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am nächsten Tag leuchteten ihre Augen, ihre Haare waren gesträubt, und sie zerrte verzweifelt an der Kette. Die Alle gab ihr immer noch nichts zu fressen. Das Tier wurde wütend und bellte mit heiserer Stimme.

      Noch eine Nacht verstrich, dann ging bei Tagesanbruch die Saverini zu ihrem Nachbar und bat um zwei Schütten Stroh. Sie nahm ein paar alte Lumpen, die einst ihr Mann getragen und stopfte das Stroh hinein, sodaß etwas wie eine menschliche Gestalt daraus wurde. Einen Stock hatte sie in den Boden gesteckt vor Sémillantes Tonne, und die Vogelscheuche band sie daran, die nun aussah, als stünde sie aufrecht da; dann machte sie aus einem Paket alter Wäsche einen Kopf.

      Die Hündin sah erstaunt den Strohmann an und schwieg, trotz des Hungers, der an ihr zehrte. Dann kaufte die Alte am nächsten Tage beim Fleischer ein großes Stück schwarzen Speck, kehrte heim, machte ein Holzfeuer im Hof an, nicht weit vom Hunde und röstete das Fleisch.

      Sémillante wurde ganz verrückt, sprang, schäumte, die Augen auf das Fressen gerichtet, dessen Duft ihr in die Nase zog. Dann machte die Alte aus dieser appetitlichen Masse, dem Strohmann eine Art Kravatte, band sie ihm sorgfältig um den Hals, und als sie fertig war, ließ sie die Hündin los.

      Mit einem Riesensatz sprang das Tier der Puppe an die Kehle, die Pfoten auf die Schulter und begann sie zu zerreißen. Ab und zu ließ der Hund nach, ein Stück der Beute im Maul, dann stürzte er von neuem los und versenkte seine Zähne hinein, riß ab und zu ein Stück ab, fiel wieder zurück und sprang wütend abermals los.

      Mit mächtigen Bissen zerfleischte die Hündin das ganze Gesicht und den Hals. Die Alte sah mit glänzenden Augen stumm und unbeweglich zu, dann legte sie das Tier wieder an die Kette, ließ es abermals zwei Tage fasten und wiederholte dies seltsame Spiel.

      Drei Monate lang gewöhnte sie das Tier so an diese Art Kampf, an diese Mahlzeit, die nur durch Angriff und Biß zu erreichen war. Sie band das Tier nicht mehr an, aber bei einer Handbewegung stürzte es sich auf die Puppe. Und sie hatte ihn gelehrt, sie zu zerreißen, zu zerfleischen, sogar ohne daß ein Köder an der Puppe steckte. Und dann bekam die Hündin jedesmal als Belohnung den Speck, der für sie geröstet worden war.

      Sobald Sémillante den Strohmann sah, begann sie zu zittern, schaute ihre Herrin an, bis die ihr zurief:

      – Faß! – mit pfeifender Stimme und den Finger hob.

      Als die alte Saverini die Zeit gekommen wähnte, ging sie beichten und kommunizieren eines Sonntags früh mit ekstatischer Glut. Dann zog sie männliche Kleidung an, und von einem sardinischen Fischer geführt, ließ sie sich, von ihrer Hündin begleitet, auf die andere Seite der Meer-Enge bringen.

      In einem Leinensack trug sie ein großes Stück Speck; Sémillante fastetete seit zwei Tagen. Alle Augenblicke ließ die alte Frau das Tier die gewohnte Nahrung beschnuppern und erregte es so immer mehr.

      Sie kamen nach Longosardo; die Alte humpelte zu einem Bäcker und fragte, wo Nicolaus Ravolati wohne. Er hatte seinen ehemaligen Tischlerberuf wieder aufgenommen und arbeitete allein in seinem Haus.

      Die Alte stieß die Thür auf und rief:

      – He, Nicolaus!

      Er wandte sich um, da ließ sie die Hündin los und rief:

      – Faß! Faß!

      Das wütende Tier stürzte sich auf ihn, packte ihn bei der Gurgel, der Mann streckte die Arme aus, umklammerte es, sie fielen zu Boden, ein paar Sekunden zuckte er und schlug mit den Absätzen auf die Erde, dann blieb er unbeweglich liegen, während Sémillante seinen Hals zerfleischte und Fetzen daraus riß.

      Zwei Nachbarn, die vor der Thür saßen, erinnerten sich später, daß sie einen alten Bettler mit einem schwarzen, verhungerten Hund herauskommen gesehen, der während sie davongingen etwas Dunkles fraß, das ihm sein Herr gegeben.

      Die Alte war Abends wieder zu Haus, und diese Nacht schlief sie gut.

