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willst.«

      Pauls Tränen flossen erneut. Da lief Pucki wieder zu Onkel Niepel, legte bittend die Händchen ineinander und bat nochmals:

      »Sieh mal, lieber Onkel, wie er weint.«

      Doch Onkel Niepel blieb unerbittlich. Eindringlich schilderte er dem kleinen Mädchen, daß Faulheit Strafe verdiene, und daß Paul sich das Vergnügen selbst verdorben hätte, weil er gar zu träge gewesen sei.

      »Es wird ihm eine Lehre sein, Pucki.«

      Der Oberförster drängte zum Weiterfahren. Nochmals streichelte das Kind den weinenden Knaben, dann kehrte es betrübt zu dem Wagen zurück.

      »Es wäre noch viel schöner, wenn der Paul dabei wäre. – Ach, der arme Paul.«

      Bald war die Traurigkeit Puckis wieder verflogen, als man Rotenburg erreichte, und Claus die drei ein wenig durch die Stadt führte, um schließlich Tante Grete aufzusuchen.

      Das war eine sehr liebe ältere Dame, die die Kinder mit Kaffee und Kuchen bewirtete und ihnen viel Schönes erzählte. Nur zu rasch vergingen die Stunden. Der Oberförster kam, blieb noch ein Weilchen bei seiner Schwester, dann wurde die Heimfahrt angetreten.

      »War es schön?« fragte er Pucki, als er sie aus dem Auto hob.

      »Ach ja, sehr schön, Onkel Oberförster. Aber – es wäre noch viel schöner gewesen, wenn der Paul nicht hätte weinen brauchen, wenn er mitgekommen wäre.«

      »Gutes, weichherziges Mädchen«, lobte der Oberförster.

      »Es ist eben meine kleine Pucki mit dem goldenen Herzen«, sagte der große Claus und strich dem Kinde zärtlich über die Wange.

      Pucki wies stolz auf das goldene Herzchen am Halse.

      »Hier hängt es, großer Claus, und immer denke ich an dich.«

      »Unser guter, kleiner Waldpuck! Mögest du immer so bleiben, kleines Mädchen!« – – –

      Am Ostersonnabend drängte Pucki, es wollte nun endlich zur alten Schmanzbäuerin gehen, um ihr von Ostern vorzulesen.

      »In meinem Buch steht eine sehr schöne Geschichte vom Herrn Jesus, die muß die Schmanzgroßmutter hören, gerade weil Ostern ist. Ich kann sie schon ganz fix lesen.«

      »Pucki, die Großmutter liegt noch zu Bett.«

      »Dann hat sie gar keine Freude mehr, nur noch wenn ich ihr was vorlese. – Ach, Mutti, laß mich doch hingehen. Der große Claus hat gesagt, wir sind dazu da, die Menschen zu erfreuen, und auch zu Ostern muß man Freude machen. – Mutti, bitte, laß mich zur Schmanzgroßmutter gehen.«

      »Meinetwegen, so begleite den Vater, der heute nachmittag über die Schmanz gehen muß. Aber sei nicht laut, mein Kind, denke immer daran, daß die Schmanzgroßmutter krank ist.«

      »Ich will ihr dann ganz leise vorlesen. Aber sie freut sich doch immer so sehr.«

      So wurde am Ostersonnabend von Förster Sandler und seiner Tochter die Schmanz besucht. Die Bäuerin empfing die beiden und sagte betrübt:

      »Es will mit der Mutter gar nicht mehr gehen. Ich glaube, sie macht es nicht mehr lange.«

      »So will ich Pucki nicht mehr zu ihr hineingehen lassen.«

      »O doch, Herr Förster, die Mutter freut sich immer sehr über das Kind. Ich will gleich mal zu ihr gehen und sehen, was sie macht.«

      Pucki, die unterwegs für die Schmanzgroßmutter einen Strauß Waldanemonen und Leberblümchen gepflückt hatte, sagte bittend, indem sie der Bäuerin das Buch hinhielt:

      »Laß mich doch zu ihr, ich habe eine sehr schöne Geschichte. Sie freut sich, wenn ich ihr vorlese, und die Blümchen will ich ihr auch geben.«

      Die Bäuerin kam sehr bald wieder zurück und sagte, daß die Mutter zwar sehr schwach sei, aber trotzdem Pucki sehen möchte.

