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gegangen sein«, sagte der Sepp. »Zehn Minuten lang hat man durch die Höhle gebraucht und hat eine Stunde Weg abgekürzt.«

      »Ist mir eingefallen unterwegs«, fuhr der Jakob fort, »daß – wie die Pest in der Sandeben ist gewesen, die Leut' eine Bittprozession ins Kruziloch haben gemacht. Mitten drin soll ja ein Tropfstein stehen, wie ein Muttergottesbild anzuschauen. Davor ist eine Mess' gelesen worden. Die Pest hat nachher aufgehört. So hab' ich mir gedacht, jetzt kunnten wir auch wieder eine Prozession ins Kruziloch machen.«

      »Habt's ihr auch die Pest?« fragte der Waldmeister spöttisch.

      »Leider Gottes, ja«, antwortete der Jakob ernsthaft. »Arg grassiert sie, es vergeht kein Tag mehr, ohne daß sie einen hinwegrafft. Wenn es so fortgeht, ist Altenmoos bald eine menschenleere Wildnis. Heut' ist in diesem Wirtshaus ein Totenfest.«

      »Daß sich der Reuthofer vor Ansteckung nicht fürchtet!« bemerkte der Waldmeister.

      »Mir wird die Auswanderungspest nicht gefährlich«, sagte der Jakob. »Dem Nachbar Sandler hingegen möchte ich schier raten, daß er sich davonmachen soll.«

      »Für einen solchen Rat wollte ich mich bedanken«, darauf wieder der Waldmeister. »Wenn ich das Glück habe, mir etwas zu verbessern und so ein guter Nachbar möchte mich davon abhalten! Ist's ein Wunder? Jeder denkt auf sich selber, und weil der eine seinen Besitz nicht anbringt, so will er halt auch dem anderen daran hinderlich sein. Ich glaube es wohl, daß ihm die Weile lang werden wird – als Einsiedler in Altenmoos.«

      Der Jakob hatte die Faust auf den Tisch gelegt, klopfte mit den Fingerrippen etlichemal auf das Brett; zwei-, dreimal hob sich die Faust, legte sich aber wieder zurück, und der Jakob schwieg.

      Der Waldstuber und der Zwieselbaumer hatten sich dem alten Sandler zugewendet und stellten ihm vor, wie es nun werden müsse in Altenmoos und mit dem Sandlerhause. – Die Nachbarn haben verkauft. Die Bauern in dieser Gegend sind aber auf gegenseitiges Zusammenhalten angewiesen. Die Leute weniger. Auch kaum Dienstboten mehr. Alles weiß sich draußen besseren Erwerb, und der Mensch will von der Welt was haben. Die Wege werden verwildern, der einzelne kann sie nicht imstand halten. Auf den brachliegenden Feldern wird Wald wachsen, im Walde Wild, das frißt den Einödbauer auf. Da ist kein Bestehen. Der Hof schützt auch nicht mehr vor dem Soldatenleben. Das neue Gesetz! Wenn der Sandler einen Haufen Kinder hätte, die den Heimgang ins Elternhaus haben wollten. Ja. Aber das ist nicht. Der einzige Sebast. Und der lebe hundertmal besser draußen mit Bargeld. Und was würde es dem Alten wohltun, nicht allemal, wenn er eine Kirchenglocke hören will, den weiten Weg machen zu müssen! Beim Treidler in Sandeben ist ein Stübel zu haben, vor dem Fenster die Kirche, untenauf der Weinkeller. Für einen mühseligen Menschen ist das was wert. Das Glück meldet sich selten zu Altenmoos, aber wenn es sich meldet, da sollt' man's nicht mit dem Fuße von sich stoßen.

      Während die Bauern als Auswanderer so sprachen, hielt der Waldmeister die dreitausend Gulden bereit auf dem Tisch. Der alte Sandler zitterte eine Weile mit dem Haupt, mit der Hand, dann schlug er ein. Sein Haus war verkauft.

      »Also wieder eine Leiche!« rief der Waldmeister und schlug dem Reuthofer höhnend die Hand auf die Achsel.

      »Laß mich in Fried', Aasgeier!« gab der empörte Bauer zurück.

      »Und jetzt, Jakob!« rief der Sepp in der Grub lachend, »jetzt schlag' auch du los. Schlag' los, es geht auf eins!«

      »Und der Aasgeier«, setzte der Waldmeister bei, »legt dir bare viertausend Gulden auf die Hand.«

      »Wofür?« fragte der Jakob.

