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lehnte sich an die Wand und legte einen Arm über sie hin, als ob er das Haus umfangen und halten wollte.

      Der Alte hatte sich auf einen Holzblock gesetzt und wieder in sich zusammenbrechend, wie dazumal am Lindentisch, murmelte er: »Ich hab' mir's gedacht.«

      Plötzlich sprang der Sebast hin gegen den Vater und mit geballten Fäusten rief er: »Ich muß ein Haus haben! Ich muß heiraten. Ich hab' eine, der ich's schuldig bin worden!«

      Der alte Sandler zuckte ein. Dann schlug er die Hände zusammen: »Aus ist's! Vorbei ist's! – Schuldig worden ist er's einer...«

      Wie der Rodel vertrieben worden ist

       Inhaltsverzeichnis

      So sank Zweig um Zweig, Ast um Ast – Glied um Glied von der Gemeinde Altenmoos.

      Jakob Steinreuter stand fest. Er ließ keinen neuen Brauch in sein Haus, kein Lotterbett, keinen Prunkspiegel, wie man solcherlei jetzt zu wohlfeilen Preisen bekommen konnte. Er ließ bei dem Gewande der Seinen keine Seidenstoffe zu, kein flunkerndes Bänderwerk, wie diese Dinge anhuben, überall Mode zu werden. Er blieb bei der angestammten Einfachheit in allem. Etliche Dienstboten waren ihm deshalb freilich schon abspenstig geworden, um so heimlicher lebte er mit den übrigen zusammen. Den alten Luschelpeterl, der schon über dreißig Jahre lang im Hause war, achtete er wie einen Oheim, und von dem jungen Knecht, dem Bertl, den er erst vor kurzem ins Haus genommen, verhoffte er einen auf weitere dreißig Jahre. Der Jakob sah auf Fleiß und Treue, überbürdete keinen mit Arbeit, duldete aber auch keinen Müßiggang. Er gab jedem das Seine, und jeden, der in seinem Hause lebte und arbeitete, rechnete er wie zu seiner Familie. Ihm selbst verging die Zeit unter rüstiger, fruchtender Arbeit und in häuslicher Traulichkeit und Beschaulichkeit. Manchmal, wenn er rastete, blickte er die Wände, das Dach seines Hauses an und freute sich an diesem lieben, uralten Heim.

      Lange hatte es mit dem Jakob der Nachbar Rodel gehalten. Des Rodels Sprichwort war: »Ich geh' nit. Mein Haus und Grund laß ich nit, und von Altenmoos geh' ich nit.« Auch er konnte es nicht vergessen, daß einmal eine Zeit gewesen zu Altenmoos, in der keine fremden herrischen Leute umhergestrichen waren, und als dahier der Mensch noch mehr wert gewesen, denn der Hirsch. Er war der Meinung, daß eine solche Zeit wiederkommen müsse, also: »Von Altenmoos geh' ich nit, und mein Vaterhaus verlaß ich nit.«

      Er ging aber doch.

      Seit altersher war es verstattet gewesen in Altenmoos: Der Hase, der Vogel, der Fisch, so mit freier Hand gefangen wird, gehört dem Fänger. Das Gesetz war gnädig, aber die Tiere waren es nicht, sondern liefen oder flogen der täppischen Menschenhand munter davon. Nur der Fisch, der wässerige Augen hat und keine Ohren und keine Ahnung von den Gefahren für ein Wesen, das Fleisch und Blut hat, und wäre es noch so kalt, nur der Fisch war sorglos. Und in Altenmoos gab es genug Hände, die ohne Angel oder Beren (Netz) oder sonstige Vorrichtung täglich die schönsten, oft pfundschweren Forellen aus der Sandach zogen. Die Tiere flüchten sich gerne unter Steine oder Uferrasen, bleiben dort ruhig stehen und meinen, weil sie den Feind nicht sehen, so sehe er sie auch nicht. Legt sich nun der Bauer auf den Bauch, greift mit den Händen sachte unter den Rasen, und zwar so, daß die eine Hand mählich nach dem Kopf des Fisches, die andere nach dem Schweife langt. Plötzlich ist der Forelle Haupt in der Faust, und da hilft alles Schwänzeln nichts mehr, sie wird aus dem Bach gezogen, in eine bereitete Wasserlagel getan oder an Ort und Stelle getötet. Dann liegt sie mit ihrem weißen, rotbesprenkelten Bauch und mit verglasten Augen auf dem Rasen; der Bauer weidet sie aus, bestreut sie mit Salz und wirft sie in die Glut eines mittlerweile angemachten Feuers. Nach zehn Minuten ist die Forelle gebraten, der Fänger schält die versengte Haut weg, löst das milchweiße Fleisch von den Gräten und verzehrt es mit schnalzender Zunge.

      Ein solches Wohlleben kann nun aber der zunächst berufene Fischer oder Jäger nicht mit ansehen. Das Fischwasser hat der Kampelherr gepachtet und auf einmal ist's den Altenmooser Bauern verboten, Fische selbst mit den Händen zu fangen.

