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liegt an meiner elfengleichen Erscheinung und meinem schwebenden Gang.« Ich zog eine dezent-spöttische Grimasse. Bei einer Größe von 1,77 Metern und meiner Vorliebe für Cowboystiefel durfte es gerne ein wenig Ironie sein.

      Silvie trank mit stoischer Gelassenheit ihren Kaffee aus und lächelte mich an. »Ja, unter anderem darum behalte ich dich auch weiterhin. Seit Jaime dich in mein Zimmer gestellt hat, gab es keine Reklamationsgründe und die Umtauschfrist ist sowieso abgelaufen. Ich habe auch gar keine Lust, dich in absehbarer Zeit wieder los zu werden.« Sie schulterte ihre Klamotten. »Leute, wir sehen uns um elf. Ich gehe und verwandle mich wieder in ein menschliches Wesen.« Huldvoll winkend entschwand sie im Badezimmer.

      Ich blickte stirnrunzelnd in die Tasse, die Carlos mir wortlos entgegen schob. »Keine Ahnung wie es dir geht, aber ich hab tatsächlich Hunger, ich geh rüber. Kommst du mit? Dürfte sowieso ruhig sein. Immerhin fehlen zweiundvierzig Leute.«

      Carlos fuhr sich mit allen zehn Fingern durch seine frisch gewaschenen Haare. »Ich weiß nicht so recht. Hannah reist doch morgen ab. Vielleicht sollte ich mich noch ein wenig um sie kümmern.«

      Ich musterte ihn mit tadelndem Blick. »Schäm dich. Wie bekommst du das eigentlich immer wieder hin? Ich meine, zwei auf einmal und keine merkt etwas von der anderen?«

      Er stellte sein Geschirr im Spülbecken ab, umrundete mit einer geschmeidigen Bewegung die Theke, umarmte mich von hinten und flüsterte mir ins Ohr: »Übung, jahrelange Übung.« Dann angelte er sich sein Jeanshemd vom Haken, streifte es sich im Gehen über und verließ mit einem »Wir sehen uns in einer Stunde« die Wohnung.

      Ich blieb kopfschüttelnd zurück. Kerle!

      Schnell brüllte ich ins Bad, dass ich im Restaurant sei, um zu frühstücken. In der Hoffnung, dass Silvie es gehört hatte, machte ich mich auf den Weg.

      Dadurch, dass es zwei Restaurants und eine Bodega für die Snacks zwischendurch gab, war es im Costa Azul nie so überlaufen wie in den großen Hotelkästen. Das Restaurant, in dem das Frühstück serviert wurde, war hell, freundlich in Blau und Weiß gestrichen, mit weißen Holzmöbeln, dazu immer frische Blumen und azurblaue Tischdecken. Die beiden langen Buffets waren reichlich bestückt und das Essen sehr lecker. Kaffee holte man sich an drei großen Warmhaltegefäßen, es gab Säfte, Milch, heiße Schokolade, Obst, Käse, Wurst, Eier – einfach alles, was ein gutes Frühstück ausmachte. Beschwerden kamen selten. Wenn, dann von einer bestimmten Generation Deutscher oder aber – und das war lustig – von Italienern. Wer einmal die »Üppigkeit« eines italienischen Frühstücks genießen durfte, wäre höchst erstaunt, dass man sich hier über Qualität und Menge ereiferte. Nun ja, Clubchef Leon ertrug es mit Gelassenheit und einem immer freundlichen Lächeln. Was blieb ihm schon anderes übrig.

      Der Bereich für uns Clubangestellte war mit einer weiß getünchten Mauer aus Ziegeln vom allgemeinen Bereich abgetrennt. In den regelmäßigen Aussparungen brannten abends stilvolle Windlichter.

      Ich absolvierte meine morgendliche Begrüßungsrunde bei Gästen, die ich kannte, und verzog mich dann hinter die Mauer in unseren Bereich. Dort traf ich auf Sebastian, unseren zweiten Poolguard, was bedeutete, dass Oliver, unser charmanter Franzose, bereits in seinem Minizelt am Pool saß und darauf achtete, dass nichts passierte. Fernando und José mussten am Strand um Punkt neun die grüne Fahne hissen und darauf achten, dass keine Gäste ertranken.

      Auch Lise, unsere quirlige Quotenholländerin, war schon wieder auf dem Sprung. »Cara, du muuusst diese Pfannkuchen probieren. Sie sind köööstlich.«

      Diese Holländer und ihre Leidenschaft für Pfannkuchen! Ich lächelte und nickte pflichtschuldig. »Danke für den Tipp, Lise, wird gemacht.«

      Während sie schnellen Schrittes entschwand, trollte ich mich zum Büffet, von wo Oberkellner Juan und unser deutscher Koch Richard mir erwartungsvoll entgegenblickten.

      »Guten Morgen, Cara, auch schon aus den Federn?« Richard, die Arme über dem ansehnlichen Bauch verschränkt, lachte mir fröhlich entgegen.

