen«, fuhr Bianca ungeachtet der Teilnahmslosigkeit der Patientin fort. »Er heißt Sàndor und wird ab morgen regelmäßig zu Ihnen kommen, um Temperatur, Puls und Blutdruck zu kontrollieren.«

      Eva-Maria Neubert betrachtete den jungen Mann eine Weile, dann brachte sie sogar ein kurzes Lächeln zustande, doch ihre Augen blieben ernst. Im nächsten Moment war ihr flüchtiges Interesse schon wieder erloschen.

      »Was ist mit ihr?« wollte Sàndor wissen, als er mit Bianca wieder auf dem Flur stand.

      Die junge Stationsschwester seufzte. »Sie hatte eine Fehlgeburt. Etwas Genaueres weiß noch niemand. Sie spricht ja kein Wort, allein Dr. Daniel gegenüber ist sie ein ganz klein wenig aufgeschlossener.«

      Sàndor lächelte. »Ich glaube, es gibt niemanden, der Dr. Daniel gegenüber nicht aufgeschlossen wäre.«

      »Du kennst ihn?«

      »Ja, ich war fünf, als meine Mutter und ich nach Steinhausen kamen. Mama war erst kurz zuvor Witwe geworden und ich noch voller Sehnsucht nach meinem Papa. Dr. Daniel hat uns damals viel geholfen.«

      Bianca betrachtete ihn etwas eingehender. Er wirkte so unbeschwert, daß man nicht auf den Gedanken gekommen wäre, er könnte in seinem Leben schon sehr viel Leid mitgemacht haben. Doch die wenigen Worte, die er über sich und seine Eltern gesprochen hatte, ließen auf sehr schicksalsschwere Jahre schlie-ßen.

      »Dr. Daniel ist ein wundervoller Mensch«, erklärte Bianca gedankenvoll, weil sie nicht sicher war, ob sie sich weiter nach Sàndors Vergangenheit erkundigen sollte.

      »Ja, das ist er wirklich«, bestätigte der junge Mann, dann wanderte sein Blick zur Tür, hinter der er das traurige Mädchen wußte. »Hoffentlich kann er ihr helfen.«

      *

      Seit einer Stunde wartete Oliver Horvath schon auf seine Verlobte. Eigentlich hatten sie sich auf der Baustelle treffen wollen, um noch ein paar kleinere Arbeiten zu erledigen. Ungeduldig schaute Oliver auf die Uhr.

      »Warum kann in dieser Praxis nie pünktlich Schluß sein«, grummelte er, seufzte tief auf und machte sich dann wieder an die Arbeit. Er würde damit vermutlich längst fertig sein, bis Brigitte endlich kommen konnte.

      Das Motorengeräusch eines sich nähernden Autos ließ Oliver erstaunt aufsehen. In diese abgelegene Gegend weit außerhalb von Steinhausen verirrten sich nur wenige Fahrzeuge – und wenn, dann waren es höchstens Radfahrer. Noch viel erstaunter war Oliver, als der Wagen neben ihm hielt und Dr. Daniel dann ausstieg.

      »Guten Abend, Herr Horvath«, grüßte er freundlich, aber mit ernstem Ausdruck im Gesicht.

      Oliver erschrak. »Ist etwas mit Brigitte?«

      »Sie hatte keinen Unfall oder etwas ähnliches«, versuchte Dr. Daniel den jungen Mann gleich zu beruhigen, was ihm aber nicht gelang.

