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hob lauschend den blonden Kopf und sah auf der Straße den Vater daherkommen, der in seiner schmucken, grünen Uniform dem Forsthaus zuschritt. Wedelnd umsprang ihn Harras.

      »Vati!«

      Das Puppenkind flog im Bogen auf die Erde, mit ausgebreiteten Armen eilte die Vierjährige dem Vater entgegen.

      »Hast du den Osterhasen mit dem goldenen Schwänzchen gesehen?«

      »Natürlich – er hat mich auch gefragt, ob unsere Pucki auch ein artiges Mädchen ist.«

      »O–o–o«, klang es gedehnt zurück. »Muß der Osterhase immer so was fragen? – Hat er mit dem goldenen Schwänzchen gewackelt, als du ihm sagtest, daß ich – ein artiges Mädchen bin?«

      »Das habe ich ihm nicht sagen können, Pucki, denn artig bist du in den letzten Tagen gerade nicht gewesen.«

      »Weil doch die Jungen immer so unartig sind, Vati, da muß doch Pucki auch unartig sein.«

      »Wenn die Niepelschen Jungen ein bißchen wild sind, brauchst du als Mädchen doch nicht alles mitzumachen, Pucki! Aber nun komm ins Haus, Mutti wird schon mit dem Mittagessen warten. – Na, Harras, hast du auf Pucki auch gut aufgepaßt?«

      Der Hund rieb den Kopf am Kleide des kleinen Mädchens, als wollte er sagen: Ich weiß schon, was ich zu tun habe.

      »Vati, es ist furchtbar schwer, artig zu sein. Wenn ich erst groß bin, bin ich immer artig. Dann sitze ich den ganzen Tag auf dem Kohlenkasten bei der Minna und esse Schmalzschnitten mit Käse. Der Osterhase hat auch nicht gesehen, wenn Pucki unartig ist. – Sag, Vati, wird er morgen kommen?«

      »Vielleicht!«

      »Na, dann können wir ja froh sein.«

      Förster Sandler war noch ein junger Beamter, der erst vor drei Jahren nach der Försterei Birkenhain gekommen war. Mit seiner schmucken, hübschen Frau lebte er sehr glücklich; die kleine Tochter machte dem jungen Ehepaar viel Freude. Hedi war aber auch ein sonniges, reizendes Mädchen, das in der ganzen Gegend beliebt war. In der Waldeinsamkeit aufgewachsen, kannte ihr Herzchen noch keinen Falsch. Schon jetzt zeigte sich ihre große Liebe zur Natur, zu den Tieren, und sie konnte sich mit Hühnern und Kaninchen genau so gut unterhalten und beschäftigen wie mit den drei Kindern des Gutsbesitzers Niepel, der seinen Besitz etwa eine halbe Stunde von der Försterei Birkenhain entfernt hatte. Wenn Niepel zur Stadt Rahnsburg fahren wollte, mußte er an der Försterei vorbei. Oftmals hielt er den Wagen dort an, um dem kleinen Blondköpfchen etwas Obst oder eine Süßigkeit zuzustecken. Erst vor wenigen Monaten war in seinem Hause ein kleines Mädchen angekommen. Seine drei Buben waren gleichaltrig und zwei Jahre älter als Hedi Sandler. Mit den Drillingen tobte das Försterkind oftmals umher. Es ließ sich geduldig necken, war aber auch für manchen lustigen Streich gern zu haben. Nun brachte der Frühling eine Änderung in das gewohnte Leben, da Paul, Walter und Fritz Niepel gleich nach Ostern zur Schule kamen.

      Vor der Schule hatte Hedi Sandler geradezu Furcht. Alle drei Spielkameraden erklärten einstimmig, daß es dort fürchterlich zuginge. Sie warnten Hedi, nicht so rasch sechs Jahre alt zu werden, damit sie nicht auch dauernd in der Stube sitzen müsse, anstatt wie bisher draußen in Feld und Wald umhertollen zu können. Wenn auch die Eltern immer wieder erklärten, daß die Schule etwas sehr Schönes sei, so war Hedis Herz doch voller Mitleid mit den drei Knaben, für die die schöne Zeit des Spielens nun vorüber war.

      »Aber Hedi«, tadelte die Mutter, als das Kind das Zimmer betrat, »willst du mit so unsauberen Händen zu Tisch kommen?«

      Die Kleine zog den blonden Kopf zwischen die Schultern und huschte aus dem Zimmer. Das Händewaschen war eine schreckliche Einrichtung. Der gute Harras brauchte sich nicht so oft zu waschen; nur die Miezekatze putzte sich den ganzen Tag mit den Pfötchen das Gesicht.

