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für einen Nachmittag dort hinfahren und meine Eltern und meinen Bruder besuchen.

      Ich brauche tatsächlich bis zum Feierabend, um die Liste, die Herr Sahrmann mir gegeben hat, abzuarbeiten. Als ich endlich meinen PC herunterfahre, habe ich neben diversen Kundentelefonaten und ausgearbeiteten Angeboten auch noch einen Maniküre-Termin für meinen Chef vereinbart, seinen Golfpartner angerufen, um das morgige Spiel um eine Stunde zu verschieben, und per Blumenlieferservice einen Strauß Rosen für seine Frau verschickt. Der Text, der auf die Karte geschrieben werden sollte, lässt vermuten, dass der Haussegen mächtig schief hängt im Hause Sahrmann und dass er einiges gutzumachen hat. Außerdem gehörte zu meinen Aufgaben des heutigen Nachmittags auch, einen Tisch in einem teuren Nobelrestaurant zu reservieren. Zum Glück ist mein Chef in diesem Restaurant Stammgast, ansonsten hätte er es natürlich vergessen können, gleich heute Abend noch einen Tisch zu bekommen. Dieses Restaurant ist nicht nur schwer angesagt, der Inhaber ist auch ein bekannter Fernsehkoch und hat einen der begehrten Michelin-Sterne.

      Nur zu gern würde ich selbst einmal in diesem Restaurant mit Blick auf den Hamburger Hafen speisen, doch leider fehlt mir dafür das nötige Kleingeld. Aber gut, was nicht ist, kann ja noch werden. Wenn mein Plan erst mal Wirklichkeit ist …

      Vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon an einem dieser Tische sitzen, das glänzende Silberbesteck vor mir auf dem schneeweißen, gestärkten Tischtuch. Sanftes Kerzenlicht lässt den Raum schimmern und vor mir stehen die köstlichsten Gerichte, wunderschön angerichtet und dekoriert.

      „Lilly? Hallo? Jemand zu Hause? Wovon träumst du denn?“ Cookies Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

      „Ähm … Ich … Nichts“, antworte ich stotternd und Cookie grinst nur süffisant.

      „Ja, ist klar. Deshalb reagierst du auch nicht. Ich hab dich gefragt, ob du jetzt Feierabend machst. Kommst du mit zur S-Bahn?“

      Meine Kollegin holt ihre Handtasche aus der Schreibtischschublade und schließt diese mit einem Knall.

      „Wochenende!“, trällert sie und hängt sich die Tasche mit so viel Schwung über die Schulter, dass sie beinahe ihren Locher vom Schreibtisch gefegt hätte. „Was ist jetzt? Kommst du?“, fragt sie noch einmal nach.

      „Ich bin heute mit dem Auto da. Aber wenn du willst, kann ich dich mitnehmen.“ Auf meinem Heimweg nach Fuhlsbüttel, wo ich wohne, fahre ich zwar nicht direkt bei Cookie vorbei, es ist jedoch auch kein großer Umweg für mich. Außerdem mag ich es, sie als Gesellschaft dabeizuhaben und nicht ganz allein im Auto zu sitzen – erst recht, wenn die Stadt in der Rushhour mal wieder so voll ist, dass man zwangsläufig im Stau steht.

      „Und, was bringt dir das Wochenende?“, fragt Cookie, als wir durch Hamburgs Straßen fahren, die ausnahmsweise nicht so überfüllt sind, wie ich erwartet hatte. „Wieder irgendeine supercoole Veranstaltung?“

      „Ja, morgen gehe ich zu einer Vernissage. Der Künstler heißt Mark Garmont und kommt aus den USA. Dort ist er schon seit Ewigkeiten berühmt und vor ein paar Monaten ist er nach Hamburg gezogen. Jetzt schwappt seine Bekanntheit so allmählich hier herüber. Du glaubst gar nicht, was die Leute bereit sind, für eins seiner Bilder zu zahlen! Unglaublich!“ Ja, ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und mich, nachdem ich von Herrn Sahrmann die Einladung erhalten habe, im Internet über ihn schlaugemacht. Schließlich muss ich mitreden können, wenn ich mir seine Bilder anschaue.

      Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Cookie ihr Handy aus der Handtasche kramt und wie wild anfängt, darauf herumzutippen. Ein leiser Pfiff, der über ihre Lippen kommt, lässt mich grinsen. Anscheinend hat meine Freundin Mark Garmont gerade gegoogelt.

      „Woah, Lilly! Der Typ ist ja … Puh, da wird mir ja schon vom Anschauen ganz warm. Den würde ich definitiv auch nicht von der Bettkante stoßen!“

      Als ich an einer roten Ampel halten muss, drehe ich mich zu ihr herum.

      „Ein Augenschmaus, was?“, frage ich grinsend und zwinkere ihr zu. Cookie scrollt noch immer durch die Bilder, die von Mark Garmont im Internet zu finden sind, und wirft mir nur einen kurzen Seitenblick zu.