      »Für den Reuthof.«

      »Für den Reuthof?« sagte der Jakob, »der ist nie mehr als an zweitausend Gulden wert gewesen. Oder wäre das Geld für mein und meiner Familie Heimatshaus? Das ist mit Geld nicht zu bezahlen. – Heute«, so fuhr er fort, ernst, aber ganz ruhig, »heute habe ich nachgeschlagen draußen im Pfarrbuch. Das Pfarrbuch ist vor dreihundertundsechzig Jahren angelegt worden, und dazumal ist schon von den Steinreutern die Rede gewesen, die auf dem Reuthof in Altenmoos gehaust haben. Noch ältere von diesem Stamm werden auf dem Grund die Steine ausgereutet haben, und davon wird – so meint auch der Pfarrer – der Name Steinreuter herrühren. Von den neun Steinreutern, die im Pfarrbuche stehen, ist, so viel ich weiß, keiner reich gewesen und keiner arm. Einmal ist der Reuthof niedergebrannt, die Steinreuter haben auf Gott vertraut und ihn wieder aufgebaut. Oft hat uns der Hagel die Feldfrucht vernichtet und das wilde Wasser die Wiesen mit Steinen überschüttet, die Steinreuter haben gearbeitet und Mut gehabt. Sie sind dem Unglück nicht ausgewichen und nicht entgegengegangen; sie sind ihm gestanden, wie der Tannenbaum dem Sturm, möcht' ich sagen. Die Kinder sind beim Haus verblieben oder haben an andere Höfe geheiratet, ich habe von keinem gehört, das nicht rechtschaffen gewesen wäre. Nur von meinem Großvater ein Bruder, der ist Soldat geworden, ist nachher geflüchtet, hat oben im Felsloch gehaust, ist wieder eingefangen und zu tot geschlagen worden. Sonst haben fast alle ein langes Leben gehabt. Freiwillig fortgehen, in die Fremde gehen, gar ein Herr werden, das ist im Reuthof, so lang' er steht, nicht gedacht worden.«

      »So magst jetzt du dran denken«, sagte der Zwieselbaumer.

      »Wir sind ein Bauernstamm«, fuhr der Jakob fort, und seine Stimme hob sich und zitterte ein wenig. »Wir hören vielleicht einmal etwas läuten von Reichtum und Herrlichkeit draußen in der weiten Welt. Wir gönnen es jedem, der dran glücklich wird. Wir brauchen es nicht. Wir haben nie davon geredet, aber jetzt – jetzt müssen wir davon reden, weil sie die Heimat und die Fremde zueinander wägen. Ich tu's nicht. Wie soll ich die Erdscholle und die Wolke miteinander wägen? – Es gehen Häuserschächer um, und ihr verkauft den Boden, auf dem ihr steht. Nachbarn! Wenn sich die Welt zerstört, so fängt es an. Die Menschen werden zuerst treulos gegen die Heimat, treulos gegen die Vorfahren, treulos gegen das Vaterland. Sie werden treulos gegen die guten alten Sitten, gegen den Nächsten, gegen das Weib und gegen das Kind. Sonst ist das Kind in der Heimat geboren worden, hat in der Heimat seine Jugendzeit verlebt, ihr setzt es in die Fremde, auf Sand.«

      »Natürlich«, bemerkte nun der Waldmeister, »wer von dem großen deutschen Vaterland noch nichts gehört hat, der ist freilich fremd, sobald er aus seiner Wiege steigt.«

      »Großes deutsches Vaterland!« sagte Jakob, »ein gutes Schlagwort für die Bauernabtrenner, und schon gar, wenn sie aus Polen kommen. Ich aber sage: Wo keine Liebe zur festständigen Heimat ist, da ist auch keine zum Vaterland. Ein Blatt, das vom Baume gerissen ist, flattert noch eine Weile raschelnd im Herbstwind hin und her, ehe es sinkt und verwest. Jetzt ist so ein Wind gekommen, Nachbarn! Ihr raschelt, aber ihr werdet nimmer grün. Ihr seid feige, lauft dem Bauernstand davon, weil er hart und ernsthaft ist. Ihr seid hoffärtig, und weil euch der Wind trägt, so glaubt ihr, ihr wäret Vögel und könntet fliegen.«

      »Lieber Vögel als Maulwürfe!« schrie einer drein.

      »Der Maulwurf ist ein nützliches Tier«, sagte der Jakob, »wenn er aber Flügel haben und eine Lerche sein wolle! Pfui Teufel!«

      »Schön kann er predigen«, lachte der Waldmeister.

      »Wenn ein Abschiedsfest ist, meine Herren, so muß auch eine Abschiedsrede sein«, sprach der Jakob, nun halb launig, »sie ist gehalten. Ihr seid draußen, ich mache die Tür zu. Helf' euch Gott!«

      Eine Handbewegung machte er noch, als ob er die ganze Festgesellschaft mitsamt dem Steppenwirtshaus von sich schieben wollte, dann ging er davon. Wie tief erregt er war, im Herzensgrunde aufgewühlt!

      Die Leute, so am Tische saßen oder durch die leidenschaftlichen Worte des Jakob herbeigezogen umherstanden, schauten sich mit verblüfften Gesichtern an. Was da gesagt worden, war eigentlich doch merkwürdig, und wer es gesagt – das war's noch mehr. So hatte den stillen freundlichen Jakob keiner gekannt!

      Der alte Sandler, der vorhin mit geneigtem Haupte dem Jakob zugehört hatte, ergriff jetzt den Arm des Oberförsters und sagte: »Bedenken muß ich's doch erst, Waldmeister, und meinen Buben fragen.«

      »Was willst bedenken?«

      »Des Hausverkaufens wegen. Bedenken.«

      »Aber

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