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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Verspricht mir, gegen jedermann zu schweigen, und Du sollst die Wahrheit erfahren,« sagte Jakob Wenzel ernst.
Wera zauderte.
»Gut,« erklärte sie endlich. »Ich werde schweigen, trotzdem ich nicht begreifen kann, weshalb wir gerade vor dem Doktor, der uns noch soeben einen so deutlichen Beweis seines vollsten Vertrauens durch die Erzählung der merkwürdigen Angelegenheit mit dem alten Herrn Durgassow gegeben hat, Geheimnisse haben sollten.«
»Ich habe Dein Wort, Wera,« meinte Wenzel, ohne auf ihre Bemerkung näher einzugehen. »Wisse also: Ich traf heute abend meinen Bruder hier in Danzig, wo er eine geschäftliche, die strengste Diskretion erfordernde Sache zu erledigen hat und sich daher hier sozusagen inkognito aufhält.«
Das junge Mädchen konnte ihr Erstaunen über diese Nachricht nicht verbergen.
»Wie, Deinen Bruder hast Du gesprochen, Vater, – wirklich, Deinen Bruder?! Aber er schrieb doch noch in dem dem Paket beigefügten Briefe, daß er vorläufig in London zu bleiben gedenke. Und nun ist er plötzlich hier in Danzig?«
»Ja. Ich traf ihn auch nur ganz zufällig, als ich jenem Fremden nachging, mit dessen Beobachtung mich Dreßler betraut hatte,« entgegnete der kleine Händler stockend.
Wera schüttelte den Kopf.
»Hat der Onkel Dich den bei der Verfolgung des Unbekannten begleitet, daß Ihr soviel Zeit fandet, lange Gespräche zu führen,« meinte sie mit deutlichem Argwohn.
Jakob Wenzel wußte auf diese unerwartete Frage so schnell keine passende Antwort. Daher sagte er beinahe unwirsch:
»Wo wir uns trafen, ist ganz gleichgültig. Jedenfalls hast Du reinen Mund zu halten, verstehst Du, Wera! – Und nun gute Nacht. Ich bin müde. Und erwähne meinen Bruder am besten vorläufig überhaupt nicht mehr. Er verläßt Danzig ohnehin schon morgen.« –
Wera Wenzel verbrachte eine schlaflose Nacht. Immer wieder überlegte sie sich das, was ihr Vater mit ihr besprochen hatte. Sein Verhalten war ihr völlig unverständlich. Und sie weinte schließlich bittere Tränen, weil zum ersten Mal etwas wie eine Entfremdung zwischen ihnen entstanden war.
6. Kapitel
Hans Dreßler war ein Frühaufsteher und seit langem gewöhnt, in der warmen Jahreszeit seinen Morgenkaffee spätestens um halb sieben Uhr einzunehmen. Daher konnte er am folgenden Tage, einem sonnenklaren Sonntag, auch bereits um sieben Uhr zu dem notwendigen kleinen Ausflug nach Neufahrwasser aufbrechen, wo er in der Herberstraße, in der der Mann im grauen Pelerinenmantel nach Jakob Wenzels Angabe so urplötzlich unsichtbar geworden war, diesem Unbekannten vorsichtig nachspüren wollte. Leider blieb diese Fahrt nach dem Hafenvorort jedoch ohne jedes Resultat. Dreßler untersuchte zunächst die einzelnen Gebäude der engen Gassen daraufhin, ob eines von ihnen vielleicht einen zweiten Ausgang nach einer anderen Straße hätte. Dies war aber bei keinem einzigen der Fall. Mithin konnte der Graue nur in eines der niedrigen, meist einstöckigen und recht altertümlichen Häuser geschlüpft sein. Der Doktor machte sich nach dieser Feststellung an die nicht gerade angenehme Aufgabe, in den Wohnungen vorsichtig nach dem Fremden Nachfrage zu halten.
Hierbei kamen ihm die Erfahrungen aus seiner früheren Tätigkeit als Detektiv sehr zu statten. – Es war bereits 10 Uhr geworden, als er dann ziemlich mißmutig mit der elektrischen Bahn nach Danzig zurückkehrte, da er auch nicht den geringsten Erfolg zu verzeichnen hatte. Zu Hause angelangt, setzte er sich sofort an seinen Arbeitstisch und entwarf folgendes Inserat, das er in den Danziger Kurier, dieselbe Zeitung, in deren Leitartikel vom letzten Dienstag Durgassow die vielsagenden Zeilen: »Schon viele Minister tauchten in der Versenkung unter, weil sie einer bestimmten politischen Gruppe unbequem waren« rot umrändert hatte, einrücken lassen wollte:
Minister-Versenkung. Wo bist Du zu treffen? Ich sehne mich nach Dir, M. Antwort unter M. V.
