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...“ stieß Ferris Tucker hervor.

      „Wir werden auf der Höhe von Baudo ankern“, fuhr der Seewolf unbeirrt fort. „Baudo liegt etwa zehn Meilen landeinwärts. Von dort bis zum Fluß Atrato sind es etwa zwanzig Meilen. Um es kurz und klar auszudrücken – ich habe vor, die ‚Isabella‘ vor der Küste zu entladen und alles, was wir weiterhin brauchen — die Schätze eingeschlossen —, an Land zu bringen. Und zwar mit den Beibooten. Das ist Knochenarbeit, aber was soll’s? In Baudo wird ein Kommando unter Führung von Ribault und von Hutten genügend Maultiere besorgen, dann ziehen wir mit unserer Maultierkolonne bis zum Atrato, dort mieten oder kaufen wir uns von den Indios Boote, eventuell auch Ruderer und einen ortskundigen, zuverlässigen Führer. Flußabwärts verholen wir dann bis zum Golf von Darien, da!“ Wieder war sein Zeigefinger auf der spanischen Karte entlanggefahren. „Und dort entern wir ein gutes Schiff. Mangel daran wird es nicht geben, der Golf von Darien ist ein von den Dons stark besuchter Platz. Anschließend ab nach England. Das wär’s, Männer!“

      Der Seewolf griff nach der Rumflasche, während ihn seine Männer aus großen Augen anstarrten.

      Ferris Tucker war derjenige, der zuerst das Wort ergriff.

      „Ho, Mann, die ganze Sache scheint mir bei näherem Überlegen gar nicht so schlecht!“ Er sah, wie Carberry nickte, obwohl er sein Gesicht in bedenkliche Falten gelegt hatte.

      Auch Ben Brighton nickte, aber dann stellte er die unvermeidliche Frage, die allen auf der Seele brannte:

      „Und die ‚Isabella‘ – was geschieht mit ihr?“

      Hasard sah ihn an, und in seinen eisblauen Augen brannte jenes Feuer, das Ben von vielen Unternehmungen her kannte.

      „Sie wird von Ferris und ein paar Männern aus der Bucht gesegelt und versenkt, damit sie uns nicht zum Verräter werden kann.“

      Sekundenlang herrschte in der Kammer des Seewolfs Schweigen. Nur die Atemzüge der Männer durchdrangen die Stille.

      „Und die Dons?“ fragte Ben Brighton schließlich. „Wie willst du den Dons beipulen, daß der Seewolf mit seiner Crew und einer ganzen Mulikolonne zum Golf von Darien zieht, um dort eins ihrer Schiffe zu kapern und dann nach England zu segeln?“

      Der Seewolf grinste.

      „Wetten, daß ihr euch alle diese Frage längst beantwortet habt? Aber dennoch, damit keinerlei Unklarheiten bestehen: Wir sind natürlich nicht die Crew von der ‚Isabella‘, sondern die Crew der ‚Valparaiso‘, und ich bin Capitan Diaz de Veloso. Ich bin vom Gouverneur von Chile beauftragt, die ‚Valparaiso‘ mit ihrer Ladung nach Panama zu segeln. Die Ladung selbst ist für den König von Spanien bestimmt. Aber leider hat die ‚Valparaiso‘ bei dem letzten Orkan so schwere Schäden erlitten, daß wir gezwungen sind, die Ladung per Maultiertransport nach Panama zu schaffen. Die ‚Valparaiso‘ leckt so stark, daß wir Mühe hatten, die Ladung gerade noch an Land zu schaffen, bevor uns das Schiff unter den Füßen wegsackte. So oder so ähnlich lautet die Version, die wir den Dons auftischen werden. Und sie werden sie schlucken, darauf könnt ihr euch verlassen. Ben und ich regeln das schon!“

      Der Seewolf richtete sich ruckartig auf.

      „Das wollte ich euch sagen. Ruft jetzt die Crew zusammen, wir wollen abstimmen. Wer keine Lust hat, sich in dieses Abenteuer zu stürzen, der kann nach dem Entladen der ‚Isabella‘ abmustern. Er kriegt einen höheren Anteil aus der Beute, aber er muß auch sehen, wie er mit den Dons hier fertig wird. Zur Crew gehört er dann nicht mehr.“

      Ferris Tucker ließ seine Rechte krachend auf den Bohlentisch fallen.

      „Ho, du bist ein ganz verfluchtes Schlitzohr! Du sprichst von Abstimmung, aber du weißt schon jetzt, wie sie ausfallen wird. Denn dir ist klar, daß wir mit der ‚Isabella‘ in ihrem jetzigen Zustand nicht die geringste Chance haben, durch die Magellanstraße zu segeln. Und du erwartest von mir, daß ich das der Crew verklickere, so denkst du dir das doch, oder nicht?“

      Der rothaarige Hüne lachte dröhnend.

