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sie allein auf der Straße waren, meinte sie:

      – Wir müssen Abschied voneinander nehmen, nach dem, was da geschehen, kann ich Sie nie wiedersehen.

      Er stammelte:

      – Aber warum denn?

      – Ich kann nicht; ich habe gesündigt, und ich will’s nie wieder thun.

      Da bat er sie, flehte sie an, immer gequält von seinen Wünschen, ganz verrückt in dem Gedanken, sie ganz zu besitzen in der Einsamkeit einer Liebesnacht.

      Aber sie antwortete beharrlich:

      – Nein, ich kann nicht! Ich kann nicht! Ich will nicht!

      Er regte sich auf, ward immer lebhafter, versprach, sie zu heiraten. Sie sagte immer noch:

      – Nein!

      Und sie verließ ihn.

      Acht Tage lang sah er sie nicht wieder, er konnte ihrer nicht habhaft werden, und da er ihre Adresse nicht kannte, meinte er, sie wäre ihm für immer verloren. Am neunten Tage abends klingelte es bei ihm, er öffnete – – sie war es. Sie warf sich in seine Arme und widerstand nicht mehr.

      Drei Monate dauerte ihre Liebe, er begann schon, sie etwas satt zu bekommen, als sie ihm mitteilte, daß sie sich Mutter fühle. Da hatte er nur noch einen Gedanken: sie unter allen Umständen los werden.

      Da er es aber nicht fertig brachte, nicht wußte, wie er es anfangen, wie er es ihr sagen sollte, und die Verzweiflung ihn packte, die Angst vor diesem immer wachsenden Kinde, faßte er einen verzweifelten Entschluß: Er zog eines Nachts aus seiner Wohnung aus und verschwand.

      Der Schlag war so fürchterlich, daß sie nach ihm nicht suchte, der sie verlassen. Sie warf sich ihrer Mutter zu Füßen und beichtete ihr Unglück.

      Ein paar Monate darauf gebar sie einen Knaben.

      Jahre strichen hin, Franz Tessier ward älter, ohne daß sich in seinem Leben etwas verändert hätte. Er führte noch immer das monotone traurige Dasein der Bureaukraten, die keine Hoffnung haben und nichts erwarten können.

      Täglich stand er zur gleichen Stunde auf, legte denselben Weg durch die gleichen Straßen zurück, trat durch dieselbe Thür, und ging an dem gleichen Portier vorbei in dasselbe Bureau, setzte sich auf denselben Stuhl und that dieselbe Arbeit.

      Er stand allein auf der Welt, allein Tags über mitten unter seinen gleichgültigen Kollegen, allein Nachts in seiner Junggesellen-Wohnung. Monatlich legte er zehn Franken für seine alten Tage zurück.

      Jeden Sonntag ging er in den Champs Elysées spazieren, sah die elegante Welt vorüberfahren, die Equipagen und die hübschen Frauen, und am nächsten Tage sagte er zu seinem Kollegen am Schreibtisch:

      – Die Rückfahrt aus dem Bois war riesig elegant gestern.

      Da trat er eines Sonntags zufällig, als er einen anderen Weg gegangen, in den Park Monceau. Es war ein herrlicher Sommermorgen. Die Kindermädchen und die Mütter saßen in den Alleen und sahen den Kindern zu, die vor ihnen spielten. Aber plötzlich fuhr Franz Tessier zusammen. Eine Frau ging vorüber, sie führte zwei Kinder an der Hand, einen kleinen Jungen von etwa zehn und ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren. Sie war es!

      Er ging noch hundert Schritte weiter, dann sank er auf einem Stuhl zusammen, zitternd von dem Eindruck. Sie hatte ihn nicht wiedererkannt. Da ging er den Weg zurück und suchte sie noch einmal zu erblicken.

      Sie hatte sich jetzt gesetzt, der Knabe blieb artig neben ihr stehen, das kleine Mädchen machte Sandhäufchen auf der Erde. Sie war es, ja sie war es!

      Sie sah wie eine wirkliche Dame aus, sie war einfach gekleidet, hatte etwas Würdiges und Schlichtes. Er blickte sie von weitem an und wagte nicht, sich ihr zu nähern.

      Der kleine Junge hob den Kopf, Franz Tessier fühlte, daß er zitterte, es war sein Sohn, ohne Zweifel. Und er betrachtete ihn, und er meinte sich so genau in ihm wiederzuerkennen, als wäre es eine alte Photographie von ihm.