»So, das wäre erledigt,« dachte Dreßler und schob das Inserat in einen Briefumschlag. »Ich hoffe, diese wie eine Bitte um ein zärtliches Rendezvous anmutenden Zeilen werden niemandem auffallen. Sie sehen harmlos aus und müssen Durgassow doch, falls er in seinem Versteck auf die kluge Idee kommen sollte, gerade den Annoncenteil des Kuriers zu durchblättern, ihrer Überschrift wegen aufstoßen. Ich muß eben unbedingt wissen, wo der alte Herr sich zur Zeit aufhält, um mich mit ihm in Verbindung setzen zu können. Ist dies erst geglückt, so werden wir über die weiteren Schritte, die im Interesse aller Beteiligten getan werden müssen, schon einig werden.«
Eine halbe Stunde später begab er sich dann zu Wielands.
»Die Herrschaften zu Hause?« fragte er das ihm öffnende Stubenmädchen.
»Bedaure, Herr Doktor. Die Herrschaften sind vor wenigen Minuten nach der Schichauwerft gefahren, wo heute der neue Lloyddampfer »Kaiser Friedrich« vom Stapel läuft.«
Bei dieser Nachricht atmete Dreßler erleichtert auf. Es schien zwischen dem Ehepaar ja bereits wieder die vollkommenste Harmonie zu bestehen. Glücklicher Freund! Wie schnell ihn doch die heiße Liebe zu seinem Weibe, seiner vergötterten Maria, all die Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit hatte vergessen lassen.
»Bestellen Sie bitte, daß ich Nachmittags gegen vier Uhr nochmals vorsprechen werde,« gab er dann dem Mädchen Bescheid.
In demselben Augenblick öffnete sich eine der in den Korridor mündenden Türen, und Anna Wieland in hellem Sommerkostüm, zum Ausgehen fertig, stand Dreßler gegenüber.
Die Begrüßung fiel von beiden Seiten weniger herzlich aus als sonst.
»Ich will das herrliche Wetter zu einem Spaziergang nach dem Langfuhrer Walde benutzen,« erklärte Anna Wieland in ziemlich kühlem Tone. »Maria und Karl sind zum Stapellauf gegangen, ein Ereignis, das mich selbst recht wenig interessiert, da ich derartigen Festakten bereits mehrfach beigewohnt habe.«
Sie waren inzwischen die Treppe hinabgestiegen und standen jetzt vor der Haustür auf dem Bürgersteig.
»Fräulein Anna,« bat Dreßler nach kurzem Überlegen, »würden Sie mir wohl einen großen Gefallen tun?«
»Wenn mir die Erfüllung Ihres Wunsches möglich ist, warum nicht?« entgegnete sie noch immer mit derselben Zurückhaltung.
»Gestatten Sie, daß ich mich Ihnen anschließe. Ich habe ohnehin mit Ihnen Verschiedenes durchzusprechen und möchte mir bei Ihnen auch in der Angelegenheit Durgassow Rat holen.«
»Bitte, – wenn’s weiter nichts ist.« – Auch dies klang wieder so kühl, daß Dreßler daraufhin mit einem schnellen prüfenden Blick ihr Gesicht streifte. Aber er schwieg vorläufig. –
In wenigen Minuten brachte der Vorortzug sie nach Langfuhr hinaus. Im nördlichen Teile des hügeligen Stadtwaldes mit seinen uralten Eichen- und Buchenbeständen begegneten sie auf den schattigen Wegen nur wenigen Spaziergängern. – Es war einer jener wunderbaren Junivormittage, in denen jeder das frische Grün der Bäume um sich und den lachenden Sonnenschein über sich wie ein Geschenk Gottes empfinden mußte, einer jener Tage, die uns mitteilsam machen, weil die äußere Schönheit der Natur unser Herz mit beglückender Daseinsfreude erfüllt.
Die beiden waren die steile Anhöhe am nördlichen Rande des Waldes emporgestiegen und dann auf dem mit Bänken versehenen, höchsten Aussichtspunkt stehen geblieben. Vor ihnen lagen jetzt weite Felder, in der Ferne die in grüne Baumgruppen eingebetteten Häuser Olivas und Zoppots, dahinter der blaue Spiegel