      Auf den Zehenspitzen ging die Kleine ins Zimmer. Da lag die Schmanzgroßmutter im Bett, hatte eine weiße Haube auf und sehr kleine, müde Augen. Auch schien es Pucki, als sei das faltenreiche Gesicht heute viel kleiner geworden.

      »Schmanzgroßmutter«, sagte sie leise, »ich bin da und habe dir Blümchen mitgebracht. Dann lese ich dir wieder was vor, um dich glücklich zu machen. Ein Osterei kann ich dir nicht bringen, ich habe noch keines. Aber von Ostern kann ich dir vorlesen.«

      »Du liebes, gutes Kind, du meine ganze Freude in meinen letzten Tagen.«

      »Hier hast du Blümchen.«

      Die zitternde Rechte der Alten tastete sich zu Puckis Fingerchen hin, dann nahm sie den Strauß in die Hände, die sie gefaltet auf die Bettdecke legte.

      »Wenn du mir nun noch etwas vorlesen wolltest – ach, das wäre schön. Dabei läßt es sich gut einschlafen.«

      »Bist du müde, Schmanzgroßmutter?«

      »Ja, mein gutes Kind, müde von der langen Wanderung, die hinter mir liegt, müde von aller Arbeit, die ich verrichtet habe. Die alte Großmutter möchte nun endlich ausruhen und bittet den lieben Gott, daß er ihr die Augen schließen möge.«

      »Willst du in den Himmel zu ihm, Schmanzgroßmutter?«

      »Wenn mir der liebe Gott die Himmelstür gnädig aufschließt, wird die Großmutter die ewige Herrlichkeit bald sehen und sehr glücklich sein. – Aber nun, du gute Pucki, mach mir noch die letzte Freude und lies mir die Leidensgeschichte vom Herrn Jesus vor, der sterben mußte, um wieder aufzuerstehen. Dann wird der Großmutter sehr wohl sein.«

      »Soll ich dir nicht die Geschichte lesen, wo der liebe Gott in den Himmel fliegt?«

      Die Lippen der alten Frau bewegten sich, und Pucki hörte die geflüsterten Worte:

      »Ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.«

      Pucki kannte diese Worte, sie standen auch in dem Buche, das ihr gehörte. Wenn die Schmanzgroßmutter diese Geschichte hören wollte, würde sie sie lesen. Freilich, das ging nicht so glatt wie die andere, die sie sich daheim sehr oft vorgelesen hatte.

      Die Schmanzgroßmutter lag still, in den gefalteten Händen die blauen und weißen Blümchen. Sie hatte die Augen geschlossen und sah aus, als ob sie schliefe.

      Leise, wie es die Mutter wünschte, begann Pucki zu lesen:

      »Und es war um die sechste Stunde, und es ward eine Finsternis über das ganze Land bis in die neunte Stunde. Und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei. Jesus rief laut und sprach: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.«

      Die Kleine wollte weiterlesen, aber zunächst blieb ihr Blick wie gebannt an dem Gesicht der Schmanzgroßmutter hängen. Es schien heute noch heller zu leuchten als damals, als Rose der Alten zum ersten Male eine Geschichte vorgelesen hatte.

      »Großmutter«, sagte sie leise flüsternd, »ist's sehr schön, was ich dir vorlese? – Großmutter, bist du eingeschlafen? – Großmutter – Schmanzgroßmutter – –«

      Eine Tür wurde geöffnet. Die Bäuerin schaute in das Zimmer, trat leise an das Bett heran, betrachtete die Schlafende und begann zu weinen.

      »Nun ist sie gestorben, die gute Mutter.«

      Leises Erschauern überlief den Körper des Kindes. Aber vor der guten Schmanzgroßmutter konnte sie keine Angst empfinden. Sie lag mit so freundlichem Gesicht in den Kissen, als ob sie einen wunderschönen Traum hätte.

      Die Bäuerin weinte noch immer leise.

      »Wir wollen ganz still sein«, sagte Pucki, »wenn sie schläft, darf man sie nicht stören.«

      »Dein Leben ist Mühe und Arbeit gewesen, Mutter, du hast dir die ewige Ruhe verdient. Der liebe Gott wird dich mit Freuden in seinen Himmel aufnehmen.«

      Da horchte Pucki auf. – Was hatte die Großmutter vorhin gesagt, ehe sie eingeschlafen war? Der

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