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Doch obwohl Christopher alle Register seines hohen Könnens zog, kam er »Amigo« nicht auf die Schliche. Wie sich zeigte, gab es nicht nur einen »Christopher Murphy«, der sich in diesen Dingen exzellent auskannte.

      Das musste der gewitzte Informatikspezialist nach stundenlangem Tüfteln, Testen, Schalten und Probieren zähneknirschend einsehen. »Amigo« – offenbar ein sehr gerissener Mediengestalter – hatte seine Existenz bestens verschleiert und sich so gut abgeschirmt, dass man an ihn nicht herankam. Damit musste sich Molly wohl oder übel abfinden.

      »Vielleicht macht er beim nächsten Mal einen Fehler«, sagte Christopher. »Dann kriege ich ihn.«

      Molly fröstelte. »Das würde bedeuten, dass er sich mit einer zweiten Nachricht an mich wendet.«

      »Ich denke, das wird er«, sagte Christopher.

      Hoffentlich nicht, dachte Molly. Ich wünschte, er würde mich endlich in Ruhe lassen – mich einfach vergessen. Dafür wäre ich ihm wirklich sehr, sehr dankbar, diesem »Amigo».

      *

      Am darauffolgenden Freitag kam Molly Stone, sehr zu Johnnys Freude, früh nach Hause. Der kleine Schnurrer wich ihr nicht von der Seite.

      »Wenigstens einer, der mich noch lieb hat«, murmelte Molly sarkastisch.

      Harry Baxter machte nach wie vor keine Anstalten, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Sie fragte sich, wie lange er das noch durchziehen wollte.

      War er an keiner Aussprache, an keiner Aussöhnung mehr interessiert? War seine Liebe, die vor kurzem noch so heiß gelodert hatte, völlig erloschen?

      Je länger es dauert, desto breiter und tiefer wird der Graben, Harry, dachte Molly deprimiert. Und irgendwann wird er dann möglicherweise unüberbrückbar sein. Begreifst du das nicht? Bist du dir dessen nicht bewusst? Herrgott noch mal, wieso bist du bloß so stur?

      Molly zuckte heftig zusammen, als es plötzlich an der Haustür läutete.

      Harry!, war ihr erster Gedanke. Ist er endlich zur Vernunft gekommen? Wie soll ich ihn empfangen? Aufgeräumt? Heiter? Erleichtert? Oder distanziert? Unzugänglich? Reserviert? Zurückhaltend? Ach was, einfach ganz normal. Weder vorwurfsvoll noch nachtragend. Was war, ist vergessen. Schwamm drüber. Wir müssen endlich der Sonne Gelegenheit geben, wieder zu scheinen.

      Sie eilte mit heftig klopfendem Herz zur Tür und öffnete sie schwungvoll und mit freudiger Erwartung. Doch im nächsten Moment breitete sich ein enttäuschter Ausdruck über ihr hübsches Gesicht, denn vor ihr stand ein fremder Mann – groß, schlank, dunkler Walrossbart, dicke Nase, Hornbrille, Schirmmütze.

      »Ja, bitte?«

      »Miss Molly Stone?«

      »Ja.«

      »Ich habe ein Päckchen für Sie«, sagte der Mann. Sein Oberlippenbart wucherte weit über den Mund.

      Wie man mit dem Ding essen kann, ist mir ein Rätsel, dachte Molly. »Für mich?«, fragte sie überrascht. »Ich habe nichts bestellt.«

      »Scheint sich um eine Büchersendung zu handeln«, sagte der Bote.

      »Das muss ein Irrtum sein.«

      »Tja, auf dem Päckchen steht Ihr Name.«

      »Und wer ist der Absender?«, wollte Molly wissen.

      »Das steht außen nicht drauf. Vielleicht drinnen.«

      Molly nahm das Päckchen entgegen. Es war nichts zu bezahlen. Molly musste lediglich mit ihrer Unterschrift den Empfang bestätigen. Das tat sie.

      Der Walrossbärtige tippte sich an die Schirmmütze, wünschte ihr einen schönen Tag, sie schloss die Tür und ging ins Wohnzimmer.

      Das Telefon läutete. Molly legte das Päckchen auf den Tisch und ging an den Apparat. Am andern Ende der Leitung war Hetty Page.