      „Aber keine Sorge, ich tu’s wirklich. Ich möchte doch mal sehen, wie der alte Tucker sich als Maultiertreiber benimmt. Bis auf wenige Ausnahmen werden die Jungs genauso denken wie ich. Auf, an Deck, Männer! Ich freue mich schon jetzt auf die dummen Gesichter dieser Klabautermänner!“

      Ferris Tucker stand auf, und die anderen erhoben sich ebenfalls. Ben Brighton blieb noch zurück, während Tucker und die anderen bereits die Kammer verließen.

      „Ja, Ben?“ Der Seewolf sah seinen Bootsmann an. „Was hast du noch für Kummer?“

      „Unsere Crew spricht kein Spanisch. Sobald sie in Baudo den Mund aufreißen, sind wir geplatzt. Wie hast du dir das gedacht?“

      Der Seewolf trat dicht an Ben Brighton heran.

      „Sie werden eben das Maul halten, Ben. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Und ihr, du, Carberry, Ferris, Smoky und noch ein paar aus unserer Crew werden dafür sorgen, daß keiner der Kerle dusselig in der Gegend rumquatscht. Aber ich werde ihnen das noch selber sagen, gehen wir erstmal an Deck und bringen wir die Sache hinter uns.“

      Die Crew der „Isabella III.“ hatte sich in der Kuhl versammelt. Atemlos lauschten die Männer den Worten Hasards, während die „Isabella“ mit windgeblähten Segeln Meile um Meile in Richtung Küste zurücklegte.

      Als der Seewolf zu Ende gesprochen hatte, herrschte genau wie zuvor in seiner Kammer Stille. Ferris Tucker, der zusammen mit Ben Brighton neben dem Seewolf stand, richtete sich zu seiner vollen, hünenhaften Größe auf.

      „Männer, ihr kennt mich alle. Bei mir werden keine Sprüche geklopft, bei mir zählen nur Tatsachen. Wenn ich den Vorschlag des Seewolfs für schlecht oder undurchführbar halten würde, dann wäre ich der erste von euch, der nein sagen würde. Aber Hasard hat recht: Die ‚Isabella‘ schafft die Reise durch die Magellanstraße nicht mehr ohne gründliche Überholung. Und alle diejenigen, die damals noch nicht bei uns an Bord waren, die sollen sich erzählen lassen, was eine solche Reise bedeutet. Was alles an Gefahren und Unwägbarkeiten auf uns zukäme, was für höllische Stürme am Kap der Dämonen herrschen. Und Kälte, Leute. Wißt ihr noch, wie wir jeden Morgen, den Gott werden ließ, das meterdicke Eis von den Decks, von den Rahen abgeschlagen haben? Wißt ihr noch, wie jene kleinen blauen Flammen auf den Masten und Rahen getanzt haben? Vorboten der Hölle, die uns der Teufel persönlich geschickt hatte, um uns zu zeigen, wie knapp wir alle damals der Hölle entgangen sind.“

      Der Schiffszimmermann machte eine Pause. Ben Brighton starrte ihn aus großen Augen an. So hatte er diesen Hünen noch gar nicht kennengelernt.

      Ferris Tucker beobachtete, daß seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. Einige der Neuen an Bord der „Isabella“ steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander.

      Ferris Tucker ließ ihnen keine Zeit zu Überlegungen. Er wußte zu genau, wie unberechenbar einige der einstigen Karibik-Piraten waren.

      „Dieses Schiff ist für eine solche Reise zu klein!“ rief er mit weithin schallender Stimme, die mühelos das Rauschen der Bugwelle und das Singen des Windes in der Takelage übertönte. „Wenn unsere ‚Isabella‘ nicht durch ihre schwere Ladung so tief im Wasser gelegen und durch die vielen Tonnen von Gold, Silber, Schmuck und Edelsteinen nicht so träge auf die Brecher reagiert hätte, dann wäre sie auch durch den Sturm der vergangenen zwei Tage nicht so übel zugerichtet worden. Und deshalb ist der Plan Hasards, mit einer Maultierkolonne zu dem Golf von Darien zu ziehen, richtig. Denn dort werden wir ein neues, ein größeres Schiff finden, mit dem wir unsere Beute nach England segeln können ...“

      Pat O’Driscoll, der hünenhafte Ire, der Ferris Tucker an Größe und Kraft kaum nachstand, drängte sich durch die Reihen der Männer. Seine wutverzerrten Gesichtszüge verhießen nichts Gutes.

      „He, Tucker!“ brüllte er. „Du hast jetzt lange genug das Maul aufgerissen. Du steckst mit den anderen da oben sowieso unter einer Decke. Jetzt will ich dir mal ein paar Fragen stellen.“

      O’Driscoll sah sich Anerkennung heischend um,

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