      Coco

       Inhaltsverzeichnis

      In der ganzen Gegend nannte man den Meierhof, der dem Lucas gehörte, »das Gütchen«. Man wußte eigentlich nicht warum, wahrscheinlich verbanden die Bauern mit dem Wort ,Gütchen’ den Begriff von Reichtum und von Größe, denn der Hof war der grüßte und stolzeste in der ganzen Gegend.

      Der große Hof war von fünf Reihen prachtvoller Bäume umgeben, um die zarten Apfelbäume gegen den heftigen Wind, der von der Ebene wehtet zu schützen.

      Langgestreckte, ziegelgedeckte Scheunen, die Ernte aufzunehmen, schöne Viehställe und Stauung für dreißig. Pferde, dann ein Wohnhaus in roten Ziegeln, daswie ein kleines Schloß aussah, lugten dahinter heraus.

      Die Düngergruben waren gut gehalten, Wacht-Hunde lagen in ihren Hütten, in dem hohen Gras trieb sich ein ganzes Volk Geflügel umher.

      Gegen Mittag nahmen fünfzehn Personen, Herren, Knechte und Mägde um den langen Küchentisch Platz, auf dem in einer großen, bunten Fayenceschüssel die Suppe dampfte.

      Die Tiere, Pferde, Schafe, Kühe waren in gutem« Futterzustand, reinlich und gut gehalten, und Bauer Lucas, ein großer, etwas wohlbeleibter Mann, machte dreimal täglich überall die Runde, überwachte alles und dachte an alles.

      Im Stall erhielt ein sehr alter Schimmel das Gnadenbrot, das ihm die Hausfrau bis zu seinem Tode geben wollte, denn sie hatte ihn großgezogen, immer gefahren, und viele Erinnerungen knüpften sich an ihn.

      Ein Bengel von fünfzehn Jahren, Isidor Duval, den man kurz Zidor nannte, wartete das alte Tier und gab ihm im Winter sein Maß Hafer und das Heu und mußte im Sommer täglich mit ihm viermal auf die Weide gehen, wo es angepflockt wurde, sodaß es reichlich grünes Futter bekam.

      Das schwache, alte Tier konnte kaum seine schweren Beine mit den angeschwollenen Fesseln und verdickten Knieen heben. Das Fell, das man nicht mehr striegelte, sah aus wie weißes Haar, und die sehr langen Wimpern gaben den Augen etwas Trauriges.

      Wenn Zidor das Tier auf die Weide brachte, mußte er’s am Strick ziehen, denn es ging sehr langsam, und der Bengel keuchte, beugte sich vor, schimpfte fortwährend und war immer wütend, daß er für den alten Gaul sorgen sollte.

      Die Leute auf dem Hof, die die Wut des Bengels Hegen den alten Coco sahen, lachten darüber, redeten -immer von Zidors Klepper, um den Jungen zu ärgern. Seine Altersgenossen zogen ihn auf, und bald hieß er im Dorf Coco-Zidor.

      Der Bengel war wütend, und der Gedanke stieg in ihm auf, sich an dem Gaul zu rächen. Er war ein hoher, lang aufgeschossener Junge mit schmutzigen, dichten, struppigen, roten Haaren, er hatte etwas Blödes, stotterte, brachte kaum ein paar Worte heraus, als »ob in der stumpfsinnigen Seele keine Gedanken sich chatten bilden können.

      Schon lange wunderte er sich, daß man Coco noch behielt, und war empört, daß man an das alte, unnütze Tier noch etwas wendete. Von dem Augenblick ab, wo es nicht mehr arbeitete, schien es ihm ungerecht, es noch weiter zu ernähren.

      Er fand es empörend, den Hafer, den teuren Hafer, an dies alte, halbgelahmte Vieh zu verschwenden. Und manchmal, gegen den Befehl des Bauern, knapste er ihm von der Nahrung ab, gab ihm bloß ein halbes Maß und sparte am Heu.

      Und in seiner dumpfen Kinderseele stieg eine milde Wut auf gegen das Tier, ein brutaler, feiger Bauernhaß.

      Als der Sommer wiederkam, mußte er das Tier wieder auf die Weide, die weit entfernt lag, zerren; der Junge, von Tag zu Tag wütender, zog das Pferd hinter sich her durch die Felder langsamen Schrittes.

      Die Knechte, die dort arbeiteten, riefen ihm scherzend nach:

      – He Zidor, grüß mal Coco von mir!

      Er antwortete nicht, aber im Vorübergehen, brach er sich aus einer Hecke einen Stecken, und sobald er den alten Gaul angebunden hatte, ließ er ihn werden. Dann näherte er sich feige von hinten und begann ihn zu schlagen.

      Das Tier versuchte

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