      »Rat mal, mit wem ich im Supermarkt zusammengestoßen bin«, fiel sie gleich mit der Tür ins Haus.

      »Woher soll ich das wissen?«, gab Molly trocken zurück. »Ich bin keine Hellseherin.« Sie riet halt mal, um Hetty eine Freude zu machen: »Mit Harry?«

      »Nicht ganz.«

      »Was heißt das?«

      »Ich bin nicht direkt mit Harry Baxter zusammengestoßen«, erklärte Hetty.

      »Sondern mit wem?«

      »Mit seinem besten Freund«, sagte Hetty Page.

      »Mit Victor Corran?«

      »Genau mit dem«, bestätigte Hetty. »Unsere Einkaufswagen sind ganz schön kräftig zusammengekracht.«

      Interessiert mich eigentlich überhaupt nicht, dachte Molly.

      »Wir hatten beide zu viel Schwung drauf«, sagte Hetty.

      Ist ja hochinteressant, dachte Molly ironisch.

      »Ist ein ganz Lieber, dieser Victor«, bemerkte Hetty.

      Du findest nahezu alle Männer ganz lieb, dachte Molly ein wenig sarkastisch. Hast die Latte diesbezüglich nicht besonders hoch gelegt.

      »Er lässt dich herzlich grüßen«, sagte Hetty.

      »Danke.«

      »Wir haben natürlich auch über euch gesprochen.«

      Natürlich, dachte Molly. Das konnte ja nicht ausbleiben. »Und?«, fragte sie.

      »Na ja, Victor findet es sehr schade, dass Harry und du …«

      Ist nicht meine Schuld, dachte Molly bitter. Der Vertrauensbruch fand auf Harrys Seite statt, wie wir wissen.

      »Victor hat mir erzählt, dass es Harry nicht gut geht.«

      Warum unternimmt Harry nichts dagegen?

      »Harry will niemanden sehen und mit niemandem reden«, erzählte Hetty. »Er igelt sich ein, kapselt sich ab, isst nichts, schläft nicht …«

      Und das alles nur, weil ihm dieses gefälschte Schreiben zugespielt wurde, dachte Molly. Herrgott noch mal, Harry, du benimmst dich wie ein pubertierender Junge. Spring endlich über deinen Schatten. Ich werde es dir nicht schwer machen, das verspreche ich. Lass mich nur deinen ernsten Willen erkennen, dann wird alles wieder gut.

      »Weißt du, was ich mir nach dem Gespräch mit Victor Corran gedacht habe?«, fragte Hetty.

      »Was?«

      »Dass ich eventuell … als Vermittlerin …«

      »Nein, Hetty«, sagte Molly sofort.

      »Nein? Ich könnte doch …«

      »Bitte halte dich da raus, okay?«, verlangte Molly.

      »Harry leidet. Du leidest. Victor findet, genau wie ich, dass ihr zusammen gehört und dass ihr wieder zusammen sein solltet.«

      »Wenn es sein soll, wird es geschehen, aber bitte ohne dein Zutun. Versprich mir, dass du dich nicht einmischst.«

      Hetty Page seufzte. »Na schön, ich verspreche es«, sagte sie widerstrebend. »Aber dann solltet ihr beide euch endlich wieder auf einander zubewegen. Wie lange soll dieser unhaltbare Zustand denn noch so bleiben?«

      Hoffentlich nicht mehr lange, dachte Molly.

      »Kannst du Harry nicht … wenigstens den kleinen Finger entgegenstrecken?«

      Ich könnte, dachte Molly.

      »Beende diese Situation, die für euch beide gleichermaßen unerträglich ist«, sagte Hetty eindringlich. »Damit würdest du wahre Größe zeigen. Der Klügere gibt nach. Wenn du dich dazu aufraffst, wirst du über den Dingen stehen und erkennen, wie lächerlich das Ganze im Grunde genommen ist. Gib dir einen Ruck, Molly. Jeder Mensch verdient eine zweite Chance. Auch Harry. Er vor allem. Ich weiß, dass du ganz tief in dir drinnen der gleichen Meinung bist wie ich.«

      Molly sagte

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