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Kleidchen schien keinen Eindruck auf Hedi gemacht zu haben.

      »Du sollst niedlich aussehen, wenn du heute nachmittag zu Onkel und Tante Niepel fährst.«

      »Mutti, bitte, bitte, ich möchte ein Junge sein. Ich hole mir meine Höschen.«

      »Aber Hedi, du kannst nicht in den Spielhöschen zu Besuch gehen.«

      »Ich kann schon, Mutti.«

      »Warum willst du das neue Kleid nicht anziehen?«

      »Weil der Paul dann sagt, daß ich ein dummes Mädchen bin. Bei Onkel Niepel dürfen wir auf die hohe Leiter kriechen. Und wenn ich dann ein Mädchen bin, lassen mich die Jungen nicht 'rauf. – Ich möchte heute ein Junge sein.«

      »Du brauchst mit den drei Buben nicht immer mitzuklettern. Kleine Mädchen müssen artiger sein als Jungen.«

      »Warum denn, Mutti?«

      »Weil sie schon ein viel feineres Stimmchen haben und weil sie der liebe Gott nicht so kräftig geschaffen hat wie die Knaben.«

      Die Vierjährige schlug ein lautes Lachen an, dann sagte sie mit tiefer Stimme:

      »Ach, Mutti, so finster wie ich kann nicht mal der Paul sprechen. – Hör mal zu! – Und den Fritz habe ich neulich verprügelt. – Oh, ich hab' schon Kräfte. Der liebe Gott hat gemeint, ich bin ein Junge.«

      »Du bist unser liebes, kleines Mädchen und sollst es bleiben. Ich möchte auch ein artiges kleines Mädchen haben, keinen Eigensinn, wie du manchmal einer bist. Du sollst doch später ein liebes Mädchen werden, das alle Menschen gern haben.«

      »Ja, ich will auch eine liebe Mutti werden, so eine liebe Mutti, wie du eine bist. Mußtest du immer artig sein, Mutti, damit du eine so liebe Frau geworden bist?«

      Frau Sandler streifte ihrer Tochter das hübsche Kleidchen über, um diesem Streit ein Ende zu machen. Hedi zog zwar ein Gesicht, doch darauf achtete die Mutter nicht. Dem kleinen Trotzkopf durfte sie nicht nachgeben, denn schon jetzt zeigte sich manches Mal, daß Hedi ihre Pläne und Absichten durchsetzen wollte. Frau Sandler war noch eine recht junge Frau, und sie bemühte sich, ihr Töchterchen zu einem braven Mädchen zu erziehen. Sie nahm es mit ihrer Aufgabe recht genau und achtete streng darauf, daß im Forsthause keine Unarten getrieben wurden.

      Wenn Hedi wollte, konnte sie sehr lieb sein, das hatte sie am gestrigen Ostersonntag gezeigt, als sie beglückt die verschiedenen Ostereier suchte, die man ihr im Garten versteckt hatte. Nur am Abend stellte sie betrübt fest, daß ihr der Osterhase wieder keine Klotzpantinen gebracht hatte, wie Minna sie trug, wenn sie in den Ziegenstall oder zu der Kuh ging.

      »Wenn ich morgen zu Tante Niepel gehe, bringt mir der Osterhase vielleicht dort die Klotzpantinen.«

      Für Hedi war es immer eine große Freude, wenn sie mit dem kleinen Kastenwagen nach dem Niepelschen Gut geholt wurde. Dort hatte man das blondlockige Mädchen herzlich gern. Der Gutsbesitzer freute sich, wenn Hedi mit seinen drei Buben in Haus und Garten umhertollte. Freilich, wenn alle vier zusammen spielten, mußte man gut achtgeben, denn Paul war nicht immer verträglich, er ärgerte seine Spielgefährten recht gern.

      Seit einigen Tagen war auf dem Gut ein neues Kinderfräulein angekommen. Das junge Mädchen war für heute beauftragt worden, die kleine Schar zu überwachen. Frau Niepel wollte sich inzwischen um die halbjährige Dora kümmern. Dieses Schwesterchen wurde von den Drillingen wenig geschätzt. Paul hatte verächtlich geäußert, daß er mit dieser Schreipuppe gar nichts anzufangen wisse. Ja, wenn es noch ein Bube gewesen wäre, der hätte sich wahrscheinlich von Anfang an ganz anders betragen. Aber ein Mädchen war eben ein Zimperling, der sogleich losbrüllte, wenn man ihm mit dem Finger auf die Nase tippte.

      Ganz anders Hedi. Sie war zu Weihnachten bei Niepels gewesen und hatte erstaunt die große Puppe betrachtet, die im Wagen lag.