      Ich seufzte mitleiderregend. »Wer, glaubst du, hat heute, mitten in der Nacht, die Passagiere für den Brit-Bomber verabschiedet? Das war ja wohl meine Wenigkeit, also darf ich mir ein Spätfrühstück gönnen.«

      Richard schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Heiliger Strohsack, stimmt ja, da war was. Und ich Depp wunder mich, dass so wenig los ist.« Sein Blick wanderte nachdenklich über die noch immer gut gefüllten Büffets. »Na dann, Cara, ist fast alles für dich. Lang tüchtig zu.«

      Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. »Danke, Richard, wenn’s nach dir ginge, würde ich sowieso schon mit Rollen schneller vorankommen als mit Laufen.« Ich holte mir einen Teller, häufte Rührei samt geschnittenen Tomaten darauf, fischte mir mehrere Scheiben Speck aus der riesigen Pfanne und schaffte es gerade noch, eines der knusprigen Brötchen daneben unterzubringen. Mit Teller und einem Glas Orangensaft ging ich vorsichtig zurück zu meinem Platz. Als Kellnerin wäre ich denkbar ungeeignet.

      Roberta gesellte sich zu uns und stocherte in den Resten ihres Frühstücks herum. So in Gedanken versunken kannte ich sie sonst kaum. Ich steckte mir eine Gabel mit Rührei in den Mund und wartete, ob sie von sich aus erzählen würde. Es dauerte eine Weile, ehe sie sich ein Herz fasste. »Cara, was würdest du tun, wenn du einen richtig bösen Verdacht hast, dir aber nicht sicher bist?«

      Ich schluckte, spülte mit Orangensaft nach und sah sie fragend an. »Was genau meinst du mit Verdacht?«

      Sie wand sich und suchte sichtlich nach den richtigen Worten. Ehe sie fortfuhr, blickte sie sich um, doch außer Sebastian war niemand in der Nähe. »Also, letzte Woche kam doch das Pärchen mit der kleinen Tochter aus Manchester an. Du weißt schon, die Neonlady, an der alles knallgelb, knallgrün oder knallpink ist.«

      »Ja, und was ist mit denen?«

      Sie zuckte mit hilflosem Blick die Schultern. »Sie sind einfach strange. Die Kleine ist immer komplett bekleidet. Selbst im Pool hat sie ein langärmliges Shirt und eine lange Stretchhose an. Hast du mal bemerkt, wie dünn das Kind ist? Oder wie sie bei jedem Wort ihres Vaters sofort zusammenzuckt?«

      »Nun ja«, mischte Sebastian sich ein, »in England gibt es nicht so viel Sonne. Vielleicht wollen sie den Zwerg einfach nur schützen. Und dass Kinder in dem Alter auch mal dünner sind, weil sie herumtoben wie verrückt, soll schon vorkommen. Wie alt ist das Mädel denn?«

      Roberta dachte angestrengt nach. »Wenn ich mich recht entsinne, dann ist es vier. Ich glaube, dass die Eltern von ihrer Tochter genervt sind. Aber jedes Mal, wenn ich meine Runde mache, um Kinder für Spiele am Strand oder zum Backen in der kleinen Küche einzusammeln, darf sie nicht mitmachen. Also bei allem, wofür sie aus dem Blickfeld der Eltern verschwinden müsste.«

      »Vielleicht sind sie einfach übervorsichtig? Ich meine, besonders sympathisch sind die zwei wahrlich nicht, aber wir müssen aufpassen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.« Ich überlegte angestrengt. »Was steht heute bei dir auf dem Plan?«

      »Heute nichts mehr, aber morgen T-Shirts gestalten mit Stiften und Pailletten und so weiter. Danach gibt’s Eis für alle.«

      »Ist das unten im überdachten Poolbereich? Dann versuch dir die Kleine morgen zu schnappen und sieh sie dir, wenn möglich, genauer an. Aber unauffällig! Wenn du dann einen konkreten Verdacht hast, geh zu Leon oder Carlos. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«

      »Ja, du hast recht. Ich halte einfach die Augen und Ohren offen.« Roberta warf einen Blick auf die Uhr, die direkt hinter mir hing. »Halb elf schon. Ich geh dann mal. Wir sehen uns beim Meeting.«

      Sebastian und ich blieben zurück und ich aß erst einmal in Ruhe mein Frühstück. Allerdings gingen mir Robertas Worte nicht aus dem Kopf. Die Italienerin liebte Kinder über alles und hatte einen hervorragenden Riecher in Punkto Problemfälle. Damit waren wir leider öfter konfrontiert, als uns lieb war. Ob das nun sturzbetrunkene Eltern waren, die ihre Kinder irgendwo vergaßen, oder die übervorsichtigen, die ihren Kleinen alles verboten. Dann gab es noch die, bei denen man das Gefühl hatte, dass ihre Kinder eigentlich nur ein Ärgernis

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