      »Fischer, Ihr macht Fischdiebe!« sagte da der alte Pechölnatz einmal.

      »Wieso?« begehrte der Kampelherrische Oberförster, Wald- und Wildmeister Ladislaus auf.

      »Wir hätten mit dem schlimmsten Willen nicht Fische stehlen können, wenn das redliche Nehmen erlaubt geblieben wäre.«

      »Untersteht Euch nicht!« rief der Waldmeister.

      Zur Ehre der Altenmooser Bauern sei es gesagt, sie unterstanden sich nicht, oder nur höchst selten, nämlich wenn sich einer etwa die Hände einmal im Bache wusch und es verlief sich zufällig eine Forelle zwischen seine Finger.

      Einmal hatte der Waldmeister den schönen Gedanken, den Altenmooser Bauern die Wiesenbewässerung zu verbieten, die im Frühjahre nötig ist; er behauptete, daß durch die Wasserentziehung in der Sandach der Fischstand gefährdet werde. Da setzten die Altenmooser gegen den Kampelherrn ein bösartiges Schriftstück auf. In dem fragten sie höflich an, ob sie – falls einer durstig würde – noch Anrecht auf einen Schluck Wasser hätten, das aus dem Berge rinnt, oder ob sie die durstigen Mäuler gegen Himmel halten müßten, damit es hineinregne? Oder ob der gnädige Herr vielleicht auch das Regenwasser vorwegs in Beschlag genommen hätte und nur der Hagel den Bauern gehöre? – Der Kampelherr schämte sich ein wenig und ließ ihnen die nötige Bewässerung.

      Nun war es im dritten Jahre der Auswanderungsseuche zu Altenmoos, an einem heißen Hochsommerabende, daß drinnen im Gebirge ein wildes Gewitter niederging. Es entwurzelte Bäume, trennte Lawinen los und wälzte ganze Felsblöcke in den Abgrund. In der darauffolgenden Nacht war in dem Tale von Altenmoos ein schreckbares Krachen und Brausen, die Leute gingen aus den Häusern hervor, sahen aber nichts in der dichten Finsternis, hörten nur das Krachen und Brausen. Einige stiegen mit Handlaternen zur Niederung hinab und kamen mit der Meldung zurück, unten auf den Wiesengründen sei der ganze Erdboden lebendig geworden und Berge schwämmen daher auf dem Wasser.

      Als der Morgen aufging, sahen sie die Verwüstung. Alle Gründe, die in der Niederung des Baches lagen, waren überflutet. Nur der Boden des Reuthofers war zum Teile verschont geblieben, weil ein Steindamm, den die Vorfahren angefangen aufzubauen und der Jakob vollendet hatte, eine Schutzwehr bildete. Schlimm hingegen war der Rodel getroffen. Als er am Morgen von seinem Hof auf die Wiese hinabschauen wollte, war keine Wiese mehr da, hingegen an der Stelle ein schmutzig brauner See mit Schutt und Stein und zerrissenen Bäumen. Die Sandach wogte in hohen trüben Fluten und schoß zweimal so rasch dahin als sonst; an vielen Stellen trat sie über das Ufer und rann in den braunen See hinein und an anderen Stellen wieder hinaus.

      Der Rodel stieß in der ersten Überraschung einen Klageruf aus. Seine Wiese! Sein Heu! Hernach ging er mit auf den Rücken gekreuzten Armen unten am Raine hin und her. Da kam auch der Reuthofer herbei, und sie schauten gemeinsam und wortlos die Verheerung an.

      Endlich sagte der Rodel: »Was ist da zu machen?«

      Da wäre nichts zu machen, als abzuwarten, meinte der Jakob. Wenn das Wasser abgelaufen, müsse scharf an die Arbeit gegangen werden. Es würde dann, wenn der Schutt nicht gar zu massig liege, ein fruchtbares Heujahr geben, denn wenn unser Herrgott mit Schlamm dünge, so wisse er warum.

      »Du weißt einem immer ein gutes Wort«, sagte der Rodel.

      »Besser als mein Wort sollen dir meine Knechte dienen, wenn du sie brauchst«, sprach der Jakob.

      Die Sandach wurde zwar bald wieder kleiner und zahmer, das Wasser auf der Wiese klärte sich, so daß man auf den grünen oder sandigen Grund sehen konnte; aber es verlief sich nicht. Es rann immer noch von der Sandach herein und es floß unten in einem Bächlein ab; aus der Wiesentalung, die, wie sich's jetzt zeigte, niedriger lag als die Sandach, war ein wahrhaftiger See geworden. Und in diesem See spiegelte sich gar lieblich der blaue Himmel, und in seinen klaren Tiefen schwammen unzählige Forellen hin und her.

      Ist auch gut, dachte der Rodel, Fleisch ist feiner wie Heu. Und richtete sich Angeln her, baute ein schwimmendes Brücklein und begann zu fischen. Da kam denn einmal der Waldmeister Ladislaus gegangen. Der blieb hier

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