      »Es hängt mit diesen Ohnmachtsanfällen zusammen, nicht wahr?« fragte Oliver, und seine Stimme vibrierte dabei ein wenig. »Ich habe ihr immer wieder gesagt, daß sie sich Frau Dr. Carisi…, ich meine…, Frau Dr. Daniel…, Ihrer Frau anvertrauen solle, aber sie meinte, das wäre nicht nötig.« Unwillkürlich griff er nach Dr. Daniels Arm und klammerte seine Finger so fest darum, das es schmerzte. »Was ist mit Brigitte?«

      »Ich glaube, das sollte sie Ihnen selbst sagen«, entgegnete Dr. Daniel. »Machen Sie sich vorerst mal keine zu großen Sorgen…, es handelt sich um keine Krankheit…, jedenfalls nicht so, wie Sie es jetzt vielleicht befürchten.«

      Nun verstand Oliver überhaupt nichts mehr, doch er wurde nicht lange auf die Folter gespannt. Zusammen mit Dr. Daniel erreichte er schon eine knappe Viertelstunde später die Waldsee-Klinik und schließlich auch Brigittes Zimmer im ersten Stockwerk der Gynäkologie.

      Sehr blaß und mit verweinten Augen sah sie ihm entgegen, während sich ihre Finger unwillkürlich um Manons Hand schlossen. Die Ärztin war auf ihre Bitte hin noch bei ihr geblieben.

      »Brigitte, Liebling«, stieß Oliver hervor und war bereits im nächsten Moment an ihrem Bett. Zärtlich streichelte er über ihr kurzes dunkelblondes Haar.

      »Oliver, ich…«, begann sie zögernd, warf Manon und Dr. Daniel einen hilfesuchenden Blick zu, bevor sie herausplatzte: »Ich bin schwanger!«

      Schockiert fuhr Oliver zurück und starrte seine Verlobte völlig fassungslos an. »Du bist… was?«

      Wieder brach Brigitte in Tränen aus. »Es tut mir leid…, ich…,ich weiß nicht, wie es passiert ist…« In diesem Moment fiel es ihr ein. Der Ärger mit der Baufirma, die zuerst den vereinbarten Termin nicht eingehalten und dann so unzuverlässig gearbeitet hatte. In der Hektik hatte Brigitte mehrfach die Einnahme der Pille vergessen… »Es muß damals gewesen sein, als uns die Firma versetzt hat…«

      Oliver nickte mechanisch. Natürlich erinnerte auch er sich an die vielen Aufregungen. Sein Blick glitt von Brigitte ab, dann stand er abrupt auf und ging zur Tür, doch mitten im Raum blieb er stehen, als wäre er gegen eine Mauer gerannt. Langsam drehte er sich um.

      »Es ist wirklich der ungünstigste Zeitpunkt für ein Baby«, murmelte er, dann kehrte er zu Brigitte zurück und nahm sie zärtlich in die Arme. »Aber wir beide werden es schon schaffen.« Er schwieg kurz. »Wenn ich im Moment auch keine Ahnung habe, wie es weitergehen soll.«

      Dr. Daniel und Manon, die sich bis jetzt nicht eingemischt hatten, atmeten erleichtert auf. Immerhin schienen sich Brigittes ärgste Befürchtungen nicht zu bewahrheiten. Allem Anschein nach würde Oliver auch in dieser Situation zu seiner Verlobten stehen. Allerdings wußte er auch noch nicht die ganze Wahrheit.

      »Es ist leider nicht nur die Schwangerschaft«, erklärte Dr. Daniel und bemühte sich dabei um einen besonders sanften Ton.

      Mit einem Ruck wandte sich Oliver ihm zu. »Ist mit dem Baby etwas nicht in Ordnung?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Mit dem Baby hat es glücklicherweise nichts zu tun, Herr Horvath. Die Ultraschalluntersuchung hat ergeben, daß es ganz normal entwickelt ist.« Er schwieg kurz, bevor er fortfuhr: »Ihre Verlobte leidet unter Gestationsdiabetes…, das ist eine spezielle Art der Zuckerkrankheit, die während der Schwangerschaft erstmals auftritt und sich danach meistens wieder normalisiert. Die Gefahren, die dadurch für das ungeborene Kind entstehen, sind nicht unerheblich, und aus diesem Grund habe ich mich auch entschlossen, Ihre Verlobte stationär in die Klinik einzuweisen. Wir müssen Sorge tragen, damit Ihr Kind auch gesund zur Welt kommt.«

      Oliver

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