      In der Küche war Minna, das Hausmädchen, gerade dabei, die Kartoffeln auszuschütten. Hedi legte die Hände auf den Rücken und schaute aufmerksam zu. Es sah so hübsch aus, wenn der Dampf aus dem Topf gekrochen kam.

      »Wo hast du denn deine Pantoffeln?«

      »Ins Zimmer geht man nicht mit Pantoffeln.«

      »Wo hast du sie denn?«

      Die Magd wies mit dem Kopf nach dem Flur. Richtig, dort standen die derben Holzpantoffeln, die immer so wunderschön klapperten, wenn Minna eiligen Schrittes durch den Hausflur ging. Hedi kauerte sich nieder und betrachtete die Holzpantoffeln mit geradezu liebevollen Blicken. Solche klappernden Pantoffeln wünschte sie sich schon lange. Sie war zwar schon mehrmals damit hingefallen, trotzdem war es herrlich, damit herumzulaufen. Auch jetzt schoben sich die kleinen Kinderfüße wieder in die großen Öffnungen und – klapp – klapp – klapp – ging es durch den Flur.

      »Minna, wenn mir doch der Osterhase auch ein Paar Pantoffeln brächte, aber auch so große wie die hier.«

      »Sollst du dir nicht die Hände waschen und zum Essen gehen?«

      Mit einem bedauernden Blick nahm das kleine Mädchen Abschied von den geliebten Pantoffeln und stellte sie in den Winkel zurück. Dann tauchte es hastig die kleinen Hände in das mit Wasser gefüllte Waschbecken, trocknete sie am Handtuch ab und verzog das Gesicht.

      »O je, Minna, das Handtuch ist schmutzig!«

      Das Handtuch wies deutlich die Spuren der kaum gewaschenen Kinderhände auf. Hedi lief rasch ins Eßzimmer und setzte sich artig auf den Stuhl. Als sie aber den Löffel zur Hand nahm, bemerkte Hedi den strafenden Blick der Mutter.

      »Solltest du dir nicht die Hände waschen, Pucki?«

      »Sieh dir nur das Handtuch an, ich hab' gewaschen.«

      Frau Sandler wies schweigend zur Tür, und beschämt mußte das Kind nochmals hinaus in die Küche gehen, um die Hände zu reinigen.

      »Immer sind die ollen Hände schmutzig«, schmollte die Kleine. »Wenn ich erst groß bin und immerzu meine Gänseschmalzschnitte esse, wasche ich mir die Hände nicht mehr. – Der Paul hat auch immerzu schmutzige Hände.«

      Der Ärger des kleinen Mädchens war bald wieder verflogen, als der Vater beim Mittagessen erzählte, daß heute nachmittag Frau Niepel vorüberkäme, da sie in der Stadt noch Besorgungen zu machen hätte.

      »Mit 'nem weißen Pferdchen?« fragte Hedi interessiert.

      »Ja, mit dem weißen Pferdchen.«

      Hedi schlug erfreut die kleinen Hände zusammen. »Dann muß Hedi ein Stück Zucker für das weiße Pferdchen haben! – Vati, bringt der Osterhase dem weißen Pferdchen auch ein Osterei?«

      »Pferdchen brauchen keine Ostereier.«

      Das weiße Pferdchen beschäftigte Hedi den ganzen Nachmittag. Das Kind stand am Gartenzaun und wartete sehnsüchtig auf den Wagen. Endlich war es so weit. Mit einem Freudengeheul stürmte das Kind dem Gefährt entgegen.

      Neben Frau Niepel saßen zwei sechsjährige Knaben, die eilig aus dem Wagen sprangen, als er vor dem Forsthaus anhielt. Es waren Paul und Walter, die die Mutter begleitet hatten.

      Hedi blickte sich suchend um. »Wo habt ihr denn den dritten Bruder?«

      »Kein Platz, er sitzt daheim. – Du, wir bleiben bei dir, bis Mutter aus der Stadt zurückkommt.«

      »Ich will erst dem Pferdchen guten Tag sagen.«

      Das Tier schien Hedi gut zu kennen; es hatte den Kopf nach ihm umgewandt.

      »Es wackelt mit den Ohren wie mein Nuck! – Ach, du süßes Pferdchen – guten Tag!«

      Unerschrocken reichte sie dem Pferd das Stück Zucker, das sie von der Mutter erbeten hatte.

      »Wenn du morgen wiederkommst, Pferdchen, kriegst du ein Osterei.«

      Inzwischen war auch Frau Sandler aus dem Haus getreten, um Frau Niepel herzlich zu begrüßen. Beide tuschelten leise zusammen, galt es doch, in der Stadt noch einige Osterbesorgungen zu machen, die die Kinder nicht zu hören brauchten. Trotzdem drangen einige Worte zu den beiden Knaben

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