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unbesehen«, erwiderte Manon. »Aber bei mir in der Praxis wird grundsätzlich im Liegen Blut abgenommen.«

      »Wenn das so ist, dann will ich natürlich keine Sonderbehandlung verlangen«, verwahrte sich Sàndor und legte sich nun auf den Rücken.

      Es dauerte wirklich nur kurze Zeit, bis Brigitte Klein den Raum betrat. Sie lächelte zwar, doch ihr Gesicht war so blaß, daß es sogar Sàndor auffiel.

      »Ist Ihnen nicht gut?« fragte er besorgt.

      »Doch, alles in Ordnung«, behauptete Brigitte, dann legte sie einen Gurt um Sàndors rechten Oberarm und strich mit dem Mittelfinger der rechten Hand über seine Armbeuge, um eine Vene zu finden, in die sie einstechen konnte.

      »Jetzt piekst es ein bißchen«, warnte sie ihn, während sie nach der Einwegspritze griff. Geschickt stach sie in die Vene ein und zog den Kolben zurück. Als sich das Röhrchen langsam mit Blut füllte, begann Brigitte plötzlich auffallend zu schwanken. Ihre Hände begannen zu zittern, und dann sackte sie mit einem leisen Seufzen zusammen.

      »Meine Güte«, entfuhr es Sàndor, während er ungeachtet der Tatsache, daß die Nadel noch in seiner Armbeuge steckte, von der Liege herunterstieg und sich über die ohnmächtige Sprechstundenhilfe beugte.

      »Frau Doktor!« rief er. »Schnell!«

      Manon eilte sofort herein und erfaßte die Lage mit einem Blick.

      »Legen Sie sich wieder hin, Herr Balog«, bat sie. »Ich kümmere mich gleich um Sie.«

      »Eilt wirklich nicht«, meinte er. »Versorgen Sie nur erst die junge Frau. Sie kam mir vorhin schon so schrecklich blaß vor.«

      Manon nickte nur, brachte Brigitte in eine stabile Seitenlage und schob ein Kissen unter ihre Beine. Im selben Moment kam die junge Sprechstundenhilfe wieder zu sich, doch als sie sich aufrichten wollte, hielt Manon sie zurück.

      »Bleiben Sie erst mal liegen, Fräulein Klein«, erklärte sie. »Sie sind ohnmächtig geworden.«

      »Es…, es geht aber schon wieder«, stammelte Brigitte leise, dann huschte eine verlegene Röte über ihr immer noch unnatürlich blasses Gesicht. »Ich bin allmählich daran gewöhnt. In letzter Zeit hatte ich das leider schon öfter.«

      »Ein Grund mehr, daß Sie liegenbleiben müssen«, betonte Manon, dann stand sie auf. »So, Herr Balog, jetzt befreie ich Sie endlich von der Nadel.«

      Durch seine Bewegungen, als er Brigitte helfen wollte, hatte er sich die Vene durchstochen, und obwohl Manon nun mit einem mehrfach gefalteten Mulläppchen fest auf die Einstichstelle drückte, ließ sich der Schaden nicht mehr beheben.

      »Ich fürchte, da ist Ihnen ein riesiger blauer Fleck sicher«, meinte sie bedauernd.

      »Nicht so tragisch«, entgegnete Sàndor gelassen. »Der vergeht auch irgendwann wieder.«

      Kaum verarztet, stand er auch schon auf, nahm Brigitte kurzerhand auf seine starken Arme und hob sie nun auf die Untersuchungsliege.

      »Ich gehe in der Zwischenzeit ins Wartezimmer«, erklärte er ohne große Umstände. »Versorgen Sie nur erst die junge Frau.«

      »Ein netter Mann«, urteilte Brigitte noch mit etwas schwacher Stimme. »So mancher andere wäre vielleicht ärgerlich geworden.« Wieder errötete sie. »Es ist mir so peinlich, daß ich gerade jetzt umgekippt bin… während der Blutabnahme. So etwas ist mir noch nie passiert.« Sie schüttelte den Kopf. »Als ich das Blut sah…, mir wurde plötzlich so furchtbar schlecht…«

      »Sie sagten vorhin, Sie wären schon öfter ohnmächtig geworden«, erinnerte Manon sie, während sie die Manschette um Brigittes Oberarm legte, um den Blutdruck zu messen.