      Hinter einem Baum blieb er versteckt stehen und wartete, bis sie davonging, um ihr zu folgen. In der Nacht darauf konnte er nicht schlafen, vor allem quälte ihn der Gedanke an das Kind. Sein Sohn! Ach, wenn er es bestimmt gewußt hätte! Und was wollte er dann thun?

      Er hatte sich das Haus gemerkt. Er fragte. Er hörte, ein Nachbar, ein anständiger, würdiger Mann habe sie geheiratet, der Mitleid mit ihrem Unglück gehabt. Dieser Mann, der ihren Fehltritt gekannt und ihr verziehen, hatte sogar das Kind anerkannt, sein, Franz Tessiers, Kind!

      Alle Sonntage kehrte er zum Park Monceau zurück, jeden Sonntag sah er sie, und jedesmal packte ihn das wahnsinnige Bedürfnis, seinen Sohn in die Arme zu schließen, ihn mit Küssen zu bedecken, ihn mit sich fortzunehmen, ihn zu stehlen.

      Er litt entsetzlich unter seiner elenden, lieblosen Alt-Junggesellen-Einsamkeit, es quälte ihn furchtbar. Väterliche Liebe mit Gewissensbissen vermischt, mit Eifersucht und Lust und Bedürfnis, ein solch kleines Wesen zu lieben, das die Natur den Menschen geschenkt.

      Endlich wollte er einen verzweifelten Versuch unternehmen, näherte sich ihr eines Tages, als sie in den Park trat, stellte sich mitten auf dem Weg ihr entgegen und sagte bleich mit zitternden Lippen:

      – Erkennen Sie mich nicht?

      Sie blickte auf, sah ihn an, stieß einen Schrei des Entsetzens aus, packte ihre beiden Kinder bei der Hand, und indem sie sie hinter sich herzog, rannte sie spornstreichs davon.

      Er kehrte heim und weinte.

      Monate gingen wieder hin, er sah sie nicht mehr, aber Tag und Nacht quälte ihn die väterliche Liebe. Er hätte sterben wollen, nur um seinen Sohn einmal zu küssen, er hätte jemanden ermordet, er hätte alle schweren Lasten übernommen, aller Gefahr getrotzt, alles gethan, nur dafür.

      Und er schrieb ihr. Sie antwortete nicht. Nachdem er zwanzig Briefe abgesandt, sah er ein, daß er keine Hoffnung hatte, sie weich zu machen.

      Da faßte er einen verzweifelten Entschluß, vollkommen darauf gefaßt, vielleicht eine Revolverkugel ins Herz zu bekommen. Er schickte ihrem Mann einen Brief mit den wenigen Worten:

      Sehr geehrter Herr!

      Mein Name muß Ihnen ein Gegenstand des Anstoßes sein, aber ich bin so traurig, so vom Leid bedrückt, daß ich nur noch auf Sie hoffe. Ich bitte Sie um eine Unterredung von nur zehn Minuten.

      Mit vorzüglicher Hochachtung

       u. s. w.

      Am anderen Tage lief die Antwort ein:

      Sehr geehrter Herr!

      Ich erwarte Sie Dienstag um fünf Uhr.

      Als Franz Tessier die Treppe hinaufschritt, blieb er auf jeder Stufe stehen, so laut pochte sein Herz, es war, als galoppierte ein wildes Tier in seiner Brust und vollführte einen dumpfen, heftigen Lärm.

      Er konnte nur noch mühsam atmen und mußte sich am Geländer halten, um nicht hinunterzustürzen. Im dritten Stock klingelte er. Ein Mädchen öffnete, er fragte:

      – Ist Herr Flamel zu Haus?

      – Gewiß, bitte, treten Sie ein!

      Er ward in einen bürgerlich möblierten Salon geführt; er war allein, er wartete verzweifelt, als würde ein furchtbares Unglück geschehen.

      Die Thür ging auf, ein Mann erschien. Er war groß, ernst, ein wenig wohlbeleibt und trug einen schwarzen Gehrock. Mit der Hand deutete er auf einen Stuhl. Franz Tessier setzte sich, dann sagte er stammelnd:

      – Herr Flamel … Herr Flamel . . ich weiß nicht … ob Sie meinen Namen kennen … ob Sie wissen ….

      Herr Flamel unterbrach ihn:

      – Bitte, bemühen Sie sich nicht, ich weiß alles, meine Frau hat mir von Ihnen gesprochen.

      Er hatte den Ton eines guten Mannes, der streng sein will, eine gewisse bürgerliche Würde. Franz Tessier antwortete:

      –

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