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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ich saß ganz steif in meinem Sessel. Mir war’s, als lag eine eisige Hand auf meiner Stirn. Dieses Gefühl der Kälte habe ich stets, wenn ich meine Gedanken auf einen Gegenstand mit aller Energie vereine. Nur hier wollte ich feststellen, ob ich wirklich Grund hatte, um Beatrix besorgt zu sein.
Der nachdenkliche Zug in Gunolts Gesicht trat noch schärfer hervor, als er nach kurzer Pause hinzufügte: »Die Kremk ist mit allen Hunden gehetzt – fraglos. Aber dieser – Schwester gegenüber hat sie doch eine Dummheit gemacht. Sie hätte die Sachen zurückbehalten sollen. Wenn sie argwöhnte, daß hinter die Person ihres Mieters ein großes Fragezeichen zu setzen sei, durfte sie nicht das aus der Hand geben, was ihr vielleicht den besten Aufschluß über Orske gegeben hätte: den Koffer mit den beiden Patentschlössern, der recht schwer gewesen sein soll.«
»Wie sah denn diese Person eigentlich aus? – Auch aus besseren Kreisen –?«
»Die Kremk meint nein. Die Schwester soll ungefälschten Berliner Dialekt gesprochen haben. Aber ich wette, das war nur ein Trick, um zu täuschen. Jedenfalls trug die Schwester einen langen Lodenmantel und dazu einen Lackhut mit sehr dichtem weißen Schleier, den sie bei der Kremk nur bis zum Kinn hochnahm. Also wohl auch eine Art Verkleidung. Im übrigen schätzt die Kremk sie auf »so gegen zwanzig«.«
Minutenlanges Schweigen folgte. Ich sah es meinem Schwiegervater an, daß er, angeregt durch diese Mitteilungen und Folgerungen Gunolts, jetzt versuchte, das verschleierte junge Weib in irgend eine Beziehung zu dem Mord zu bringen.
Ich hätte gewünscht, auch noch im Dunkeln zu tappen wie er. Aber für mich war das Dunkel bereits mehr als zur Hälfte gelichtet. –
Gunolt qualmt dicke Wolken. Der Geheimrat grübelt. Ich – denke nach – die Schwester. Nicht an Franz Orskes Schwester allein –.
Dann Gunolt wieder, wie zu sich selber redend:
»Ja – wenn wir dieses junge Weib fassen könnten, – dann –!«
Bark regt sich, streicht mit der Rechten über die Stirn, sagt:
»Ich habe mir soeben noch mal all diese Einzelheiten überlegt, Herr Kommissar. Eines ist mir nicht klar geworden. Sie äußerten vorhin selbst: »Die Schwester bringt Ihre Theorie von dem Irren ins Wanken«. – Haben Sie denn diese Theorie nunmehr als unrichtig erkannt?!«
»Zur Hälfte, Herr Geheimrat. Ich habe sie abändern müssen. Und diese Abänderung erscheint mir sehr gelungen. Der hypnotische Zustand ist gewissermaßen auch eine Geistesumnachtung, aufgezwungen durch den überlegenen Willen eines Anderen.
»Der Mörder verübte die Tat in Hypnose, – daran denken Sie jetzt, nicht wahr?« fragte der Geheimrat hastig.
»Ja. – Herr Dr. Dogmoore lernte seine spätere Braut im Oktober vorigen Jahres kennen. Im Dezember bereits sprach man in Ihren Bekanntenkreisen davon, daß hier wohl eine Verlobung sich anbahne. Und – bald darauf mietete Orske das Zimmer –«
Bark beugte sich vor, schaute Gunolt ungläubig an, rief:
»Wollen Sie etwa behaupten, daß dieses Verbrechen bereits vor einem halben Jahr eingeleitet wurde?«
»Ich behaupte nichts. Ich entwickle Ihnen nur auf Grund von Tatsachen meine Theorie –. Sie kann falsch sein. Aber – doch nein, – urteilen Sie selbst.«
10. Kapitel
Der Schatten
Das Arbeitszimmer meines Schwiegervaters wird von der Bibliothek durch eine Schiebetür getrennt. Diese steht gewöhnlich offen. Ein dicker, roter Friesvorhang hängt an einer Messingstange an Ringen in der Türöffnung. –
Bark hat eine große Schwäche, seinen Papagei »Lorchen«.