      „O ja! Definitiv! So wie der ausschaut und wenn er dazu noch nett ist, würde ich ihn an deiner Stelle auch nehmen, wenn er ein armer Schlucker wäre! Zumindest für eine heiße kleine Affäre.“

      Ich lache auf und fahre weiter, als die Ampel auf Grün springt.

      „Erst einmal müsste ich es schaffen, auf dieser Vernissage überhaupt an ihn heranzukommen. Ich bin bestimmt nicht die einzige Frau, die ihn kennenlernen will. Mal abgesehen von den ganzen Kunstliebhabern und Mäzenen, die ihn sicherlich vereinnahmen werden. Er ist schließlich der Künstler, du glaubst gar nicht, wie die Leute ihn umschwärmen! Das ist wie mit Teenies bei einem Konzert – nur dass die Schönen und Reichen keine Selfies mit ihrem Star machen wollen.“

      Cookie lacht auf bei meinem Vergleich. „Na, da läuft sicher das Hamburger Who-is-who herum. Wenn du es nicht schaffst, ihn dir zu angeln, findet sich vielleicht ein anderer. Das ist doch genau das Richtige für dich. Obwohl ich ja noch immer nicht so recht verstehe, warum du dir das alles antust. Ich meine, nur für die Kohle setzt du alles daran, dir einen Millionär zu angeln? Was ist mit der Liebe?“

      Ich weiß nicht mehr, wie oft wir diese Diskussion schon geführt haben. Auf jeden Fall kommen wir immer wieder an denselben Punkt. Ich habe meinen Plan für mein Leben, der für Cookie absolut nicht nachvollziehbar ist, obwohl sie meine Gründe für diesen Plan kennt. Wir würden uns in diesem Punkt niemals einig werden.

      „Ach Cookie, so schlimm ist es doch gar nicht!“, betone ich. „Mir machen diese Veranstaltungen ja auch Spaß. Ich meine, welche Frau möchte sich nicht mal wie eine Prinzessin fühlen? Welche Frau macht sich nicht gern schick. So richtig schick meine ich, mit Cocktailkleid und tollen Schuhen und allem. Wer mag das nicht?“

      „Ich!“ Vollkommen trocken gibt Cookie mir diese Antwort und ich pruste los.

      „Okay, da bist du aber auch echt eine Rarität!“

      „Warum? Weil ich mir aus dieser Schickeria nichts mache? Ja, vielleicht bin ich da wirklich anders. Ich mag es viel lieber, abends mit meinem Mann auf der Couch zu sitzen, Händchen zu halten oder zum Italiener um die Ecke zu gehen und eine Pizza zu essen. Ich brauche das alles nicht. Aber wenn es dir Spaß macht – genieß es!“

      Ich halte in der Einfahrt von Cookies Wohnblock und drehe mich zu ihr.

      „O ja, das werde ich! Und wenn ich ein Glas Champagner trinke, werde ich an dich denken!“ Grinsend zwinkere ich ihr zu und Cookie schüttelt den Kopf.

      „Na gut, der Champagner reizt mich wirklich. Das gebe ich zu! Ich wünsche dir ein tolles Wochenende und ganz viel Spaß auf der Vernissage“, sagt sie und nimmt mich zum Abschied kurz in den Arm. „Und Montag im Büro möchte ich einen detaillierten Bericht hören!“ Dann steigt sie aus und winkt mir im Weggehen noch einmal zu.

      Lächelnd setze ich den Wagen zurück auf die Straße. Ja, so ganz gefeit vor den Verlockungen des Luxuslebens, wie Cookie immer tut, ist sie doch nicht. Auch wenn sie zu gern das Gegenteil behauptet. Zumindest mit dem Champagner würde man sie kriegen, denn den liebt sie!

      2

      VERNISSAGE

      Kaum habe ich mir in meiner Wohnung die Pumps von den Füßen gezogen, führt mein Weg mich ins kombinierte Wohn- und Schlafzimmer, um meinen Mitbewohner zu begrüßen.

      „Hey, Elvis. Hattest du einen schönen Tag?“, frage ich, als ich die Tür des Käfigs öffne. Sofort streckt der Kleine sein putziges Näschen aus der Tür, dann springt er heraus und setzt sich vor mir auf die Hinterläufe. Elvis ist mein Kaninchen, genau genommen ist er ein Löwenkopfkaninchen und mit seiner beigefarbenen Mähne finde ich die Bezeichnung Löwenkopf auch wirklich passend. Seinen Namen verdankt er der Tatsache, dass er ein Fellbüschel über der Stirn hat, das immer eine Tolle bildet – ebenso wie bei dem weltbekannten Sänger.

      Nachdem ich meinem kleinen Freund ein paar Streicheleinheiten

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