      »Kannst du mir die Puppe nicht schenken«, fragte sie beim Abschiednehmen und legte beide Ärmchen um den Hals der geliebten Tante Niepel. »Meine Puppe ist schon kaputt, und die hier ist noch ganz neu.«

      Seit dieser Stunde bettelte Hedi unaufhörlich, die Mutti möge ihr auch genau solch eine Puppe kaufen, mit Klapperaugen und einem Mund, der auf und zu machte. Sie wollte eine Puppe haben, die die Arme bewegen und schreien konnte. Auf diese Puppe freute sich Hedi auch heute. Freilich, das Umhertollen mit den drei Buben war auch nicht zu verachten. Besonders der kleine, zierliche Fritz war Hedi ans Herz gewachsen. Ihn nahm sie stets an die Hand, für ihn sorgte sie, wenn die Speise verteilt wurde, für ihn brauchte sie die Ellenbogen, wenn es galt, ihm einen Platz zu erkämpfen.

      Sogleich nach dem Mittagessen kam der Kastenwagen mit dem weißen Pferdchen vor das Forsthaus gefahren. Der alte Kutscher betrat das Haus und meldete, daß alles zur Abfahrt fertig sei.

      »Du darfst neben mir sitzen, Pucki, und nachher auch die Leine halten.«

      Pucki streichelte erst das Pferd und hielt ihm ein kleines Schokoladenei hin.

      »Weil doch halt Ostern ist, kleines Pferdchen.«

      Doch das Tier verschmähte die Gabe. Es schnupperte nur ein wenig daran und wandte den Kopf ab.

      »Willste nicht?« meinte Hedi, »na, dann ess' ich es allein.« Damit schob sie das Ei in den Mund.

      Der Förster und seine Frau ermahnten Hedi, als sie neben dem Kutscher saß, recht artig zu sein.

      »Das sind wir schon«, rief das Kind strahlend zurück. »Und nu: Hü-hott, jetzt fahren wir los!«

      Es war eine herrliche Fahrt! Die Förstertochter kam sich sehr wichtig vor, als sie die Leine in den kleinen Händen hielt und mit hellem Stimmchen ihr »Hottehü, kleines Pferdchen« rief. Als aber der Kutscher einmal nach der Peitsche griff, fiel ihm Hedi in den Arm.

      »Nicht schlagen, nicht das liebe Pferdchen schlagen! Ich werde ihm sagen, daß es nicht stehenbleiben darf. – Ach, es will auch mal ausruhen!«

      Das Pferd, das den Weg schon gar oft gegangen war, schien heute keine Eile zu haben. Gerade das gefiel Hedi. Die Fahrt dauerte somit noch länger, und es gab nichts Schöneres, als hier oben zu thronen und das Pferdchen zu lenken.

      Plötzlich brachen mit Indianergeheul hinter einem Busch die drei Niepelschen Buben hervor. Sie fielen dem Pferd in den Zügel, Fritz kletterte über die Deichsel auf den Rücken des Tieres, und die beiden anderen schwangen sich auf den Wagen. Man riß Hedi die Leine aus der Hand, und schon gab es den ersten Kampf, so daß der Kutscher besänftigend eingreifen mußte.

      »Wenn du nicht ruhig bist«, sagte Paul zu seinem Besuch, »suche ich alle Ostereier weg, die der Vater im Garten versteckt hat.«

      »Quatsch nicht«, meinte Walter, »du findest überhaupt keine Ostereier.«

      »Doch – ich habe durch die Luke gesehen und weiß, wo sie versteckt sind.«

      »Wo hat er sie denn versteckt?«

      Paul lachte nur. »Das sage ich nicht!« –

      Von Niepels wurde Hedi herzlich empfangen. Ihre erste Frage galt dem kleinen Schwesterchen.

      »Kann's nu schon sprechen und mit uns spielen, Tante?«

      »O nein, Hedi, Dora ist erst ein halbes Jahr alt. Sie kann noch nicht laufen und noch nicht sprechen.«

      »O je, wie das lange dauert. – Muß sie immerzu auf dem Rücken liegen?«

      »Wenn du zum nächsten Osterfest kommst, wird sie schon laufen können.«

      »Na, dann tragen wir sie. Ich muß meine Puppen auch immer tragen, oder der Harras trägt sie. – Kann eure Diana das kleine Mädchen nicht auch herumtragen?«

      Paul lachte schallend. »Machen wir! Die Diana muß den Schreihals tragen! – Nu komm mal mit, ich zeige dir jetzt – Pst – pst, nichts verraten – ich zeige dir, wo der Vater die Ostereier versteckt hat.«

      Erst streichelte Hedi die kleine Dora, als sie jedoch zu schreien begann, schüttelte Hedi unwillig den Kopf.

      »Tante,

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