Der Vogel ist ein Scheusal. Er müßte nicht »Lorchen«, sondern »Satanas« oder »Mephisto« heißen. Einmal seiner Häßlichkeit wegen. – Papageien werden sehr alt. Man sagt bis zu hundert Jahre. Ich weiß darüber nichts Gewisses. Weiß nur, daß alte Papageien die Federn verlieren und fast nackt werden. Dann sind sie von einer grotesken Häßlichkeit, besonders wenn stellenweise das bunte Federkleid noch vorhanden ist. – Lorchen besaß diese Alterserscheinung in wirkungsvollster Weise. Als ich dieses Monstrum von Abscheulichkeit zum ersten Mal sah, wurde mir fast übel. Ich dachte an ein schlecht gerupftes Huhn, das ein Junge aus Übermut vor dem Schlachten mit roter und grüner Ölfarbe bekleckst hat. – Die Charaktereigenschaften und sonstigen Eigentümlichkeiten des Vogels stehen zu seinem Äußeren in durchaus richtigem Verhältnis. Heimtückisch, voller Launen wie jedes verwöhnte Geschöpf, leicht zu reizen, unberechenbar und schadenfroh, auch geschwätzig und vorlaut – das ist Lorchen, meines Schwiegervaters Liebling. –
Lorchen hauste zumeist in einem Käfig von riesigen Abmessungen in Barkes Arbeitszimmer. Heute stand der Käfig nebenan in der Bibliothek, und wir hörten das halblaute Plappern Lorchens nur zu oft, auch das Klirren der Gitterstäbe, wenn der krumme Schnabel daran gewetzt wurde.
Gerade als Gunolt sagte: »Doch meinen – urteilen Sie selbst!« begann Lorchen wild zu kreischen – in heller Wut offenbar und so laut und anhaltend, daß der Kommissar einen ärgerlichen Blick auf den Friesvorhang warf.
Mein Schwiegervater pfiff jetzt die Beruhigungstakte für seinen Liebling: »Ich hatt’ einen Kameraden, einen bessern find’st du nit –«. Und Lorchen schnatterte nur mehr, aber immer noch in offenbar erregter Stimmung.
Ich dachte daran, daß Beatrix den Papagei ebenso wenig ausstehen konnte wie ich. Ich hatte es schon wiederholt erlebt, daß Lorchen geradezu Wutanfälle bekommen hatte, wenn Beatrix das Zimmer betrat. Deshalb schaute ich jetzt auch auf den Friesvorhang und bemerkte so, daß dahinter jemand stehen mußte, da der Schatten dieser Person den hellen Streifen zwischen Vorhangrand und Dielen gerade in der Mitte verdunkelte. –
»Beatrix« –! dachte ich sofort. Sie spielte bei diesem Drama: »Der Mord im Pavillon« eine besondere Rolle – eine nicht ganz einwandfreie! Sie wußte, daß Gunolt hier war, daß er uns Wichtiges mitteilen würde. Wohl nicht nur Neugier allein konnte sie dazu getrieben haben, uns belauschen zu wollen. Beim lautlosen Eintritt in die Bibliothek war Lorchen ihrer ansichtig geworden. Daher das plötzliche Wutgeschrei. Das Schnattern des Vogels blieb ja auch erregt trotz des beruhigenden Pfiffes.
Ich muß erwähnen, daß die Bibliothek sehr breite Fenster hat, die er Verbindungstür gerade gegenüberliegen, daß draußen Sonnenschein die breiten Fenster traf und mithin hinter dem Vorhang bei der Lichtfülle in der Bibliothek leicht ein Schatten hervorgerufen werden konnte, sobald jemand in tief herabhängender, breiter Bekleidung – einem Frauenrock – das Licht an einer Stelle abgesperrte. Es handelte sich auch um keinen scharf abgegrenzten Schatten, sondern mehr um eine Verdunkelung eines Teiles des Fußbodens, der immerhin aber als Schatten anzusprechen war.
Dieser bildete für mich eine neue Quelle der Angst. Wie, wenn auch Gunolt ihn bemerkte, wenn er Beatrix hinter dem Vorhang entdeckte?!
Inzwischen hatte er bereits begonnen, uns seine Theorie zu entwickeln.
»In unserem Fall muß man das Hauptmotiv aller Schwerverbrechen, Habgier, von vornherein ausschalten. Das Opfer hatte kostbaren Schmuck an den Fingern, an den Handgelenken und am Hals. Nichts davon fehlte. Im Gegenteil, der Toten drückte der Mörder noch blühende Rosen in die erstarrende Hand. Mithin muß man nach einem anderen Motiv suchen. Und dieses kann den ganzen Umständen nach nur – Eifersucht sein,« fuhr der Kommissar fort »eine bis ins krankhafte gesteigerte Eifersucht.«
Ich will hier nicht im einzelnen ausführen, wie Gunolt seine Kombinationen geschickt aufbaute, wie er schließlich ein Gebäude zustande brachte, das klar und deutlich vor uns lag, das wir mit entstehen sahen und von dem wir genau wußten, wie gut ein Stein auf den anderen paßte.
»Ich behaupte also,«