      »Ja, aber noch nie vor einem Patienten. Meistens bei der Auswertung von Urin- und Blutproben…, einmal auch zu Hause, als ich mir ein Schnitzel machen wollte und das rohe Fleisch sah… In die Metzgerei wage ich mich inzwischen schon gar nicht mehr hinein.«

      »Neunzig zu sechzig«, erklärte Manon und nahm die Manschette wieder ab. »Der Blutdruck ist förmlich in den Keller gesackt. Ich werde Ihnen jetzt ein bißchen Blut abnehmen und Dr. Scheibler bitten, es gleich für mich auszuwerten.«

      »Die Ärzte der Waldsee-Klinik sind doch ohnehin schon so eingespannt«, wehrte Brigitte ab. »Und gerade der Oberarzt…«

      »Das soll nicht Ihre Sorge sein«, fiel Manon ihr ins Wort. »Fräulein Klein, wenn Sie ständig ohnmächtig werden, dann muß man dieser Sache unbedingt auf den Grund gehen.« Sie schwieg kurz, bevor sie mit leisem Tadel in der Stimme hinzufügte: »Ich finde es gerade von Ihnen als Arzthelferin etwas nachlässig, daß Sie mit dieser Sache nicht von sich aus zu mir gekommen sind.«

      »Ich hatte Angst«, gestand Brigitte. »Wenn es nun etwas Ernstes ist…«

      »Gerade deshalb hätten Sie sich mir ja anvertrauen müssen.« Dann jedoch tätschelte Manon beruhigend ihren Arm. »Aber es kann sich ja auch nur um etwas verhältnismäßig Harmloses handeln…, eine leichte Anämie vielleicht.«

      Brigitte nickte zwar, doch Manon sah ihr an, daß sie daran nicht mehr so recht glauben konnte – für die Ärztin ein weiterer Beweis, daß ihre Sprechstundenhilfe bei der Beschreibung ihres derzeitigen Gesundheitszustandes nicht ganz ehrlich gewesen war.

      *

      Dr. Daniel war erstaunt, als er gegen Mittag in den anderen Teil der Praxis hinüberging, um seine Frau zum Essen abzuholen, und das Wartezimmer brechend voll vorfand. Zwischen zwei Patienten mogelte er sich in Manons Sprechzimmer hinein.

      »Ja, sag mal, Liebling, was ist denn bei dir los?« wollte er wissen. »Ist etwa eine Epidemie ausgebrochen?«

      Manon seufzte. »Nein, aber meine Sprechstundenhilfe ist heute früh umgekippt.«

      Besorgt runzelte Dr. Daniel die Stirn. »Etwas Ernstes?«

      »Ich hoffe nicht. Gerrit hat zugesagt, ihre Blutprobe bis mittags auszuwerten, aber ich werde wohl gar nicht dazu kommen, mit ihm darüber zu sprechen. Zuerst muß ich mich um meine Patienten kümmern.«

      Mißbilligend schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Und warum sagst du mir dann nichts davon? An deinem Telefon befindet sich ein Knopf, mit dem du mich direkt in meinem Sprechzimmer erreichen kannst.«

      Manon lächelte entschuldigend. »Nicht einmal dazu hatte ich heute Zeit.«

      »Na ja, jetzt werde ich mich mal um die Sache kümmern. Als erstes schicke ich dir Stefan herunter, damit er dir bei der Sprechstunde helfen kann. Er hat heute dienstfrei, und zufällig weiß ich, daß er noch oben in der Wohnung ist.«

      »Robert, das ist wirklich nicht…«

      »Doch, es ist dringend nötig, sonst sitzt du nämlich bis heute abend hier unten, und Stefan freut sich auch, wenn er ein bißchen Verantwortung übernehmen darf – gerade jetzt, wo sich seine Assistenzzeit dem Ende nähert.« Er schwieg einen Moment. »In der Zwischenzeit werde ich zur Waldseeklinik hinüberfahren und mir das Ergebnis der Blutprobe anschauen. Möglicherweise muß Fräulein Klein sogar in die Klinik, aber das können wir ja dann gemeinsam mit ihr besprechen. Wo ist sie jetzt?«

      »Ich habe sie mehr oder weniger genötigt, sich hinzulegen.«

      Dr. Daniel nickte. »Dann schicke ich dir Fräulein Sarina herüber. Sie bleibt über Mittag meistens in der Praxis und wird sicher bereit sein, für Fräulein Klein einzuspringen.«

      Das war für Sarina von Geh-rau tatsächlich keine Frage, und auch Stefan zögerte keine Sekunde, in Manons zweitem Sprechzimmer einen Teil ihrer Patienten zu untersuchen und zu behandeln.

      Dr. Daniel selbst nahm sich unter diesen Umständen ebenfalls keine Zeit zum Mittagessen, sondern fuhr sofort in die Waldsee-Klinik und machte sich dort auf die Suche nach dem Oberarzt Dr. Gerrit Scheibler. Er fand ihn im Labor, wo er gerade mit der Auswertung von Blutproben beschäftigt war.

      »Bitte, Robert, drängen Sie mich nicht«, bat er inständig. »Ich ersticke förmlich in Arbeit.«

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